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Nachruf: Charly Lamm, 1955-2019

Charly Lamm starb nach kurzer, aber schwerer Krankheit: Ein Nachruf auf einen Teamchef, der den Motorsport nicht nur in Deutschland über Jahre gepägt hat.

"Ich hoffe, dass ich jetzt einfach etwas Zeit habe, um zur Ruhe zu kommen." Das sind die Worte, die am Abend des 25. Januar 2019 in meinen Gedanken widerhallen. Geäußert wurden sie erst vor wenigen Wochen. Von Karl Lamm, den alle nur "Charly" nannten. Ich hatte ihn im Rahmen seiner Verabschiedung bei BMW noch einmal ausführlich interviewt. Es war ein heiteres Gespräch, voller Lebensfreude, Anekdoten, glänzenden Augen, ein bisschen Wehmut und viel Humor. Und jetzt ist Charly Lamm tot.

Nein, das kann nicht sein! Ungläubigkeit war das erste, was ich empfand, als die Meldung über seinen Tod in der Redaktion einging. Unser letztes Treffen lag gerade einmal ein paar Wochen zurück. Charly war gerührt gewesen, als er beim ADAC den Preis für sein Lebenswerk im Motorsport entgegennehmen durfte, wenige Tage nach seinem letzten großen Erfolg als Teamchef, dem Gewinn des GT-Weltcups in Macau. Er hatte sich gefreut auf die Zeit danach, hatte Pläne, schaute nach vorn - auf eine Zukunft, die ihm nach kurzer, aber schwerer Krankheit verwehrt blieb. Und das bei einer Vergangenheit, die nicht nur in Motorsport-Deutschland ihresgleichen sucht.

Schon zu Schulzeiten hatte der Motorentakt den Rhythmus im Leben von Charly Lamm vorgegeben. "Im Gymnasium haben sie mich am Freitag und am Montag nicht oft gesehen", sagte er zuletzt mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht. Schon im Alter von 16 Jahren war Charly Lamm mit dem Schnitzer-Team an Rennstrecken im In- und Ausland zu Gast, erst als helfende Hand, dann mit immer umfangreicheren Aufgaben, schließlich als Teammanager und oberster Entscheidungsträger. Eine Karriere auf der Überholspur.

Von Freilassing in die weite Welt

"Das erste Überseerennen", sagte er später, "habe ich während des Studiums mitgemacht." Da habe er gemerkt: "Das ist es, das möchte ich." Und der heimische Betrieb, den Vater Karl Lamm nach dem Tod von Firmengründer Josef Schnitzer übernommen hatte, war das ideale Betätigungsfeld für den jungen Charly Lamm. Er wollte reisen, die Welt entdecken - und Motorsport betreiben. Und das Schnitzer-Team zog mit. Vom "beschaulichen Freilassing" aus eroberte die kleine Mannschaft die Welt.

 

Die Liste an Erfolgen, die Schnitzer unter der Leitung von Charly Lamm erzielt hat, ist lang. Selbst in Auszügen liest sie sich wie ein Rennsport-Almanach: 1971, als Charly Lamm erstmals dabei ist, gewinnt Schnitzer zum vierten Mal in Folge den Titel in der Bergrennen-Europameisterschaft, 1975 mit Jacques Laffite die Formel-2-Europameisterschaft, 1978 die deutsche Rennsportmeisterschaft. Dieter Quester wird 1983 Europameister im Tourenwagen, 1985 siegt Schnitzer erstmals beim 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps mit Gerhard Berger, Roberto Ravaglia und Marc Surer.

Dann beginnt eine Ära, die Charly Lamm selbst als "unsere Zeit" beschrieb: Mit dem BMW M3 und immer neuen Erfolgen erreichen Charly Lamm und Schnitzer Legendenstatus. "Wir waren die Unbesiegbaren. Wir hatten einen Lauf. Der M3 war sagenhaft. Es hat einfach alles gepasst", sagte Charly Lamm später einmal. Die Statistik gibt ihm Recht: 1987 gewinnt Ravaglia für Schnitzer die erstmalig ausgetragene Tourenwagen-Weltmeisterschaft, 1988 bereits zum zweiten Mal die Europameisterschaft. 1989 triumphiert das Gespann um Charly Lamm, Ravaglia und Schnitzer auch in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft und in Italien mit Johnny Cecotto. Es folgen weitere Titel in Italien, Großbritannien und in Asien sowie der Gesamtsieg in der Supertourenwagen-Meisterschaft 1998 in Deutschland.

Le Mans 1999: Der größte Triumph

"Das Rennen unseres Lebens", wie es Charly Lamm nannte, kommt 1999: BMW schickt Schnitzer nach Le Mans. Und Charly Lamm und Schnitzer enttäuschen nicht, sondern gewinnen das berühmteste 24-Stunden-Rennen der Welt mit dem BMW V12 LMR und den Fahrern Yannick Dalmas, Pier-Luigi Martini und Joachim Winkelhock gegen starke Konkurrenz. 2001 steuert Jörg Müller den Schnitzer-BMW M3 GTR in der amerikanischen Le-Mans-Serie zum Gesamtsieg und verpasst wenige Jahre später den Weltmeisterschaftstitel im Tourenwagen-Modell 320si zweimal nur knapp, während Schnitzer in nur fünf Saisons insgesamt 25 Siege erzielt.

2010 ist es wiederum der BMW M3 - in der zweiten Generation - mit Müller am Steuer, der Charly Lamm und Schnitzer einen weiteren Großerfolg beschert: Uwe Alzen, Augusto Farfus und Pedro Lamy helfen mit, dass der Rennstall zum fünften Mal nach 1989, 1991, 2004 und 2005 als Sieger aus dem 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife hervorgeht.

Charly Lamm
Charly Lamm war seit 1971 bei Schnitzer angestellt. In diesem Zeitraum prägte er das Team bis zu seiner überraschenden Entlassung Ende 2018 wie kein Zweiter. Am 24. Januar 2019 verstarb er völlig überraschend im Alter von 63 Jahren. Ein Blick zurück auf seine größten Erfolge.
1975 Formel 2: Jacques Laffite
Den ersten großen internationalen Titelgewinn, den Lamm miterleben durfte, erringt Schnitzer nicht als Team, sondern als Motorenlieferant: Jacques Laffite holt 1975 auf einem Martini Mk.16 mit BMW-Schnitzer-Motor den Titel in der Formel 2.
1978 DRM: Harald Ertl
1978 gewinnt Harald Ertl die Deutsche Rennsport Meisterschaft (DRM) und ist damit erster Titelträger mit einem Turbo-Fahrzeug, doch zum Feiern steht es Schnitzer nicht: Teamgründer Josef Schnitzer verstirbt im selben Jahr bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall auf dem Weg nach Zolder.
1983 ETCC: Dieter Quester
In den 1980er-Jahren steigt Schnitzer zum dominanten Tourenwagen-Team auf. Den Anfang macht Dieter Quester, der 1983 auf einem BMW 635 CSi den Europameisterschaftstitel holt.
1985 24h Spa: Gerhard Berger, Roberto Ravaglia, Marc Surer
1985 triumphiert Schnitzer das erste mal bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps mit Roberto Ravaglia, Marc Surer und Gerhard Berger.
1986 ETCC: Roberto Ravaglia, Gerhard Berger
Ein Jahr später beginnt Roberto Ravaglia mit einer der bemerkenswertesten Titelserien aller Zeiten im Tourenwagensport: 1986 gewinnt er im letzten Jahr des BMW 635 CSi die Tourenwagen-Europameisterschaft...
1987 WTCC: Roberto Ravaglia, Ivan Capelli
...1987 mit dem brandneuen BMW M3 E30 die Tourenwagen-Weltmeisterschaft. Er behielt diesen Titel für 18 Jahre, da eine WTCC erst wieder ab dem Jahr 2005 ausgetragen wurde.
1988 ETCC: Roberto Ravaglia
1988 folgt ein weiterer Europameisterschaftstitel. Mangels Bildern aus 1988 hier eine erneute Aufnahme des WM-Autos von 1987.
1989 DTM: Roberto Ravaglia
1989 gelingt der ganz große Coup: Roberto Ravaglia gewinnt mit Schnitzer die DTM, die härteste Tourenwagenserie der Welt. Gleichzeitig gewinnt Schnitzer erstmalig bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring mit Ravaglia, Emanuele Pirro und Fabien Giroix. Ravaglia lässt 1990 den Titel im italienischen Championat folgen.
1991 24h Nürburgring: Kris Nissen, Joachim Winkelhock, Armin Hahne
Erst 1991 hat sich Roberto Ravaglia nach fünf Titeln in Folge ausgesiegt. Doch Charly Lamm und Schnitzer machten weiter: Bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring setzt es den zweiten Sieg mit den Fahrern Kris Nissen, Joachim Winkelhock und Armin Hahne.
1993 BTCC: Joachim Winkelhock
Auf der britischen Insel beginnt sich Anfang der 90er-Jahre ein weiteres Reglement durchzusetzen: Das 2-Liter-Super-Touring-Reglement sollte die 1990er-Jahre bestimmen. 1993 zerlegt Jockel Winkelhock in Großbritannien die hart umkämpfte BTCC und holt sich den Titel. Zwei Jahre später wiederholt er das Kunststück im deutschen STW-Cup.
1998 STW: Johnny Cecotto
1998 darf Charly Lamm wieder jubeln: Johnny Cecotto besiegt in der deutschen STW-Meisterschaft Laurent Aiello. Der Venezolaner sollte der einzige Fahrer bleiben, der die deutsche Super-Touring-Meisterschaft zweimal gewinnen konnte.
1999 24h Le Mans: Joachim Winkelhock, Pierluigi Martin, Yannick Dalmas
2001 ALMS: Jörg Müller
Im neuen Jahrtausend bricht Lamm mit Schnitzer zu neuen Ufern auf und wechselt in den GT-Sport. 2001 lehrt Jörg Müller im BMW M3 GTR des US-Amerikanern in der ALMS das Fürchten und gewinnt die GT-Klasse.
2004 24h Nürburgring: Pedro Lamy, Dirk Müller, Jörg Müller, Hans-Joachim Stuck
Mit demselben Fahrzeug tritt BMW von 2003 bis 2005 bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring an. 2004 und 2005 besiegt Schnitzer mehrere Werks- und zahlreiche, zu jener Zeit noch siegfähige Privatteams. Der BMW M3 GTR ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine lebende Legende.
WTCC: Jorg Müller
Der einzige Titel, der einfach nicht gelingen wollte: Zwischen 2002 und 2009 tritt Schnitzer in der zweiten Auflage von Tourenwagen-Europameisterschaft und -Weltmeisterschaft an. Jörg und Dirk Müller holen zahlreiche Einzelsiege, aber es reicht nie für den Titel. In der Regel scheitern sie an Andy Priaulx aus dem RBM-Team. Das tut weh.
2010 24h Nürburgring: Jörg Müller, Augusto Farfus, Uwe Alzen, Pedro Lamy
Zurück auf die Nordschleife: Mit dem BMW M3 GT2 holt Schnitzer Motorsport 2010 den bisher letzte Sieg von BMW bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring und setzt sich dabei gegen die aufstrebende GT3-Klasse durch.
2012 DTM: Bruno Spengler
Nach 20 Jahren Abstinenz kehren BMW und Schnitzer 2012 in die DTM zurück. Mit Bruno Spengler schafft man den Coup: Titel gleich im ersten Anlauf. Erinnerungen an Ravaglia 1989 werden wach. Die darauf folgenden Jahre in der DTM sollten allerdings schwieriger werden.
2018 FIA GT-Weltcup: Augusto Farfus
Charly Lamms letzter Coup: Beim FIA GT-Weltcup in Macau 2018 setzt sich Augusto Farfus auf einem BMW M6 GT3 durch. Es stand bereits im Vorfeld fest, dass es Lamms letztes Rennen als Schnitzer-Teammanager sein würde. Etwas mehr als zwei Monate später verstirbt er im Alter von 63 Jahren.
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Es sind solche Augenblicke, für die Charly Lamm als Teamchef brannte: "Mit dem Willen und einer guten Langstrecken-Mannschaft, mit Fahrern, die wirklich alles geben, da kannst du schon Berge versetzen. Und ein Sieg bei den 24 Stunden auf der Nordschleife ist einer dieser Momente, da vergisst du alles."

Ein Sieg im Abschiedsrennen in Macau

Doch es warten schon neue Aufgaben auf Charly Lamm und Schnitzer, die ab 2012 den Wiedereinstieg von BMW in die DTM anführen. Mit Erfolg auf ganzer Linie: Schnitzer-Fahrer Bruno Spengler holt den Fahrertitel, Schnitzer gewinnt die Teamwertung und BMW wird bester Hersteller. Besser geht's nicht - aber immer weiter, für Charly Lamm und seinen Rennstall auf der Langstrecke, unter anderem im GT-Masters.

Im Herbst 2018 die überraschende Nachricht: Charly Lamm verlässt am Saisonende den Kommandostand, nach über vier Jahrzehnten in Motorsport. Eine letzte Mission aber hat er noch: den GT-Weltcup in Macau, einem Ort, der ihn zum Ende seiner Karriere an deren Anfänge zurückführt.

1980 hat sich Charly Lamm erstmals auf das Abenteuer Macau eingelassen. In der Frachtmaschine flog er nach Hongkong, quartierte sich für drei Wochen in der dortigen BMW-Niederlassung ein und half beim Lackieren des Fahrzeugs, das Hans-Joachim Stuck wenig später zum Sieg trug. 38 Jahre danach endet an gleicher Stelle eine beeindruckende Laufbahn, mit dem Triumph von Farfus im Schnitzer-BMW M6 GT3 beim letzten Rennen von Charly Lamm als Teamchef. Der Kreis schließt sich - und es gibt niemanden im Fahrerlager, der Charly Lamm diesen Abschlusserfolg nicht gönnt.

Charly Lamm: Die nahbare Legende

Es folgen Galaabende und Ehrungen, emotionale Ansprachen und Bilder aus vier Jahrzehnten. Und der Applaus für Charly Lamm hält lange an. Keinen hält es auf seinem Platz, viele kämpfen mit den Tränen. Auch Charly Lamm selbst, der in diesen Augenblicken beinahe peinlich berührt zu sein scheint. Der Trubel um seine Person geht ihm fast zu weit - ihm, dem Teamplayer, der seiner Schnitzer-Mannschaft zwar immer vorstand, sich aber nie in den Vordergrund gedrängt hat, stets nahbar war und menschlich. Genau so habe ich Charly Lamm selbst erlebt. Von Anfang an.

2008 kam ich als junger Sportredakteur zu meinem ersten Renntermin nach Oschersleben, wo die Tourenwagen-Weltmeisterschaft ihre Deutschland-Läufe austrug. Vieles war neu für mich, aber eines wusste ich gewiss: Charly Lamm musste ich treffen, die Legende. Und ich staunte nicht schlecht, als es wenig später soweit war.

Dieser ersten Begegnung folgten viele weitere, meist sonntags, zwischen Warm-up und erstem Rennen, als Charly Lamm sich hätte mit Rennabstimmung und Strategie beschäftigen können, sich aber immer gerne und interessiert meinen Fragen stellte, die er geduldig und fundiert zu beantworten wusste. Bei ihm war man stets willkommen, nicht nur dienstlich, sondern auch für die kleine Unterhaltung zwischendurch. Und Jahre später vertraute er mir seinen noch minderjährigen Sohn an, mit dem ich gemeinsam zum 24-Stunden-Rennen nach Le Mans reiste, wo Charly Lamm und Schnitzer tätig waren.

Weitere Jahre später wurde unser Austausch sporadischer, auch, weil sich meine Tätigkeit mehr in Richtung Formel 1 verlagerte und ich andere Themen nur aus der Ferne beobachtete. Umso mehr freute ich mich über das Wiedersehen im vergangenen Dezember und die herzlichen Worte, die wir wechselten. Nach dem ganzen Trubel der Abendveranstaltungen und der Feiertage, nach einigen Wochen im neuen Jahr wollten wir uns wieder einmal ausgiebig austauschen. Dazu kam es nun aber leider nicht mehr.

Der letzte Wunsch bleibt unerfüllt

Was mich aber noch viel trauriger stimmt, ist folgender Auszug aus unserem letzten Interview, die Antwort von Charly Lamm auf meine Frage nach seinen nächsten Plänen:

"Irgendwann denkt man über andere Dinge nach. Auch über private Dinge. Daher der Entschluss, den Sport, der mich begeistert hat, der mein Leben geprägt hat wie sonst nichts, ein bisschen hintenan zu stellen. Auf neue Dinge zu schauen, die ich im Leben entdecken möchte. Ich habe mir aber bewusst noch keine Gedanken gemacht. Ich hoffe, dass ich jetzt einfach etwas Zeit habe, um zur Ruhe zu kommen."

Diese Zeit war Charly Lamm nicht vergönnt - ihm, der immer Zeit für Andere hatte, dem das Miteinander über alles ging, für den Teamwork das Größte und das Streben nach Erfolg eine Berufung war. Jetzt, wo das Privatleben erstmals seit Jahrzehnten auf der Pole-Position und Charly Lamm jeden Tag auf einem anderen Gipfel seiner geliebten Alpenberge hätte stehen können. Nein, das ist nicht fair, aber es ist so: Charly Lamm lebt nicht mehr. Doch sein Vorbild und sein Enthusiasmus leben weiter.

Danke, Charly, für alles!

Mit Bildmaterial von ADAC Motorsport.

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