Kolumne: Gary Paffett – Freundliche Rivalitäten
Mercedes-Pilot Gary Paffett schreibt in seiner Kolumne für Motorsport.com über seine seit Jahren laufende Rivalität mit Mattias Ekström und über sein Verhältnis zu anderen Fahrern in der DTM.
Foto: : Alexander Trienitz
Liebe Leser von Motorsport.com,
über das Rennwochenende am Red-Bull-Ring in Spielberg gibt es in dieser Woche nicht viel zu erzählen, denn es war ein Desaster. Nach einem starken Saisonauftakt in Hockenheim taten wir uns am gesamten Wochenende schwer, das Tempo unserer Gegner mitzugehen. Ganz besonders galt das für die Qualifyings. Im Rennen waren wir etwas näher dran. Am Sonntag kam ich gut nach vorn und hätte in den Punkterängen landen sollen. Doch mehr dazu später. Je früher wir das Spielberg-Wochenende abhaken, desto besser. Ich freue mich darauf, in zwei Wochen am Lausitzring wieder in der Spitzengruppe mitzukämpfen.
Bildergalerie: Gary Paffett in Spielberg
Wenn man aus dem Formelsport kommt, stellt man sehr schnell fest, dass die Rennen in der DTM ausgesprochen hart umkämpft sind. Die Abstände sind gering und auch wenn die Autos vom Grundprinzip her wie erstklassige Formelautos aufgebaut sind, so haben sie Türen und Kotflügel. Die Fahrer nutzen die Karosserie, um auf der Strecke mit harten Bandagen um die Positionen zu kämpfen.
Das richtige Maß im Zweikampf finden
Als ich zur Saison 2003 in die DTM einstieg, wollte ich von Beginn an mein Bestes geben. Doch in zwei meiner ersten drei Rennen musste ich mit beschädigtem Auto aufgeben. Der Grat zwischen engem Racing und rücksichtslosem Racing ist unglaublich schmal und als Neueinsteiger ist es schwierig, das richtige Maß zu finden. Selbst die erfahrensten Fahrer in dieser Rennserie sind nicht davor gefeit, das Limit im Zweikampf zu überschreiten. Grund dafür ist, wie wir es nennen, der "rote Nebel". Dies wurde bei den ersten vier Rennen der Saison 2016 besonders deutlich.
Ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es ist, in der DTM Fuß zu fassen: Mein neuer ART-Teamkollege, der letztjährige GP3-Champion Esteban Ocon, kam in Hockenheim in keinem der beiden Rennen über die erste Runde hinaus.
Was mich betrifft, so gibt es noch eine andere Sache, die ich als junger Neueinsteiger in der DTM lernen musste. Ich spreche davon, sich den Respekt der Fahrerkollegen zu erarbeiten. Wenn man sich meine Rennfahrerkarriere ansieht, stellt man fest, dass ich alle zwei bis drei Jahre die Rennserie gewechselt habe. Das trifft auf viele Fahrer zu und so wurden viele verschiedene Karrierewege eingeschlagen. Deshalb war es auch kein Problem, wenn man einen seiner Kollegen als Feind hatte. Das heißt nicht, dass ich viele Feinde hatte, weil ich unfair gefahren werde. Was ich damit sagen will, ist, dass ich mir im Formelsport über dieses Thema niemals nachdenken musste.
Seit 2004: Rivalität mit Mattias Ekström
Im Tourenwagensport sind die Duelle aber enger und laufen mit deutlich mehr Kontakt ab. Das liegt in der Natur der Sache, wenn man Autos mit Kotflügeln fährt. Somit macht man sich auch ganz schnell Feinde. Meine heftige Rivalität mit Mattias Ekström ist bekannt. Schließlich dauert sie jetzt schon mehr als zehn Jahre und in Hockenheim war klar erkennbar, dass sie so schnell nicht vorüber sein wird.
Alles begann in Estoril 2004, als wir um die Führung kämpften. Ich kam gerade aus der Box, als sich Eki in Kurve 3 innen neben mich presste und mich am Ausgang der Kurve von der Strecke drückte. Ich trug einen Platten davon, musste einen zusätzlichen Boxenstopp einlegen und kam nur als 13. ins Ziel. Mattias hingegen stand auf dem Podest. Das machte mich wütend und ich war auf Revanche aus.
Zwei Rennen später kämpften wir am Lausitzring erneut um die Führung. In diesem Fall war ich der Jäger und ich ergriff die Chance, mich bei ihm zu revanchieren. Ein paar Runden vor Schluss klopfte ich in der letzten Kurve vor Start/Ziel an seinem Heck an und zwang ihn damit, eine weite Linie zu fahren. Das Ganze war bei weitem nicht so wild wie sein Manöver in Estoril, aber es war genug, um vorbeizukommen. Ich gewann das Rennen. Eki stand als Zweiter ebenfalls auf dem Podest. In diesem Moment wurde unsere Beziehung für Jahre geprägt.
Gegenseitiger Respekt
Mattias wandte sich zu mir, schüttelte mir die Hand und sagte: "Damit sind wir wohl quitt." In diesem Moment war uns beiden klar, dass keiner auch nur einen Millimeter nachgeben würde, wenn wir uns weiter gegenseitig in die Kiste fahren würden. Weil wir beide wussten, dass der jeweils andere immer auf Revanche aus sein würde, haben wir von diesem Moment an großen Respekt voreinander auf der Rennstrecke.
Doch in der Hitze des Gefechts haben wir beide die Grenze hin und wieder überschritten. Hockenheim vor ein paar Wochen war ein solcher Moment.
Jedes Mal, wenn so etwas passiert, stellen wir sehr schnell fest, dass uns eine derartige Fahrweise nicht weiterbringt, weil wir, wenn überhaupt, deutlich weiter hinten ins Ziel kommen. Also haken wir es ab und schauen nach vorn.
Im Laufe der Jahre hatten wir einige tolle Rad-an-Rad-Duelle und ich weiß genau, dass ich einen harten Kampf erwarten kann, wenn ich ihm auf der Strecke begegne. Eki ist einer der konstantesten Spitzenfahrer, die ich jemals im Motorsport erlebt habe. Genau wie ich gibt er niemals auf. Wir beiden geben immer alles, ganz gleich, wie die Umstände sind.
Vor zehn Jahren: Testfahrten zur DTM-Saison 2006
Neben der Tatsache, dass wir uns auf der Strecke gegenseitig sehr gut einschätzen können, haben wir auch ganz ähnliche Ansichten, was viele Dinge abseits der Strecke betrifft. So chatten wir regelmäßig am Telefon über alles Mögliche, angefangen damit, wie er über die DTM denkt, bis hin zu seinen Plänen für das Wochenende. Weder er noch ich sind abgehobene Superstars, die nach Aufmerksamkeit lechzen. Wir lieben einfach den Motorsport und lieben es, so schnell wie möglich Auto zu fahren. Das ist der Grund, weshalb wir das tun, was wir tun.
Die Ausnahmen der Regel
Mattias ist nicht der einzige Fahrer, mit dem ich mich seit zehn oder mehr Jahren Rennwochenende für Rennwochenende in der DTM messe. Ich habe aber das Gefühl, dass er stets derjenige ist, den ich schlagen muss, wenn ich eine Chance auf den Titel haben will. Wir beiden hatten schlechte Rennen und sogar Jahre, in denen wir nicht die entsprechende Leistung gebracht haben, um für den Titel in Frage zu kommen. Doch beide haben wir es zurück an die Spitze geschafft.
Ich, Eki, Scheider, Tomczyk, Green, Spengler, Rocky: Wir alle fahren jetzt schon seit Jahren gemeinsam in der DTM. Wir alle sind mehrfache Rennsieger und alle außer einer haben mindestens einen Titel gewonnen. Es ist toll, Teil einer solch talentierten Gruppe zu sein.
Ich verstehe mich mit fast allen Fahrern in der DTM sehr gut. Es gibt nur ein paar wenige Ausnahmen. - Gary Paffett
Persönlich bin ich ein recht unbeschwerter Typ, mit dem man normalerweise gut auskommt. Ich verstehe mich mit fast allen Fahrern in der DTM sehr gut. Es gibt nur ein paar wenige Ausnahmen. Ich würde die meisten meiner Fahrerkollegen als Freunde bezeichnen, auch wenn mit den meisten von ihnen abseits der Strecke nicht viel Zeit verbringe. Wir alle aber teilen dieselbe Leidenschaft für den Motorsport und sind uns einig, wenn es darum geht, wir unseren Job, den wir alle so lieben, anpacken sollten.
Es gibt ein, zwei Fahrer, mit denen ich nicht auf einer Wellenlänge bin und bei denen ich mich schwer tue, ihre Sichtweise der Dinge akzeptieren. Ich habe es erlebt, wie sich manch einer im Laufe der Jahre von einem entschlossenen jungen Fahrer zu einem rücksichtslosen Mann entwickelt hat, der alles in Kauf nimmt, um Erfolg zu haben.
Selbst innerhalb unserer Mercedes-Truppe hat es im Laufe der Jahre Leute gegeben, denen ich nicht vertraut habe und mit denen ich nicht gerne zusammengearbeitet habe. In diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass die aktuellen Mercedes-Fahrer sehr gut zusammenarbeiten. Die aktuelle Struktur innerhalb der Mannschaft hilft, dass wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen.
Die Mercedes-Autodesigns in der DTM-Saison 2016
Das ändert freilich nichts daran, dass es mein oberstes Ziel an einem Rennwochenende ist, meine sieben Markenkollegen zu schlagen. Der beste Mercedes-Pilot zu sein, ist das einzige, was ich selbst kontrollieren kann. Wenn es darum geht, die Fahrer von Audi und BMW zu schlagen, muss das gesamte Team Höchstleistung bringen, indem das Auto bestmöglich vorbereitet wird. Wenn es aber darum geht, meine Kollegen hinter mir zu halten, dann habe ich es selbst in der Hand.
Meine Mechaniker und Ingenieure bei ART leisten natürlich einen wichtigen Beitrag. Der Job der Mechaniker ist es, mein Auto hundertprozentig vorzubereiten. Mein Auto ist nach wie vor identisch zu dem, das di Resta, Wickens und alle anderen Mercedes-Fahrer zur Verfügung haben. Meine Ingenieure können es aber dank Veränderungen am Setup meinem Fahrstil anpassen.
Heftige, aber freundliche Rivalität bei Mercedes 2016
Ich würde die Situation bei uns bei Mercedes als die heftigste freundliche Rivalität im gesamten Feld bezeichnen, denn ungeachtet davon, auf welcher Strecke wir antreten, haben wir immer die gleiche Chance auf Erfolge. Wir alle wollen beweisen, dass wir die Besten sind. Ich komme in diesem Jahr mit all meinen Markenkollegen gut aus, aber natürlich stehe ich einigen näher als anderen.
Paul (di Resta) kenne ich seit unserer gemeinsamen Kartzeit in Großbritannien. Wir kennen uns von Kindesbeinen an und da wir beide seit vielen Jahren für Mercedes in der DTM fahren, arbeiten wir gut zusammen. Robert (Wickens; Anm. d. Red.) stieß zur Saison 2012 zu Mercedes. Wenngleich er also noch nicht so lange dabei ist, ist er derjenige, mit dem ich mich am besten verstehe. Wir haben viele gemeinsame Interessen wie etwa die Sportarten, die wir gerne ausüben oder die TV-Shows, die wir uns gerne ansehen.
Wir sind sicher die zwei ähnlichsten Fahrer innerhalb der Mercedes-Truppe. - Garry Paffett über Robert Wickens
Robert und ich, wir sind sicher die zwei ähnlichsten Fahrer innerhalb der Mercedes-Truppe. Wir beide haben einen ähnlichen Fahrstil und fahren deshalb an den meisten Rennwochenenden ein ganz ähnliches Setup. Auf der Strecke haben wir großen Respekt voreinander und wissen stets genau, was vom jeweils anderen zu erwarten ist. Ich kann mich an keinen einzigen Moment erinnern, in dem wir davon abgewichen wären.
Ich genieße die Rennen in der DTM mit ihren zahlreichen talentierten Fahrern sehr. Es ist die am härtesten umkämpfte Rennserie weltweit, so viel steht fest!
Euer
Gary Paffett
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