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Analyse

Interview: Das virtuelle F1-Rennen aus Sicht eines Sim-Racers (2/2)

Das virtuelle Formel-1-Rennen auf dem Bahrain International Circuit hat gemischte Gefühle hinterlassen - Wie ein Simracer den Gehversuch bewertet

Lando Norris, F1 2019 screenshot

Foto: : Veloce Racing

Das erste virtuelle Rennen der Formel 1 hat bei einigen Zuschauern, denen Sim-Racing bisher völlig unbekannt gewesen ist, für mehr Fragezeichen als Antworten gesorgt. Soll das also dieses Sim-Racing sein, der Trend der Stunde?

Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, beantwortet unser Redakteur Heiko Stritzke einige Fragen, die sich durch das Rennen ergeben haben. Er hat selbst zwischen 2009 und 2015 an zahlreichen Sim-Racing-Ligen teilgenommen und seit 2009 mehr als 500 Livestreams von virtuellen Rennen im Sim-Racing kommentiert.

Heute: Wie es sich im Sim-Racing mit Schäden nach Kollisionen verhält, ob Reifenverschleiß und Spritverbrauch im Sim-Racing einkalkuliert sind, wie technische Defekte im Sim-Racing aussehen, wie das Thema "Track Limits" im Sim-Racing behandelt wird, wie das Kräfteverhältnis zwischen den einzelnen Autos aussieht und was die Formel 1 besser machen könnte.

Kann man im Sim-Racing nach einem Unfall wirklich weiterfahren?

Ein weiterer Aufreger, an dem sich einige Zuschauer die Nase gerümpft haben: Mehrfach im Rennen kam es zu kleineren Berührungen ohne Folgen, die in der Realität sofort dafür sorgen, dass mindestens ein Frontflügel wegfliegt. Mehrere Überholmanöver wären in der Realität so nicht möglich gewesen.

Tatsächlich ist das Schadensmodell im Sim-Racing eine Dauerbaustelle. Die komplexen Verformungen gehören auch heute noch zu den größten Herausforderungen, die das Programmieren zu bieten hat. Es gibt zwar komplexe Schadensmodell-Software, doch diese in eine Rennsimulation zu integrieren, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Schließlich setzen die Publisher von PC-Spielen den Entwicklern Deadlines, die es einzuhalten gilt.

 

Man kann bei einem 100-prozentigen Schadensmodell im Simracing tatsächlich die Hemmschwelle sehr gering ansetzen. Das Problem dabei: Dann können auch harmlose Berührungen zweier Tourenwagen schon zu einem halben Totalschaden führen. Deshalb werden die Schadensmodelle im Sim-Racing meist leicht heruntergedreht.

Auf wie viel, hängt von der einzelnen Liga ab. In manchen Rennserien gleicht das Schadensmodell dem des Formel-1-Rennens, in den allermeisten ist es "schärfer" gestellt.

In der Regel führt das Herunterdrehen des Schadensmodells jedoch dazu, dass das klassische Abfahren des Frontflügels nicht simuliert werden kann. Das wäre nämlich auf nahezu 100 Prozent Empfindlichkeit angewiesen, deren Problem wir aber schon diskutiert haben. So kommt es auch im Sim-Racing bei Formelfahrzeugen ab und an vor, dass man beim Vordermann leicht "anklopfen" kann, ohne den Flügel zu verlieren.

Gibt es Reifenverschleiß und Benzinverbrauch im Sim-Racing?

Ja. Reifenverschleißmodelle gibt es schon seit 20 Jahren. Sie sind mittlerweile sehr fortgeschritten, können in manchen (nicht allen) Simulationen auf Verbremser reagieren und haben einen klassischen "Drop" in der Performance über die Distanz. Außer man fährt beispielsweise ein Le-Mans-Auto, bei dem auch in der Realität die Reifenperformance sehr konstant bleibt.

Der Benzinverbrauch ist im Sim-Racing recht einfach zu simulieren und ein schon lange implementiertes Feature. Das Gewicht unterschiedlicher Spritmengen wirkt sich wie in der Realität aus. Hier bildet das Sim-Racing die Realität perfekt ab.

Wie sieht es mit technischen Defekten aus?

Die meisten Rennsimulationen bieten die Möglichkeit, technische Defekt ein und aus zu stellen. Generell fällt im Sim-Racing natürlich der Aspekt weg, dass Komponenten mehrere Rennen halten müssen. Vielleicht schafft man es eines Tages, auch das zu implementieren.

Man kann also einen Zufallsgenerator einschalten, der in seltenen Fällen zuschlägt. Oft wird der Aspekt aus Fairnessgründen allerdings ausgestellt. Brems- oder Getriebeprobleme legen in Sim-Races normalerweise niemanden lahm.

Wohl aber kann der Fahrer mutwillig einen technischen Defekt herbeiführen. Wer versucht, ein ganzes Rennen mit dem Motorprogramm für das Qualifying zu absolvieren, wird nicht weit kommen. Ebenso wie Fahrer, die beim Runterschalten den Motor zu stark überdrehen. Es gibt im Simracing allerdings den großen technischen Defekt Verbindungsverlust (Disconnect).

Würde die KI im echten Simracing auch das Fahrzeug bei Verbindungsverlust übernehmen?

In einzelnen Fällen (zum Beispiel Langstreckenrennen) ist es möglich, den Rennserver wieder zu betreten und das Rennen aus der Boxengasse mit dem alten Rundenstand fortzusetzen. Natürlich verliert man jede Menge Zeit dadurch: Die bis zum Disconnect absolvierte Runde ist weg, hinzu kommt die Zeit für das Wiederbetreten des Servers ("Rejoin").

 

Wie werden Track Limits überwacht?

Das Thema "Cutting" ist ein dauerhaftes im Sim-Racing und verfolgt die Szene seit Anbeginn der Zeit. Track Limits können tatsächlich von der Simulation selbst überwacht werden. Sie vergibt dann automatisch "Cut"-Strafen.

Das kann bedeuten, dass der Fahrer verlangsamt wird oder selbst das Tempo bis zum Ende der Runde drosseln muss. Oder aber es wird direkt eine Durchfahrtsstrafe vergeben. In manchen Fällen hat man auch eine gewisse Zahl von "Leben" und wird erst beim dritten oder fünften "Cut" bestraft.

Manche Sim-Racing-Ligen hingegen verlassen sich auf menschliche Entscheidungsfindung. Ein Grund könnte beispielsweise das Szenario von Johnny Herbert beim virtuellen Bahrain-Rennen der Formel 1 sein, sollte er einem Unfall vor ihm ausgewichen sein: Hier hat das Spiel von sich aus eine 10-Sekunden-Strafe verteilt. Eine menschliche Rennleitung könnte in so einem Fall situationsabhängig entscheiden.

Dabei wird vor allem im Qualifying genau hingeschaut und im Rennen entweder stichprobenartig oder mit voller Überwachung im Nachhinein analysiert. Sollte ein Fahrer dabei durch exzessives Überschreiten der Track Limits auffallen, wird er entsprechend bestraft.

Sind alle Autos gleich? Ist ein Mercedes genauso schnell wie ein Williams?

So mancher Formel-1-Fan wird sich gewundert haben, dass ein Renault das virtuelle Bahrain-Rennen gewinnen konnte, was in der realen Formel 1 2019 nahezu ausgeschlossen war. In den meisten Rennsimulationen lässt sich sowohl das echte Kräfteverhältnis simulieren als auch eine Einheits-Physik verwenden.

Mit dem "echten" Kräfteverhältnis wird im Sim-Racing bei unterschiedlicher Performance in den seltensten Fällen gefahren, weil damit ein Großteil des Feldes direkt um die Siegchance gebracht werden würde. Manche Meisterschaften greifen daher auf die Einheitsphysik zurück.

Andere Formel-1-basierte Sim-Racing-Meisterschaften gehen auch einen Kompromiss ein. So werden beispielsweise die Fahrphysiken der drei stärksten Autos angeboten (Mercedes, Ferrari und Red Bull). Jeder darf sich dann seine "Lieblings"-Physik für sein Auto aussuchen, die er dann über die Saison behalten muss.

In anderen Fahrzeugklassen, zum Beispiel GT3, können die unterschiedlichen Fahrphysiken der Autos auch beibehalten werden, ohne dass es zu großen Unterschieden in der Performance kommt. Es gibt also durchaus die Philosophie "gleich schnell, aber unterschiedlich zu fahren".

Wohl aber kann das eine Fahrzeugkonzept auf einer Strecke besser funktionieren als das andere. Der Rennkalender muss entsprechend fair von der Ligaleitung geplant werden.

 

Wenn das Formel-1-"Sim-Race" so schlecht war, wie sieht ein echtes Sim-Race aus? Und was kann die Formel 1 besser machen?

Ein gutes Beispiel haben am vergangenen Wochenende die Nürburgring Langstrecken-Serie (VLN) und die IMSA SportsCar Championship abgegeben. Deren virtuelle Rennen sind in voller Länge auf Youtube zu sehen. Es reicht bereits, sich den Start anzusehen, um den Unterschied zum virtuellen Formel-1-Rennen festzustellen.

Was die Formel 1 besser machen könnte, wenn sie "echtes" Sim-Racing zeigen will: Sie sollte erstens eine andere Simulation verwenden, zum Beispiel rFactor 2 oder iRacing. Leider wäre hier natürlich ein kommerzieller Interessenkonflikt vorprogrammiert, da die Formel 1 ja ihr eigenes Spiel bewerben möchte.

Zweitens sollten klare Regeln für den Umgang auf der Strecke aufgestellt werden. Und drittens muss eine ordentliche Rennleitung dafür sorgen, dass diese Regeln auch eingehalten werden.

Eine sehr schöne Mischung aus seriösem Sim-Racing und spaßiger Unterhaltung hat übrigens NASCAR am vergangenen Wochenende gezeigt.

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