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Analyse

Analyse: Wie die Formel 1 die Zweiklassengesellschaft beenden könnte

Formel-1-Motorsportchef Ross Brawn will die Teams im Grand-Prix-Sport enger zusammenführen und könnte sich dabei am NASCAR-Vorbild orientieren.

Valtteri Bottas, Mercedes AMG F1 W08

Foto: : Sutton Images

Während die beiden Topteams der Formel-1-Saison 2017 – Ferrari und Mercedes – nur durch ein paar Zehntelsekunden getrennt sind, ist die Lücke zu den Verfolgerteams alles andere als klein.

Das ehemalige Weltmeisterteam Red Bull Racing ist, wie es selbst sagt, ins "Niemandsland" zurückgefallen. Mehr noch: Im Mittelfeld sorgen die Abstände in den Qualifyings der ersten 4 Saisonrennen durch die Bank für Kopfschütteln.

Im Durchschnitt liegt der Rückstand des besten Teams, das nicht Ferrari, Mercedes oder Red Bull heißt, bei mehr als 1,6 Sekunden: In Australien und China waren es 1,8 Sekunden. In Bahrain war es genau eine Sekunde, in Russland sogar 1,9 Sekunden.

So ist es kein Wunder, dass Fahrer der Mittelfeldteams, wie etwa Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz Jr., wenig begeistert klingen. Solange die 3 führenden Teams mit ihren Autos ohne Probleme über die Renndistanz kommen, ist für alle anderen der 7. Platz das beste, worauf sie hoffen können.

"Meiner Meinung nach fahren sie in einer anderen Liga", sagte Sainz Jr. in der Frühphase der Saison, um klarzustellen: "Ich achte überhaupt nicht auf sie. Es ist einfach dumm. Es ist ein kompletter Witz, dass wir nicht mehr gegen sie kämpfen können. Das tut mir ziemlich weh. Andererseits würde ich mir wohl keinen Kopf darüber machen, wenn ich selbst für eines der 2 Topteams fahren würde."

Das Feld enger zusammenführen

Valtteri Bottas, Mercedes F1 W08, Sebastian Vettel, Ferrari SF70H, Lewis Hamilton, Mercedes F1 W08, Max Verstappen, Red Bull Racing RB13 at the start
Start zum Grand Prix von Bahrain 2017

Foto: LAT Images

Es stimmt zwar, dass sich das Feld mit zunehmender Dauer der Saison enger zusammenschieben wird. Es ist aber auch ein Fakt, dass die Ressourcen von Mercedes, Ferrari und Red Bull größer sind als die der anderen Teams. Somit besteht die Gefahr, dass diese Teams ihren Vorsprung auf die anderen sogar noch vergrößern.

Sollte sich das letztgenannte Szenario bewahrheiten, riskiert die Formel 1 eine noch extremere Zweiklassengesellschaft, in der nur die reiche Minderheit eine Chance auf Rennsiege hat. Das widerstrebt dem Gedanken des neuen Formel-1-Motorsportchefs Ross Brawn. Der nämlich wünscht sich, dass Teams wie Force India an guten Tagen in der Lage sein sollten, Rennen zu gewinnen.

Wie aber schafft man es, das Feld enger zusammenzuführen, ohne dabei auf technische Tricks zurückgreifen zu müssen, die entweder bei den Fans nicht gut ankommen oder aber eine Umschreibung des Reglements voraussetzen? Neue Passagen im Reglement würden die Gefahr, dass die Abstände größer werden, sogar noch erhöhen.

"Es ist eine Tatsache, dass das Feld immer dann tendenziell auseinandergezogen wird, wenn es neue Regeln gibt", weiß Williams-Technikchef Paddy Lowe, um im Gegenzug festzuhalten: "Wenn ein Reglement stabil ist und gewachsen ist, werden die Abstände kleiner."

Die Antwort auf die Frage, wie man den Wettbewerb in der Formel 1 verbessern könnte, fällt nicht leicht. Ein möglicher Ansatzpunkt wäre ein Umdenken dahingehend, dass die Formel 1 gezwungen wird, mehr Geheimnisse offenzulegen und sich damit von ihrer Politik der Geheimhaltung und Verschleierung verabschieden muss.

Offene technische Inspektion

Car of Denny Hamlin, Joe Gibbs Racing Toyota at technical inspection
Offene technische Inspektion bei der NASCAR

Foto: Eric Gilbert

Als Brawn kürzlich über mögliche neue Wege sprach, erwähnte er, wie etwas an ihn herangetragen wurde, das in der NASCAR seit Jahrzehnten gebräuchlich ist, um Geheimnisse zwischen den Teams zu vermeiden: die offene technische Inspektion.

"Ich glaube, auch in der Formel 1 findet ein Umdenken statt, denn es gibt Möglichkeiten, die wir nicht verpassen sollten", so Brawn im Gespräch mit Motorsport.com, um auszuholen: "Wie mir kürzlich jemand erzählte, kann man in der NASCAR ab einem gewissen Zeitpunkt der Saison dabei zuschauen, wie das Auto eines gegnerischen Teams auseinandergebaut wird."

"So kann man sehen, was sich darin verbirgt. Das ist ihre Art, den Wettbewerb am Leben zu halten. Wenn niemand Einspruch erhebt, hat auch niemand ein Problem. Das ist eine Philosophie, über die wir nachdenken sollten", so Brawn.

Wie es funktioniert

Fans at technical inspection
NASCAR-Fans verfolgen die technische Inspektion

Foto: Eric Gilbert

In Wirklichkeit passiert das Ganze deutlich häufiger als Brawn im Gespräch anhand der ihm zugetragenen Informationen klar war. Die NASCAR-Boliden müssen Rennwochenende für Rennwochenende vor dem Qualifying, vor dem Rennen und – mit Einschränkungen, weil nur ausgewählte Autos – auch nach dem Rennen die technische Inspektion durchlaufen.

Die Inspektionen vor dem Qualifying und vor dem Rennen werden in der Öffentlichkeit durchgeführt. Somit haben nicht nur die Mitglieder aller anderen Teams jederzeit die Möglichkeit, zu sehen, was an den einzelnen Stationen der Inspektion vor sich geht. Gleiches gilt für die Fans.

Die technische Inspektion nach dem Rennen läuft anders. Hierfür wählt NASCAR eine Reihe von Autos aus, wobei das Siegerauto immer dabei ist. Die ausgewählten Autos werden dann im Entwicklungs- und Forschungszentrum von NASCAR in Concord (North Carolina) noch genauer unter die Lupe genommen als es am Rennwochenende an der Strecke passiert.

Doch auch diese in der Woche nach einem Rennen durchgeführte Inspektion bleibt den gegnerischen Teams nicht verborgen. "Es ist eine Politik der offenen Türen", erklärt der stellvertretende NASCAR-Technikchef Chad Little das Vorgehen im Forschungs- und Entwicklungszentrum.

"Jedes andere Team kann vorbeikommen und zuschauen. Sie sind dabei direkt nebeneinander aufgestellt, so wie auch am Rennwochenende in der Garage an der Rennstrecke. Da deckt niemand etwas zu. Wenn die Teile ausgebaut werden, liegen sie da, sodass alle sie sehen können", betont Little.

Neuer Denkansatz für die Formel 1

Kimi Raikkonen, Ferrari SF70H behind the screens in the pits
Kimi Raikkonen, Ferrari SF70H behind the screens in the pits

Photo by: XPB Images

Wie wäre es, wenn die NASCAR-Politik der offenen Türen in der Formel 1 Einzug halten würde?

Man stelle sich vor, wie Honda viel schneller darauf kommen könnte, was es braucht, um einen konkurrenzfähigen Motor zu bauen, indem die Honda-Ingenieure direkten Zugang zu den Triebwerken von Mercedes und Ferrari erhalten.

Oder man stelle sich vor, wie Teams wie Williams oder Force India die Radaufhängung oder die aerodynamischen Konzepte von Teams wie Red Bull viel besser verstehen könnten, weil sie direkten Einblick erhalten.

Haas-Teamchef Günther Steiner kennt die Politik der offenen Türen aus seiner eigenen NASCAR-Zeit bestens. Er ist überzeugt, dass ein solcher Ansatz in der Formel 1 helfen würde, die kleineren Teams näher an die Topteams heranzubringen. Hinzu kommt, dass es auch für die Fans besser wäre, weil sie die Autos aus nächster Nähe sehen könnten anstatt sie ständig hinter Stellwänden und verschlossenen Garagentoren kaum erkennen zu können.

"Ich glaube, es könnte funktionieren, denn es ist eine gute Sache", so Steiner im Gespräch mit Motorsport.com. "Die Leute würde ihre Technologien den Fans präsentieren. Genau darum geht es. Wir haben eine faszinierende Geschichte zu erzählen, aber wir tun alles, um sie geheim zu halten. Es wäre eine gute Sache, wenn es Regeln gäbe, die besagen, dass wir unsere Entwicklungen offenlegen müssen."

Car of Fernando Alonso, McLaren MCL32
McLaren-Teammitglieder mit dem Auto von Fernando Alonso, McLaren MCL32

Foto: LAT Images

Es gibt da die Denkrichtung, die sagt, dass die Formel 1 deshalb so populär sei, weil sie auf Entwicklungen beruht, die im stillen Kämmerlein getätigt werden. Steiner aber glaubt nicht, dass die Übernahme der Idee der offenen Inspektion das Entwicklungsrennen stoppen würde. Vielmehr glaubt der Haas-Teamchef, dass eine solche Maßnahme für mehr Ausgeglichenheit zwischen den Teams sorgen würde.

"Ich weiß nicht, ob es die Entwicklung stoppen würde. Wenn Leute sehen können, was andere tun, können sie es zumindest nachbauen. Man muss immer noch hart arbeiten, aber dann hätten wenigstens die Fans Einblick", so Steiner.

Der Haas-Teamchef führt aber auch an: "Wenn man es gerne billiger hat, soll man zu den billigen Serien gehen. Das ist die Formel 1 überhaupt nicht. Sie sollte auf dem hohen technischen Stand bleiben, denn der ist Teil des Images. Wir müssen es aber schaffen, den Zugang für die Fans zu verbessern."

"Das kann Vorteil wie Nachteil sein", sinniert Steiner und präzisiert: "Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man. Es würde das Feld aber enger zusammenbringen. Wenn du an der Spitze fährst, willst du nichts preisgeben. Wenn du aber dazu gezwungen wirst, dann musst du es herzeigen."

Die großen Teams würden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen eine derartige Regeländerung wehren, weil sie um ihren Vorteil fürchten würden.

Doch gerade in einer Zeit, in der sich Liberty Media einer langfristigen Überholung der kommerziellen Strukturen der Formel 1 verschrieben hat, ist vielleicht die Zeit reif für mutige Schritte wie den hin zur offenen Inspektion, um somit die Beteiligten nicht nur in der Boxengasse, sondern auch auf der Strecke näher zusammenzuführen.

Mit Informationen von Jim Utter

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