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Analyse: Alle Details zum Racing-Point-Urteil!

Wie die Formel-1-Sportkommissare ihre Strafe gegen Racing Point begründen und wofür das Mercedes-Kundenteam beim Renault-Protest genau bestraft wurde

Die Sportkommissare des Automobil-Weltverbands (FIA) haben entschieden: Der Renault-Protest gegen Racing Point ist zulässig, und Racing Point wird mit insgesamt 400.000 Euro sowie einem Abzug von 15 Punkten in der Konstrukteurswertung bestraft, für jeden weiteren Einsatz des RP20 verwarnt.

Wie die Sportkommissare zu diesem Urteil gekommen sind und wie sie es begründen, das ist in einem ausführlichen Dokument über 14 Seiten dargelegt. Gleich zu Beginn heißt es dort: "Die Stewards [Dennis Dean, Gerd Ennser, Walter Jobst und Richard Norbury] halten die Strafe [...] für angemessen und die Verwarnungen für ausreichend."

Es folgt ein Überblick über die Vorwürfe von Renault, wie sie in den drei Protesten gegen Racing Point für den Steiermark-Grand-Prix, den Ungarn-Grand-Prix und den Großbritannien-Grand-Prix vorgebracht wurden.

Die Vorwürfe von Renault gegen Racing Point

Zentraler Punkt: Racing Point habe die sogenannten Bremsschächte am RP20 nicht selbst designt. Renault äußert den Verdacht, Racing Point habe "Daten und/oder Designs und/oder Informationen und/oder Teile von Mercedes" erhalten, weil ein (fast) 1:1-Nachbau nur anhand von Fotografieren schlicht nicht möglich sei.

Racing Point wiederum beruft sich darauf, dass die beanstandeten Teile eben nicht identisch seien zu denen am Mercedes W10 aus der Formel-1-Saison 2019 und dass ein Nachbau per Reglement nicht verboten sei.

Allerdings räumt Racing Point auch ein: Mercedes habe dem Team einen kompletten Datensatz über die 2019er-Bremsschächte zukommen lassen, und zwar um den 6. Januar 2020.

Der Wechsel von "nicht gelisteten" zu "gelisteten Teilen"

Das Problem dabei: 2019 waren die Bremsschächte noch Teile, die ein Team bei einem Mitbewerber einkaufen durfte. Seit 2020 aber zählen Bremsschächte zu den sogenannten gelisteten Teilen, die jeder Konstrukteur verbindlich selbst zu designen hat.

Und deshalb halten die Sportkommissare gleich zu Beginn ihrer Analyse fest: "Dass die [beanstandeten] Bremsschächte 2019 designt wurden und dass die Bremsschächte im Sportlichen Reglement von 2019 als nicht gelistet geführt wurden, macht keinen Unterschied."

Bremsen von Racing Point und Mercedes

Die Bremsschächte von Racing Point und Mercedes im Direktvergleich

Foto: Giorgio Piola

"Das Sportliche Reglement verlangt, dass ein Team nur gelistete Teile in der Meisterschaft einsetzen darf, die es selbst designt hat. Dabei spielt es keine Rolle, wann sie designt worden sind. Wann auch immer sie designt wurden: Sie müssen vom [jeweiligen Konstrukteur] designt worden sein."

Das Problem: Der Jahreswechsel 2019/2020

Das bedeutet: Für die Betrachtung des aktuellen Falls ist es unerheblich, dass das Sportliche Reglement für die Formel-1-Saison 2020 erst einen Tag vor dem Auftaktrennen in Spielberg in Kraft getreten ist.

Weiter heißt es im Dokument: "Das Sportliche Reglement sagt ganz klar, dass es einem Team verboten ist, jegliche Art von Informationen über gelistete Teile von einem anderen Team (oder jeder anderen Quelle) zu beziehen."

Die Regeln decken den aktuellen Fall jedoch nur zum Teil ab, weil Racing Point die Daten von Teilen erhalten hat, die 2019 nicht gelistet waren, es aber 2020 sind. Allerdings wurde die entsprechende Umstellung im Reglement bereits am 30. April 2019 publiziert, also lange vor der Entwicklung des RP20.

Die Lösung an der Vorderachse ist legal

Die FIA-Sportkommissare gehen dann näher auf die beanstandeten Komponenten ein und unterscheiden hierbei zwischen den Bremsschächten an der Vorder- und an der Hinterachse. Und für die Lösung an der Vorderachse wird Racing Point freigesprochen.

Die Begründung: Das Team hatte bereits 2019 Bremsschächte nach Vorbild von Mercedes am Auto verbaut, als das per Reglement noch zulässig war. Dafür habe Racing Point die entsprechenden Mercedes-Grafikdateien erhalten. All das war erlaubt.

Die Verwendung der minimal modifizierten Bremsschächte im RP20 für 2020 sei damit legal, obwohl sie nicht selbst designt worden sind - "aus Fairnessgründen, mit Blick auf die einmaligen Umstände in der veränderten Einstufung der Bremsschächte" von nicht gelisteten (2019) zu gelisteten Teilen (2020).

Warum die hinteren Bremsschächte zum Problem werden

Anders sei die Situation bei den Bremsschächten an der Hinterachse zu bewerten. Denn: Racing Point hatte in der Saison 2019 hinten noch "eine deutlich andere Bremsschacht-Philosophie" verwendet als die Mercedes-Vorlage, vermutlich aufgrund des damals verwendeten höheren Anstellwinkels im Vergleich zu Mercedes.

Die Umstellung auf das Mercedes-Vorbild erfolgte erst zur Saison 2020. "Es handelte sich also nicht um die Weiterentwicklung einer Komponente, die sich bereits in der DNA des RP19 befunden hat, sondern um eine komplett neue Komponente im RP20, die per Reglement als gelistetes Teil geführt wurde."

Die Sportkommissare stellen klar: Racing Point habe die Grafikdateien von Mercedes zu den Bremsschächten am W10 "vollkommen rechtmäßig" erworben. Aber: "Racing Point wusste bei der Entwicklung des RP20, dass es seine Bremsschächte selbst designen muss." Die Verwendung der Mercedes-Vorlage sei daher nicht zulässig.

Wer ist der wahre Konstrukteur der Bremsschächte?

Dass sich die Bremsschächte an der Hinterachse nicht 1:1 gleichen, sei "irrelevant", erklären die Sportkommissare weiter. "Die Grafikdateien zum Mercedes W10 gaben Racing Point ein 3D-Modell an die Hand [...], welche die entscheidenden Aspekte des Teils aus aerodynamischer Sicht abdeckt."

Sergio Perez

Der Racing Point RP20 ist ein fast 1:1-Nachbau des letztjährigen Mercedes W10

Foto: Motorsport Images

Und dann folgt ein Schlüsselsatz, der im FIA-Dokument auch unterstrichen ist: "Es bedeutet, dass die hinteren Bremsschächte des RP20 zu großen Teilen von Mercedes und nicht von Racing Point designt wurden."

Racing Point wiederum verweist darauf, die Mercedes-Informationen lediglich als Basis für eine eigene Entwicklung verwendet zu haben. Die Sportkommissare aber kommen zu dem Schluss: "Racing Point spielt die Bedeutung des Inputs von Mercedes herunter und übertreibt, wie viel [eigene] Arbeit investiert wurde."

Sportkommissare: Racing Point übertreibt!

Schon vor den Verhandlungen hatte Racing Point erklärt, über 880 Zeichnungen für die Bremsschächte angefertigt zu haben. "Damit versucht man die eigene Leistung zu unterstreichen. Aber: Schon kleine Änderungen an einem Design machen neue Zeichnungen erforderlich", meinen die Sportkommissare.

Man wolle nicht bestreiten, dass Racing Point eine gewisse Entwicklungszeit aufgebracht habe. "Unterm Strich aber steht die Tatsache, dass das Design zu großen Teilen vom Mercedes-Design abgeleitet ist, und dass es damit nicht als Design von Racing Point gelten kann."

Nach einigen Ausführungen zur Definition von "Design" folgen die Schlussfolgerungen der FIA-Sportkommissare, aufgeteilt in 16 Unterpunkte.

Racing Point hat sich nicht rückversichert

Darin heißt es unter Punkt 3: "Racing Point hatte die Möglichkeit, [die Situation um die Bremsschächte für 2020] mit der FIA zu klären. [...] Das Team hat das nicht gemacht, obwohl dieser Klärungsprozess durch schriftlichen Austausch wohlbekannt ist und von Formel-1-Teams regelmäßig genutzt wird."

Unter Punkt 5 betonen die Sportkommissare, dass die Bremsschächte am RP20 in Bezug auf das Technische Reglement der Formel 1 "völlig legal" konstruiert worden seien. Der Fall beschränke sich lediglich auf die Auslegung des Sportlichen Reglements. Und das wird beim Strafmaß noch einmal relevant.

In Punkt 9 wird nochmals erwähnt, dass im Fall der vorderen Bremsschächte genug Eigenleistung erbracht worden sei, weil die betreffenden Teile bereits am RP19 von 2019 verwendet wurden. Diese Eigenleistung reiche aus, um den Anforderungen des Sportlichen Reglements für gelistete Teile in der Saison 2020 zu genügen.

Lance Stroll, Valtteri Bottas

Nachbau und Original: Racing Point hat mit dem RP20 einen großen Sprung gemacht

Foto: Motorsport Images

Bei den hinteren Bremsschächten aber, so steht es unter Punkt 11, habe Racing Point einen "potenziellen sportlichen Vorteil" erlangt. Denn: "Das Team hatte [die Möglichkeit], einen Großteil seiner Designressourcen für andere Designaufgaben zu verwenden, statt diese für das Detaildesign der vorderen Bremsschächte aufzuwenden."

Die Sportkommissare erklären unter Punkt 13, es sei "nicht realistisch", von Racing Point zu erwarten, neue Bremsschächte zu entwerfen, wenn das Team dabei "vergessen" müsse, was es bereits wisse.

"Die ausgesprochene Strafe zielt daher auf den potenziellen Vorteil ab, den Racing Point vielleicht erlangt hat, indem es gelistete Teile verwendet, die nicht selbst designt worden sind."

Warum Racing Point nicht disqualifiziert wurde

Unter Punkt 14 ist dazu zu lesen: "Es handelt sich um einen Verstoß gegen das Sportliche Reglement und nicht um ein Nichtbefolgen des Technischen Reglements. Deshalb ist es nicht notwendig, eine Disqualifikation in Betracht zu ziehen, was die Standardstafe für einen [technischen] Regelverstoß wäre."

Außerdem habe es diverse "mildernde Umstände" gegeben, so meinen die Sportkommissare. Darunter: die veränderte Einstufung der Bremsschächte als gelistete Teile zur Saison 2020; eine fehlende Klarstellung seitens der FIA, wie damit umzugehen sei; ein Versäumnis der FIA-Beauftragten bei der RP20-Inspektion im März, die Bremsschächte im Detail zu analysieren.

Und: "Racing Point hätte wahrscheinlich einen großen Teil des Wettbewerbsvorteils auch durch Fotografieren und Nachbauen der Mercedes-Bremsschächte am W10 erreichen können, wenngleich mit zusätzlichem Designaufwand."

Mildernde Umstände bei der Urteilsfindung

Positiv halten die Sportkommissare außerdem fest, Racing Point habe sich bei der FIA-Untersuchung "offen und transparent" verhalten, in der festen Überzeugung, regelkonform gehandelt zu haben. "Die Stewards erkennen keinen absichtlichen Regelverstoß."

Punkt 15 beleuchtet das Strafmaß im Detail. Dort heißt es: "Der wesentliche Teil des Regelverstoßes liegt im Designprozess. Und dieser war vor dem Steiermark-Grand-Prix abgeschlossen." Deshalb sei eine Strafe für die "(Nicht-) Entwicklung der Bremsschächte" angemessen.

Die weitere Verwendung der Bremsschächte stelle einen weiteren Verstoß gegen das Sportliche Reglement dar. "Allerdings scheint hier eine Verwarnung als Strafe ausreichend, weil der eigentliche Verstoß [...] bereits ausreichend durch die Strafe beim Steiermark-Grand-Prix abgedeckt wird."

Deshalb kein Punktabzug für die Fahrer

Abschließend, unter Punkt 16, erklären die Sportkommissare noch, weshalb es lediglich für das Team, nicht aber für die Fahrer einen Punktabzug gibt. Begründung: "Der Verstoß dreht sich um eine einmalige Situation beim Designprozess des Fahrzeugs." In solchen "außergewöhnlichen Umständen" könne der Punktabzug nur beim Konstrukteur erfolgen.

Das 14-seitige Dokument endet mit dem obligatorischen Hinweis, dass Entscheidungen der Sportkommissare grundsätzlich angefochten werden können. Ob Renault und/oder Racing Point das tun werden, ist bisher nicht bekannt.

Mit Bildmaterial von Motorsport Network.

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