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Analyse

Analyse: So reagiert die Formel 1 auf die Verstappen-Strafe

Die umstrittene Strafe gegen Max Verstappen beim Formel-1-Rennen in Austin, wie Rennleiter Charlie Whiting dazu steht und ob die Abkürzen-Regelung eine Zukunft hat.

Charlie Whiting, FIA

Foto: : Sam Bloxham / Motorsport Images

Die letzte Runde beim Grand Prix der USA auf dem Circuit of The Americas in Austin: Red-Bull-Pilot Max Verstappen setzt alles auf eine Karte, überholt Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen mit der Brechstange und übernimmt so den dritten Platz im viertletzten Rennen der Formel-1-Saison 2017. Ein starkes Manöver, das mit viel Applaus quittiert wird. Die Sache aber hat einen Haken: Verstappen hatte beim Überholvorgang die Strecke verlassen und damit einen Regelverstoß begangen. Er verliert Platz drei nachträglich durch eine Fünf-Sekunden-Strafe – der Aufreger unmittelbar nach der Zieldurchfahrt in Austin!

Selbst einige Tage danach spaltet die Szene und vor allem das Urteil der Rennleitung das Fahrerlager. Die Situation wird so kontrovers diskutiert, dass Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting eigens eine Pressekonferenz abgehalten hat, um die Hintergründe der Entscheidung zu erklären. Seine "Sprechstunde" dauerte mehr als 30 Minuten. Was zeigt: Es handelt sich um ein ungeheuer komplexes und vor allem polarisierendes Thema. Und eines, das wahrscheinlich nie zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst werden kann.

Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach, meint Whiting. Er erklärt die Grundlagen so: "Die Strecke zu verlassen ist per se kein Regelverstoß. Aber wenn ein Fahrer von der Strecke abkommt, muss er auf sichere Art und Weise wieder zurückkehren und darf keinen anhaltenden Vorteil daraus ziehen." Der vermeintliche Vorteil war es auch, der im Fall Räikkönen/Verstappen der Knackpunkt war. Denn Verstappen hatte bei besagtem Manöver die Strecke abgekürzt und gleichzeitig einen anderen Fahrer überholt. "Technisch gesehen", sagt Whiting, "war es also eine einfache Entscheidung für die Rennkommissare." Sie fiel mit 4:0 Stimmen für eine Bestrafung auch deutlich aus.

Gleiches Recht für alle Formel-1-Fahrer?

Doch unmittelbar nach dem Rennen tauchten die ersten Bilder in den sozialen Netzwerken auf, die beweisen sollten: Verstappen war nicht der einzige Formel-1-Fahrer, der in Austin abseits der Strecke unterwegs gewesen war – aber der einzige, der für ein solches Manöver bestraft wurde. Warum nur er, nicht die anderen? Whiting: "Weil [bei den anderen Piloten] kein Vorteil gewonnen wurde." Sprich: Es ergab sich weder ein signifikanter Zeitgewinn noch ein Positionswechsel.

Whiting und seine Mitstreiter können bei ihren Untersuchungen nämlich auf ein Hilfssystem zurückgreifen, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. "Wir nennen es Mini-Sektoren", sagt der Formel-1-Rennleiter und erklärt: "Es handelt sich um die Zeit zwischen zwei Lichtschranken." Und eben diese Lichtschranken gibt es pro Rennstrecke wesentlich häufiger als die sonst üblichen drei Messabschnitte oder Sektoren. Mithilfe dieser "Mini-Sektoren", so Whiting weiter, sei gut zu erkennen, ob ein Fahrer einen Vorteil gewonnen habe. "Wir sichten die Daten jedes Mal, wenn wir mitbekommen, dass ein Auto die Strecke verlässt – auch im Rennen. Die Teams wissen alles darüber. Sie nutzen eine ähnliche Software."

Trotzdem ist das Ergebnis – die Bestrafung von Verstappen – für manche Beobachter nur schwerlich nachvollziehbar. Der zweimalige Formel-1-Weltmeister Fernando Alonso etwa meint: "Es war gutes Racing, gutes Überholen. Es war ein mutiges Manöver. Mir hat es gefallen." Allerdings seien ihm beim wiederholten Ansehen der Bilder Zweifel gekommen. Zweifel, die auch andere Formel-1-Fahrer in sich tragen. Auch deshalb erschien es Whiting notwendig zu sein, ausführlich Stellung zu beziehen, um für Klarheit zu sorgen. Aber kann es in einer solchen Situation jemals Klarheit geben?

Tragen die Fahrer Mitschuld an den "Track Limits"?

Prinzipiell ja, meint Ex-Champion Sebastian Vettel und sagt: "Ich denke, die Regel ist klar. Der Regelverstoß ist in gewisser Weise auch klar. Nur für das Racing ist es natürlich doof." Was die Rennleitung in eine schwierige Situation bringt: Lässt sie das Abkürzen durchgehen, ist sie nicht konsequent. Bestraft sie das Abkürzen, stößt sie Fans und Fahrer vor den Kopf. "Schwieriges Thema", meint Alonso. Einvernehmliche Lösungen seien in so einem Fall utopisch. "Da wird jeder seine eigene Meinung haben. Ein Fahrer wird zufrieden mit der Entscheidung sein, der andere Fahrer nicht. Das ist immer so." Räikkönen pflichtet ihm bei und sagt: "Wir werden immer diskutieren. Das ist in der MotoGP oder sonst wo nicht anders."

Und womöglich sind die Fahrer nicht ganz unschuldig an dieser Situation, wie Vettel anmerkt. "Weil wir immer gemeckert haben, wenn in der Vergangenheit jemand von der Bahn abgekommen ist und dadurch vielleicht ein bisschen schneller war. Wir haben dann diskutiert und eine Strafe gefordert. Über mehrere Jahre hinweg kommt man an den Punkt, an dem wir jetzt sind", sagt der Deutsche. Und der von Vettel angesprochene Punkt mündet scheinbar unweigerlich darin, der Rennleitung fehlende Konstanz vorzuwerfen. "Wenn einmal eine Entscheidung getroffen wurde, sollte sie so auch für den Rest des Jahres oder des jeweiligen Rennens getroffen werden. Die Entscheidungen variieren ja sogar innerhalb eines Rennens", meint Alonso. Seine Aussage ist Wasser auf den Mühlen der Verstappen-Anhänger, die ihr Idol in Austin zu Unrecht bestraft sehen.

Räikkönen wiederum sieht das Thema, wenig überraschend, ganz entspannt: "Manchmal läuft es für dich, manchmal gegen dich. So ist es einfach im Leben. Ich habe schon viele Strafen erhalten, gefühlt für nichts. Das musst du abhaken und es beim nächsten Mal anders machen, wenn dann ein anderes Ergebnis dabei herauskommen soll." Der Finne nimmt auch die Rennleitung in Schutz, indem er hinzufügt: "Die Rennkommissare machen ihre Arbeit so gut sie können. Wäre mehr Konstanz besser? Kein Zwischenfall ist so wie der andere. Es wird immer Unterschiede geben, auch bei der Betrachtung. Das ist leider ein Teil des Motorsports."

Mangelnde Konstanz seitens der Rennleitung – ja oder nein?

Ein Thema, das Whiting nicht unkommentiert stehen lassen will. Für mangelnde Konstanz seitens der Rennleitung sieht er allerdings "quasi keine Grundlage" und betont: "Ich bin nicht versessen auf diese Regel. Wir wenden diese Regel nur an. Und es geht uns auch nur um einen dauerhaften Vorteil." Sonst hätten er und seine Kollegen während einer Formel-1-Einheit nichts anderes zu tun, als sich mit den sogenannten Track Limits zu befassen. "Ohne Toleranz würden wir ständig Fahrer melden, weil sie es mehrfach pro Rennen tun. Und wir müssten in jeder Runde jede Kurve überwachen, für jeden Fahrer. Wir hätten ständig neue Diskussionen. Die Schlange vor dem Büro der Rennkommissare wäre lang. Das braucht die Formel 1 meiner Meinung nach nicht."

Was aber ist dann die Lösung? Sie liegt scheinbar auf der Hand: Kiesbetten! Räikkönen jedenfalls bezeichnet die "Parkplatz-Auslaufzonen" der modernen Kurse als "Hauptproblem" und sagt: "Früher mal hatten die Kurse Randsteine und Kiesbetten. Da wäre dir nicht im Traum eingefallen, darüber hinweg zu fahren. Doch jedes Jahr gibt es mehr Asphaltflächen. Wo führt das hin? Für manche Kurven gibt es Regeln, für andere nicht. Solange wir kein Kiesbetten installieren, ist das eine unendliche Geschichte. Es ist eine Diskussion wie über blaue Flaggen. Das zieht sich auf ewig hin."

Alonso denkt ähnlich: "Wenn es keine Limits gibt, werden wir manche Kurven abkürzen. Kies wäre da aber keine gute Idee, weil Kies auf die Strecke geworfen wird. Das ist nie gut. Außerdem", so der McLaren-Pilot weiter, "muss so etwas für unterschiedliche Kategorien passen. Das ist nicht so einfach." Denn unterschiedliche Rennserien haben unterschiedliche Bedürfnisse. Rennstrecken aber wollen nicht nach jedem Gastspiel einer Rennserie komplett umbauen. "Am Ende", sagt Räikkönen, "ist es eben immer ein Kompromiss. Motorräder etwa brauchen eher Auslaufzonen aus Asphalt statt Kiesbetten. Und die Strecken wollen natürlich alle Kategorien zufriedenstellen. Deshalb darf man nicht davon ausgehen, alle Kurse werden der Formel 1 auf den Leib geschneidert."

Whiting fordert eine "sinnvolle Lösung"

Also muss eine andere Lösung her. Whiting: "Wir bräuchten ein System, einen Ablauf, gewisse Vorkehrungen an der Strecke, damit absolut klar wäre, ob das Abkürzen ein Vorteil war oder nicht. Du kannst dazu einen großen Randstein verwenden. Das ist aber eigentlich nicht akzeptabel. Denn seit Jahren geht der Trend weg von Kiesbetten, jetzt brauchen wir höhere Randsteine. Bildlich gesprochen jagen wir da immer unseren eigenen Schwanz. Aber wir lernen immer dazu und schließen die Lücken. Es gibt immer weniger Kurven, die Probleme bereiten könnten. Es muss aber noch einfacher werden, da stimme ich zu."

Vor allem sei es im Sinne aller Beteiligten, packenden Rennsport zu bieten, dessen Ergebnis auch nach der Zieldurchfahrt noch Bestand habe. "Wir müssen die Sache sinnvoll angehen", sagt Whiting. "Wir wollen die Fahrer ja auch ihr Rennen fahren lassen." Innerhalb gewisser Spielregeln, die wohl auch weiterhin für Diskussionen sorgen werden …

Mit Informationen von Jonathan Noble & Roberto Chinchero

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