Formel 1 2017: Noch weniger Überholmanöver mit den neuen Autos?
Anhand von Simulationsdaten am Circuit de Barcelona-Catalunya stellt sich für die Formel 1 mit Blick auf das neue Reglement eine nicht ganz unwichtige Frage.
Foto: : Pirelli
Einerseits sollten die Formel-1-Autos der Generation 2017 schwieriger zu fahren sein, was die Chance für Fehler und damit überraschende Rennergebnisse erhöht. Anderseits gibt es jedoch Anzeichen, dass die Performance der Autos zu noch weniger Überholmanövern als unter dem alten Reglement führen wird.
In diesem Zusammenhang gab es dieser Tage eine interessante Vorhersage. Anhand von Simulationsdaten wird für den Circuit de Barcelona-Catalunya erwartet, dass der Vollgasanteil pro Runde dank der breiteren Reifen und des Plus an Aerodynamik von 50 auf 70 Prozent ansteigt.
Welche Auswirkungen wird das auf die Rennen in der Formel-1-Saison 2017 haben? Könnte es dazu führen, dass die Rennverläufe an sich weniger spannend sind, die Rennen aber trotzdem unvorhersehbarer, weil das Thema Zuverlässigkeit eine der größten Baustellen sein wird?
Rennstrecken werden neu definiert
Als sich die Formel-1-Teams für die Saison 2017 auf ein grundlegend neues Reglement verständigten, ging es nicht in er erster Linie darum, die Rennen spannender zu machen. Es ging darum, die Autos schneller zu machen.
Als Ziel wurde angegeben, die Rundenzeit in Barcelona aus der Saison 2015 um 5 Sekunden zu unterbieten. Derzeit gehen viele davon aus, dass dieses Ziel sogar noch übertroffen wird. Die Pole-Position-Zeit für den Grand Prix von Spanien 2015 stand bei 1:24.681 Minuten. Ziel ist somit eine Rundenzeit, die unter der 1:20er-Marke liegt.
Bereits 2016 fuhr Lewis Hamilton in Barcelona mit einer Zeit von 1:22.000 Minuten auf die Pole-Position. Das heißt im Klartext, dass eine Steigerung von etwas mehr als 2 Sekunden bereits das erfüllen würde, was sich die Formel 1 vom neuen Reglement versprochen hat.
Doch es deutet viel darauf hin, dass das Ziel sogar übertroffen wird. Erste Schätzungen haben ergeben, dass allein die Breitreifen von Pirelli einen Zeitgewinn von 1,5 Sekunden bewirken werden. Gerade auf Strecken, auf denen Abtrieb ein wichtiger Faktor ist, wird sogar mit einem noch größeren Sprung gerechnet.
Vorige Woche sagte McLaren-Technikchef Tim Goss, dass die Teams schon dabei sind, die Rennstrecken neu zu definieren. So werden einige Passagen, die bislang als Kurven galten, als Geraden angesehen: "Ingenieure klassifizieren eine Kurve als eine Stelle, an der der Pilot vom Gas gehen und versuchen muss, die optimale Linie zu finden. Sollte er jedoch voll auf dem Gas bleiben können, sehen wir die Stelle als Gerade an. Weil die neuen Autos viel schneller sind, werden einige Kurven aus dem Jahr 2016 nun als Geraden eingestuft."
Anstieg in puncto Performance
Wie groß der Performance-Sprung mit den neuen Regeln tatsächlich sein wird, kann vor den ersten Testfahrten der 2017er-Autos mit den erwähnten Pirelli-Breitreifen niemand mit Sicherheit sagen. Diese ersten Testfahrten gehen Ende Februar in Barcelona über die Bühne.
Da aber jedes Team mit eigenen Simulationen arbeitet, gibt es zumindest eine Vorstellung davon, was das neue Auto auf der Strecke leisten wird. So gehen beispielsweise erste Schätzungen davon aus, dass Kurve 3 in Barcelona 30 km/h schneller durchfahren wird als es 2016 möglich war. Diese Kurve würde somit zu einer Vollgaskurve werden, die höchste Ansprüche an die Nackenmuskulatur der Fahrer stellt. Es werden Fliehkräfte von mehr als 5G erwartet.
Anhand der Berechnungen eines Ingenieurs, der nicht genannt werden möchte, wird der Vollgasanteil auf einer Runde in Barcelona von 50 auf 70 Prozent anwachsen. Für eine Runde in Monza lassen Simulationsdaten von Magneti Marelli erwarten, dass der Vollgasanteil von 69 auf 80 Prozent ansteigt.
Das Thema Zuverlässigkeit
Weniger Kurven bedeuten natürlich weniger Gelegenheiten für Fehler und damit weniger Chancen für Überholmanöver. Doch längere Vollgaspassagen bedeuten eine höhere Belastung für Autos und Motoren. Dabei steht den Motorenherstellern ohnehin schon eine schwierigere Aufgabe bevor. Schließlich dürfen in der Saison 2017 nur noch 4 statt zuletzt 6 Antriebseinheiten straffrei eingesetzt werden.
Im Sinne der Kostenreduzierung haben sich die Hersteller darauf verständigt, das Kontingent von 6 auf 5 Antriebseinheiten zurückzuschrauben. Dass es de facto nur noch 4 sind, die straffrei eingesetzt werden dürfen, liegt an der Verkürzung des Rennkalenders von 21 auf 20 Rennen.
Das heißt im Klartext, dass die Antriebseinheiten mindestens 5 volle Rennwochenenden überstehen müssen – und das unter erhöhter Belastung, denn die im Rennen maximal mitgeführte Benzinmenge wird von 100 auf 105 Kilogramm angehoben.
Zwar lag der Fokus mit Blick auf die Saison 2017 auf der Aerodynamik der Autos. Es wäre aber falsch, zu sagen, dass die Entwicklung der Motoren nicht ebenso wichtig ist. Ein erstes verlässliches Urteil, ob das neue Reglement funktioniert, wird sich frühestens beim Saisonauftakt in Melbourne fällen lassen. Es bleibt abzuwarten, ob die Rennen tatsächlich besser werden oder ob man sich abermals Gedanken machen muss...
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