Giovinazzi exklusiv: "Ich habe ein sehr wichtiges Jahr vor mir"
Antonio Giovinazzi sprach in einem langen Exklusiv-Interview mit Motorsport.com Schweiz über seine Ziele für die nächste F1-Saison.
Foto: : Jerry Andre / Motorsport Images
Mit Antonio Giovinazzi war in der abgelaufenen Saison erstmals seit acht Jahren wieder ein Italiener in der F1 vertreten – dank Alfa Romeo Racing, die dem Piloten aus Martina Franca in der Provinz Tarent ihr Vertrauen ausgesprochen haben.
Der Saisonstart verlief für Giovinazzi allerdings nicht wunschgemäss – nicht zuletzt aufgrund seiner beinahe zweijährigen Pause hatte er gegenüber seinem erfahrenen Teamkollegen Kimi Räikkönen im direkten Vergleich meist das Nachsehen.
In der zweiten Saisonhälfte hingegen konnte der Italiener seine Qualitäten ausspielen – mit einem fünften Platz in Brasilien als Highlight. Belohnung war eine Vertragsverlängerung – ein Vertrauensbeweis, den es in der kommenden Saison 2020 zu bestätigen gilt.
Wie begann deine Leidenschaft für Motoren?
Meine Leidenschaft für Motoren begann bereits, als ich noch sehr klein war. Ich war zwei oder drei Jahre alt, als mein Vater mir mein erstes Go-Kart schenkte. Es hatte ein 38er-Motor, war also ein ziemlich kleines Kart. Mein Papa war ein grosser Autoliebhaber, er erkannte alle Autos anhand des Logos. Ausserdem liebte er die Formel 1. Mit diesem Go-Kart begann meine Leidenschaft. Jedes Wochenende war ich auf der Strecke. Ein wichtiger Dank geht von daher an meinen Vater und meine Familie, denn ein dreijähriges Kind kann alleine nicht viel tun. Sie waren immer diejenigen, die an mich glaubten, die mich unterstützten.
Als ich sieben Jahre alt war, begann ich mit Go-Kart-Rennen. Dann wechselte ich 2012 in die Formel 3, dann in die F2 und schließlich in die F1.
Wie bewertest du rückblickend deine erste Saison in der Formel 1?
Insgesamt bin ich zufrieden. In der zweiten Hälfte der Saison war meine Leistung mehr als genügend, im ersten Teil brauchte ich ein wenig, bis ich in die Gänge kam, weil ich zuvor zwei Jahre lang kaum gefahren war. Es ist nicht einfach, auf die Strecke zurückzukehren und Rad an Rad zu kämpfen, dann in der F1 sind alle Fahrer mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs. Es dauerte ein wenig, bis ich den Speed wieder hatte und meine Rennen richtig einteilen konnte. Im Qualifying war ich jeweils relativ nahe an Kimi dran, aber im Rennen habe ich dann oft etwas verloren.
Während der Sommerpause habe ich mich in erster Linie darauf konzentriert, mich in den Rennen zu verbessern, und ich denke, dass ich in der zweiten Saisonhälfte einige Male vor Kimi bleiben konnte und immer konkurrenzfähig war. In Monza konnte ich Punkte sammeln, in Spa war es bis zur letzten Runde ein positives Rennen, auch in Singapur lief es gut und dann kam in Sao Paolo mit Rang 5 das beste Ergebnis der Saison. Es war also eine schwierige Saison, die aber ein positives Ende hatte. Ich habe viel gelernt. Wenn man Fehler macht, ist es wichtig, sie zu verstehen und sich zu verbessern. Nächste Saison werde ich bereits ein Jahr Erfahrung haben und ein Jahr mit dem Team gearbeitet haben, also sollte es von Beginn weg besser laufen.
Ist dein Ziel für das nächste Jahr, dich ins Rampenlicht zu stellen, und versuchen, 2021 bei Ferrari zu landen, wie es Charles gelungen ist?
Im Moment möchte ich mich auf Alfa konzentrieren. Natürlich wird es ein sehr wichtiges Jahr sein, das kann ich nicht leugnen. Am Ende der Saison wird viel auf dem Transfermarkt passieren, da bei einigen Piloten die Verträge auslaufen. Aber zuerst muss ich mich voll auf meine Arbeit konzentrieren. Ich bin mir bewusst, dass vieles passieren kann, wenn ich eine gute Saison habe, also ist das Ziel im Moment, meinen Aufwärtstrend vom letzten Jahr weiterzuführen und zu versuchen, mich weiter zu verbessern. Dann werden wir am Ende sehen, was passiert.
In der Saison 2019 hast du oft schlechter abgeschnitten, als du es verdient gehabt hättest. Was musst du von daher für 2020 ändern?
Teilweise hatten wir auch sehr viel Pech. Ich bin nicht einer, der an Pech glaubt, aber manchmal lag es tatsächlich daran. Dazu war die Strategie nicht immer optimal. Wenn ich zum Beispiel in Singapur eine Runde später reingekommen wäre, wäre das Rennen ganz anders verlaufen. Wir müssen uns von daher besser organisieren. Natürlich haben wir jetzt alle ein Jahr Erfahrung, die Reifen werden die gleichen sein, also wird es auch einfacher sein, die Strategien zu managen. Wir müssen einfach versuchen, im Qualifying schneller zu sein, denn es hilft natürlich, wenn man von weiter vorne starten kann.
In der zweiten Saisonhälfte hat sich deine Leistung klar verbessert: Was ist passiert?
Zu Beginn der Saison hatte ich oft Mühe bei Rad-an-Rad-Duellen. Mir fehlte noch das richtige Gefühl, doch mit jedem Rennen konnte ich mehr Erfahrungen sammeln und gewann immer mehr an Selbstvertrauen. Der Speed war durchaus da, ich musste ihn einfach über das Wochenende behalten, um ihn in konkrete Resultate umsetzen zu können. Im Mittelfeld lagen wir alle sehr nahe beisammen, was die Sache nicht einfacher machte, denn wenn du im Qualifying einen kleinen Fehler machst, verlierst du sofort zwei oder drei Plätze.
Wie bereits gesagt, in der Sommerpause konzentriert ich mich auf meine Schwachpunkte, und so konnte ich mein Gefühl für das Auto aber auch die Zusammenarbeit mit dem Team verbessern und das wirkte sich natürlich auf meine Leistungen an den Rennwochenenden aus.
"Kimis Teamkollege zu sein, war sowohl positiv als auch negativ."
Wir haben gehört, dass der neue Wagen den Crashtest nicht bestanden hat. Denkst du, dass euch das bei der Entwicklung des C39 zurückwerfen könnte?
Nein, definitiv nicht. Wir haben alles unter Kontrolle, wir arbeiten hart und ich hoffe, dass wir von Anfang an ein sehr konkurrenzfähiges Auto haben. Wir machen uns keine Sorgen.
Es war Jahre her, dass Italien einen Fahrer in der F1 hatte. Wie war die Resonanz der Fans?
Sehr positiv! Ich war besonders in Monza positiv überrascht, insbesondere weil wir zuvor in Spa ein Wochenende hatten, das alles andere als einfach war. Aber ich bekam enorme Unterstützung von allen Seiten, und das war grossartig.
Ich muss sagen, dass es auch meinen Fans zu verdanken ist, dass ich an diesem Wochenende in Monza ein tolles Ergebnis erzielt und einige Punkte mit nach Hause gebracht habe. Sie haben mich das ganze Wochenende über unterstützt. Es waren viele Freunde und meine ganze Familie da, aber auch das ganze italienische Publikum hat mir sehr geholfen. Im zweiten Teil der Saison, als sich die Ergebnisse verbesserten, spürte ich so viel Unterstützung von ihnen. Für mich war es grossartig, die Trikolore, die viel zu lange nicht mehr in der F1 war, zurückzubringen. Jetzt wird es ein zweites Jahr mit einem italienischen Fahrer geben und darüber bin ich froh. Aber es ist klar: Ich muss auch gute Resultate bringen und sie stolz machen, einen italienischen Fahrer in der F1 zu haben.
Wer war als Kind dein Held? Wer hat dich als Fahrer inspiriert?
Ich habe 2001 oder 2002 angefangen, die Formel 1 zu verfolgen. Damals war es Michael, der mit seinem roten Ferrari alles gewann, also bin ich mit ihm aufgewachsen, und er ist definitiv eines meiner Idole.
Hat dir Kimi in deiner ersten Saison in der Formel 1 geholfen?
Sein Teamkollege zu sein, war sowohl positiv als auch negativ. Es war einerseits positiv, weil ich einem Weltmeister und einem sehr korrekten Menschen gegenüberstand. Er kam natürlich nicht unbedingt auf mich zu, aber jedes Mal, wenn ich ihn etwas fragte, half er mir und brachte mich in die richtige Richtung. Ausserdem kann man von einem Champion wie ihm natürlich nur lernen.
Auf der anderen Seite aber wird man natürlich automatisch auch immer mit ihm verglichen, und das war vor allem zu Saisonbeginn sehr schwierig für mich, denn während ich als Rookie noch Mühe hatte, mich einzugewöhnen, konnte er seine ganze Erfahrung ausspielen und die für das Team so wichtigen Punkte holen. Zu Beginn war der Vergleich also ziemlich heftig, aber gegen Ende der Saison, als ich mich wohler fühlte und ihn sogar das eine oder andere Mal schlagen konnte, motivierte mich das umso mehr.
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Das ist eine lange Zeit. Ich bin nicht jemand, der gross an die Vergangenheit oder an die Zukunft denkt. Ich denke über die Gegenwart nach. In erster Linie konzentriere ich mich nun auf das nächste Jahr, dann sehen wir, was die Zukunft bringt. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, deshalb ist es besser, nicht so weit zu schauen.
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