Sign up for free

  • Get quick access to your favorite articles

  • Manage alerts on breaking news and favorite drivers

  • Make your voice heard with article commenting.

Motorsport prime

Discover premium content
Anmelden

Edition

Switzerland
Interview

Interview: Giorgio Piola über seine Formel-1-Karriere

Seit mehr als 40 Jahren geht Giorgio Piola in der Boxengasse und den Garagen ein und aus und ist der bekannteste technische Journalist der Formel 1. Hier erzählt er die Geschichte seiner Karriere in der Königsklasse.

Giorgio Piola

Eric Gilbert

Formel-1-Technik mit Giorgio Piola

Giorgio Piola analysiert und erklärt die Technik in der Formel 1!

 

A Giorgio Piola technical drawing of Michael Schumacher's 2004 Ferrari

A Giorgio Piolas technische Zeichnung von Michael Schumachers Ferrari 2004

Photo by: LAT Images

Hast Du Dich zuerst für den Rennsport begeistert oder für die Technik?

Nun, ich habe immer gerne gezeichnet. Meine ganze Familie – drei Brüder und eine Schwester – und alle konnten gut zeichnen. Das war schon früh meine Passion, alles zu zeichnen.

Als ich ungefähr 12 Jahre alt war, begann ich, mich auf Autos zu konzentrieren. Ich habe mir die Auto Italiana gekauft, das war ein sehr gutes Magazin und da gab es den einen italienischen Designer und Journalisten, den ich als meinen Lehrer betrachte – Bruno Nestola. Ich habe mir Road and Track und Car and Driver gekauft, die einen Schweizer namens Werner Buhrer hatten.

Ich wurde sehr streng erzogen und war in der Schule sehr still. Ich hatte in Betragen immer 10 von 10 Punkten – weil ich mit niemandem redete, aber ich habe immer gezeichnet.

Ich bin kein Ingenieur, also verstehe ich nicht mehr als andere – ich glaube aber, dass eine meiner Stärken ist, bezüglich der Details mehr zu sehen als andere. Das kommt daher, dass ich mich selbst trainiert habe – ich dachte nicht daran, es beruflich zu machen, sondern nur so nebenbei – dem Lehrer zuzusehen und trotzdem zeichnen zu können.

Sogar im täglichen Leben, wenn ich auf der Straße laufe, sehe ich Menschen an und ich sehe zum Beispiel sofort, ob jemand zwei Pfeile auf der Hose hat. Wenn das Detail etwas anders ist als normal, dann sehe ich das sofort.

Bei Autos ist es das Gleiche. Ich sehe ein Auto an und bemerke sofort die Unterschiede, als ob sie magnetisch wären. Ich glaube, dass sich das durch das Training entwickelt hat. Ohne es zu wissen, habe ich mich immer für meinen künftigen Beruf trainiert.

Ich war im Zeichnen in meiner Schule immer der Beste. Wenn ein Kunst- oder Geschichtslehrer nicht da war, rief man mich, um die Stunden für die anderen Schüler abzuhalten.

Wie bist Du zum Journalismus gekommen? 

Das kam durch einen meiner Brüder, zu dem ich ein sehr enges Verhältnis hatte und der auch sehr gut war – vielleicht schlauer als ich. Er hatte ein besseres Verständnis für Maschinen und wurde Ingenieur.

Ich glaube, dass ich mehr Talent hatte, aber er hatte mehr Köpfchen. Zwischen uns herrschte immer ein großer Konkurrenzkampf, wie 'meine Zeichnungen sind besser als deine' und so weiter. Eines Tages sagte ich: "Hör mal, Marco, machen wir es so – wir zeichnen etwas und schicken es an zwei Zeitschriften in Italien und sehen, was sie sagen."

 

Giorgio Piola with Denny Hulme
Giorgio Piola mit Denny Hulme

Photo by: Giorgio Piola

Wie alt warst Du da?

Ich war 19 und an der Uni, weil ich Ingenieur werden wollte. In meiner Familie haben alle einen Uniabschluss. Jetzt bin ich der einzige, der keinen hat.

Wir haben die Zeichnungen eingeschickt und 20 Tage später bekam ich einen Brief: "Herr Piola, Ihre Zeichnungen gefallen uns. Wir würden sie gerne veröffentlichen." Der Brief war von Gianni Canvellieri, dem Chefredakteur der Zeitschrift. Er wurde dann der Chef des Autoteils der Gazzetta dello Sport.

Dann sagte er: "Herr Piola, würden Sie nicht gerne zum Grand Prix von Monaco fahren und einen technischen Bericht für uns machen?" Das war 1969. Und so habe ich angefangen. Ich habe die Wette gegen meinen Bruder gewonnen."

Ich machte nur einen Witz, am Ende habe ich dadurch aber meinen Traumberuf bekommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es das als Branche nicht wirklich. Es gab technische Zeichnungen von Limousinen, Jeeps, Trucks – ich habe aber diesen Beruf erfunden, direkt an der Strecke Zeichnungen von Rennwagen zu machen.

Ich muss sagen, dass meine Mutter Gott sei Dank genügend Geld hatte und mir am Anfang half, da ich nicht bezahlt wurde. 1972 hatte ich aber schon die Gazzetta dello Sport, Autosprint in Italien, Autosport in England, Sport Auto in Frankreich, Rallye Racing in Deutschland und Corsa in Argentinien.

Es half, dass ich ganz gut Englisch und Französisch sprach, also war es einfach, Kunden zu finden. Außerdem war es gut, dass niemand sonst das machte und alle es wollten. Ich war also sehr zufrieden. Dadurch, dass ich zu den Rennen fuhr, ging ich aber nicht mehr zu Uni. Ich absolvierte nur 3 Examen.

Giorgio Piola with Alain Prost, McLaren MP4/2 car at 1984 Brazilian GP
Giorgio Piola mit dem McLaren MP4/2 von Alain Prost beim Grand Prix von Brasilien 1984

Photo by: Giorgio Piola

Also hast Du Dein Studium abgebrochen?

Ja, ich habe die Uni sechs Monate, nachdem ich angefangen hatte, verlassen, weil die Formel 1 so wundervoll war. Sie war sehr glamourös und wir trafen Schauspieler und Schauspielerinnen – Candice Bergen, Paul Newman, viele Leute. Es gab wundervolle Partys, also war alles wirklich faszinierend. Ein Teil war aber auch furchtbar.

Ich bin ein sehr pessimistischer Mensch. Als ich jünger war, war mein Lieblingsregisseur Ingmar Bergman, der sich immer viele Gedanken um den Tod machte. Der grausame Teil der Formel 1 zu dieser Zeit war, dass jedes Jahr 1 oder 2 Fahrer starben.

Auf der anderen Seite war es eine fantastische Welt. Sie war total offen und jeder konnte hinein. Ich habe ein Bild von mir in der McLaren-Garage, in der Nähe des Autos, das die Weltmeisterschaft gewonnen hat und kein Mechaniker in der Nähe. Ich habe Zeichnungen davon gemacht und keiner hat was gesagt.

Du musst ein interessantes Verhältnis zu den Technischen Direktoren gehabt haben?

Ich habe mich mich den Ingenieuren auf Anhieb gut verstanden. Ich denke, dass es viele Ingenieure gibt, die mich sehr respektieren – und ich respektiere sie. Es gibt tausende wundervolle Anekdoten, die ich mit Patrick Head, Gordon Murray, John Barnard, Harvey Postlethwaite, Tony Southgate, Maurice Philippe, Ralph Bellamy, Gordon Coppuck erlebt habe. Das Verhältnis war immer sehr gut.

Mit Patrick hatten wir zum Beispiel ein Spiel. Wenn ich zu einem Grand Prix kam, fragte ich, "Patrick, was gibt es Neues am Auto?" Und dann sagte er: "Dieses Mal haben wir 6 neue Dinge." Später ging ich dann zu Patrick und sagte: "Ich habe nur 4 gesehen und er antwortete: "Ist egal, die anderen beiden musst du selbst finden. Ich werde dir nicht helfen..."

Was ich an meiner Arbeit auch mag ist, dass viel Psychologie im Spiel ist. Ich habe schon sehr oft eine neue Lösung gefunden, indem ich nur die Leute beobachtet habe. Ich bin ein ziemlicher Einzelgänger und als ich jünger war, habe ich mit niemand geredet, die Menschen aber immer beobachtet.

Das beste Beispiel war in den 1970er-Jahren und ich glaube, es war das Jahr, in dem Stewart Weltmeister wurde. Wie auch immer, ich habe die Zeichnung. Wir waren in Paul Ricard und es war das erste Mal, dass der Kameramann da war, um beim Training zu filmen. Es gab 2 Tyrrell-Autos, 1 altes und 1 neues.

Zu dem Zeitpunkt wolte der Kamermann das Auto von hinten aufnehmen und ein Mechaniker stellte sich vor ihn. Ich fragte mich: "Das ist seltsam. Da gibt es ein neues Auto und keiner schirmt es ab. Da gibt es ein altes und sie tun es. Wieso?"

Also passte ich auf und es schien so, als würden sie verschiedene Radstürze testen. Anstatt ihn zu fixieren, gab es ein Oval, das mechanisch geändert werden konnte. Das war etwas total neues und der Grund, wieso sie es abschirmten. Danach machte ich meine Zeichnung, ging zu dem Chefmechaniker, den ich sehr gut kannte, und sagte: "Vielen Dank, denn das wäre mir nie aufgefallen. Ihr habt mit geholfen."

Ein anderes Mal, erst kürzlich, als es die erste Innovation von Mercedes gab, hatte ich die Information von Michael Schmidt (Auto Motor und Sport), dass Mercedes einen neuen Frontflügel testete, aber er wusste nicht genau, was sie taten. Die Mechaniker wechselten die Flügel an beiden Autos, dann nur einen und sie stellten sicher, dass niemand den Boden des Flügels sah. Ich sagte zu mir selbst, da muss etwas unter dem Flügel sein.

Also ging ich in der Boxengasse auf und ab. Sie machten nie einen Fehler und hoben ihn zu hoch, einmal fuhr ein Mechaniker aber mit seine Fingern unter dem Flügel lang. Ich vermutete, dass das da war, wo der Schlitz war – und ich machte eine Zeichnung von dem normalen Flügel, aber mit einem Schlitz. Während des nächsten Rennens drehte sich Schumacher und sie hoben das Auto hoch – und die Löcher waren genau am richtigen Platz.

Es war das Gleiche, als sie das Lenkrad von Lewis Hamilton zudeckten. Ich dachte, da ist etwas anders. Das ist mir nur aufgefallen, weil sie es zugedeckt haben und es nie irgendwo einfach liegenließen.

Giorgio Piola, The Living Legend
Giorgio Piola, die lebende Legende

Photo by: XPB Images

 

Auf welche Dinge, die Du aufgedeckt hast, bist Du besonders stolz?

Damals war es sehr einfach, zu ahnen, dass es etwas neues gibt. Als es zum Beispiel den Tyrrell mit 6 Rädern gab, machte ich eine Zeichnung von einem Auto mit 4 kleinen Rädern an der Front, um das Prinzip zu demonstrieren. Es war nicht wichtig, die Form zu treffen.

Jetzt ist es schwieriger, denn es gibt so viele Einschränkungen, dass man nicht etwas komplett anderes bringen kann. Also muss man die Form exakt machen.

Ich habe das Auto mit den 6 Rädern vor allen anderen gemacht und auch den Brabham mit dem flachen Motor. Bei der Vorstellung des Autos sagte Gordon Murray: "Das hätte ein Geheimnis sein sollen, aber dank dem Bastard in der 2. Reihe weiß jeder, dass wir den Motor so eingebaut haben." Das war lustig!

Gab es auch den Fall, dass Du etwas wusstest, es aber nicht veröffentlichen konntest?

Wir waren im Jahr vor dem Lotus 78, dem 1. Auto mit Flügeln, in Monza. Da war auch ein englischer Journalist, der zu Colin Chapman ging und sagte: "Piola hat einige Zeichnungen von deinem neuen Auto gemacht."

Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Chapman, also rief er mich zu sich. "Giorgio, ist das wahr?" Ich antwortete: "Ja, ich habe die Zeichnung gemacht, mit Flügel, Seitenkästen und der Schürze."

Er sagte: "Wenn du das veröffentlichst... Wir müssen die Vorstellung mit John Player Special machen und das wird ein großes Desaster. Wenn du das tust, fürchte ich, dass unser Verhältnis nicht mehr so gut sein wird." Ich sagte ihm: "Sie werden mir eine Menge Geld für diese Zeichnung zahlen und ich zerstöre jetzt mein Verhältnis zu dir?" Also nahm ich die Zeichnung uns zerriss sie vor seinen Augen.

Daraufhin lud er mich einen Tag vor der Vorstellung, als das Auto zusammengebaut wurde, ein. Ich hatte keine Kamera dabei, konnte aber alles sehen. Solche Sachen, dass ich vor der Vorstellung von Autos eingeladen wurde, passierten ziemlich oft.

Einmal gab es eine lustige Situation mit Gary Anderson, mit dem ich gut befreundet bin. Er war bei Emerson Fittipaldi Chefmechaniker und wurde dann Technischer Direktor bei Jordan. Er ist ein wunderbarer Mensch. Er lud mich zum Zusammenbau des Jordan ein und ich brachte meine Kamera mit.

Giorgio Piola with Maurizio Arrivabene, Ferrari Team Principal

Giorgio Piola mit ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene
Photo by: Nikolaz Godet

Die Mechaniker bauten das Auto zusammen, hörten aber alle halbe Stunde auf, um was zu essen, oder eine Pause zu machen und ich wartete auf diese Momente, um zu fotografieren. So konnte ich Fotos haben vom Chassis, der Aufhängung. von allem. Jedes Mal, wenn die Mechaniker das Auto verließen, kam ein anderer Typ und stand neben dem Auto, setzte sich sogar hinein, sodass ich das Foto nicht machen konnte. Er tat es einmal, dann wieder und dann ein 3. Mal.

Irgendwann brüllte ich ihn dann an. "Hey, du! Was zum Teufel machst du da? Jedes Mal, wenn ich versuche zu fotografieren, stehst du vor dem Auto!"

Gary war sofort da: "Giorgio! Giorgio! Das ist Rubens Barichello. Mein Fahrer." Also entschuldigte ich mich.

Er wollte nur sein Auto sehen, den Zusammenbau, das war normal. Er kam aber aus einer anderen Serie, daher kannte ich ihn nicht und habe ihn etwas erschreckt.

Ein großes Problem war, dass die Teams mich mitunter baten, ihnen Bilder zu geben, um ihnen unter die Arme zu greifen. Das habe ich aber nie getan.

In den 1970er- und 1980er-Jahren gab es keine elektronischen Kameras, also mussten wir auf Film aufnehmen und sie zum entwickeln schicken und so weiter. Einmal, nachdem ich ein Bild für einen Technikartikel an Autosprint geschickt hatte, sprach ich mit Michel Tetu, einem Renault-Ingenieur, und wir diskutierten über technische Dinge. Er sagte: "Schau mal, Giorgio, ich habe hier was." Und er zeigte mir eines meiner Bilder.

Ich schaute auf die Rückseite des Fotos und da stand "Studio Piola". Das bedeutete, dass der Journalist von Autosprint, der ein Freund von Michel war, ihm das Foto gegeben hatte. Also sagte ich zu der Zeitschrift: "Von jetzt an schicke ich keine Bildet mehr. Ich mache Zeichnungen und damit hat es sich. Ich schicke nie wieder Fotos."

Das muss man tun, denn andernfalls ist man erledigt. Ich bin hier seit 47 Jahren, war bei 767 Grands Prix. Und wenn ich sowas mache, dann bin ich tot.

Man muss Prinzipien haben. Ich komme sehr früh an die Strecke und früher kam ich auch noch nach dem Abendessen, weil offen war, sogar um 11 Uhr abends. Ich kam an die Strecke um zu sehen, ob es etwas interessantes gab.

Ich erinnere mich, dass die Benetton-Mechaniker das Auto einmal unbeaufsichtigt ließen – und es gab rund um den Splitter am Unterboden etwas total Neues. Das war, als der Sport zum ersten Mal einen abgestuften Unterboden hatte, eine ganz neue Idee von Rory Byrne. Und am Morgen wehte der Wind die Abdeckung weg, weil sie aus Plastik war. Also sah in den Benetton ohne Abdeckung, ich machte sofort eine einfache Zeichnung, in 10 Minuten.

Die Jungs von Benetton schickten später Leute aus ihrer PR-Abteilung, um mir Geld zu bieten, damit ich das Bild nicht veröffentlichte. Ich habe es aber getan. Und das kommt sehr oft vor, sie bieten mir Geld, etwas nicht zu veröffentlichen oder, um ihnen Bilder von ihren Konkurrenten zu geben, aber das kann man nicht machen. Nicht einmal bei einem Freund.

Es gibt noch etwas, was die Menschen oft nicht verstehen. Meine Arbeit ist vielleicht nicht mehr so wichtig wie früher, weil man Dinge mit einer elektronischen Kamera selbst viel besser tun kann, früher war sie aber sehr wichtig. Wenn ich arbeite und mit einer Zeitschrift Exklusivität vereinbart habe, selbst wenn ein Freund nach einem technische Knüller fragt, kann ich ihm die Information nicht geben. Ich muss das Geld respektieren, das die Leute mir zahlen. Andernfalls zahlen sie nicht.

Manchmal nennen mich die Leute arrogant und unfreundlich, aber so bin ich nicht. Ich muss nur meine Arbeit machen und kann keine Informationen herausgeben. Ich kann am Abend, wenn wir zum Essen gehen, dein Freund sein, aber wenn man mich fragt, "Giorgio, was ist das Geheimnis des neuen Ferrari", muss ich entweder sagen, "ich weiß es nicht", oder sogar, "ich weiß es, kann es aber nicht sagen". Da geht es darum, das Geld zu respektieren, das man mir bezahlt.

Giorgio Piola with Jo Ramírez, McLaren
Giorgio Piola mit Jo Ramírez, McLaren

Photo by: Giorgio Piola

 

Deine Arbeit ist im Vergleich zu früher jetzt andres?

Mir gefällt meine neue Arbeit nicht mehr so gut wie das, was ich früher getan habe. In der Vergangenheit machte ich große Zeichnungen, für die ich 40 Tage gebraucht habe und es war unglaublich – und ich glaube, es gab nur 3 Menschen auf der Welt, die das konnten – wobei Tony Matthews sicher der beste war.

Heutzutage muss man leider alles schnell machen. Die Qualität ist nicht so gut wie früher. Ich habe 2 Assistenten, also gehören die Zeichnungen nicht ganz mir – aber die eigentliche Zeichnung ist immer von mir, denn das ist bei jedem anders. Ich mache immer die Zeichnung und dann scanne ich.

Wenn man die Zeichnungen von anderen sieht, dann machen sie alles mit dem Computer und die Linien sind sehr dünn. Ich nehme manchmal Standbilder von Animationen, aber sie stechen auf der Seite nicht hervor. Dass die Linien einige Unzulänglichkeiten haben, macht die Zeichnungen besser.

Ich bin immer offen, auf andere Leute zu hören, auch wenn sie nicht auf dem Gebiet arbeiten. Wenn man etwas viele, viele, Jahre lang macht, fokussiert man sich darauf und schaut nicht auf andere Perspektiven. Meine erste Frau war Modedesignerin und eines Tages sah sie, dass die Linien auf meinen Zeichnungen alle gleich waren. Sie sagte: "Giorgio, wieso machst du es nicht so wie wir, sagen wir mal, alle Linien auf dieser Seite sind dünn und alle hier sind dick, damit du die wichtigen Dinge besser siehst?"

Sie ging hinaus, ich machte eine Fotokopie meiner Zeichnung und machte sie breiter. Das war 1982 und seitdem sind meine Zeichnungen so. Man sieht 2 Dimensionen, die Zeichnung sticht auf der Seite hervor. Das zeigt, wie wichtig es ist, auf andere Leute zu hören. Ich frage meine neue Frau oft um Rat und höre auch auf sie.

Eine andere Sache ist, dass man nicht arrogant sein kann und zu selbstbewusst. Ich erinnere mich, als in einem Jahr in Australien, beim letzten Saisonrennen, Alan Jenkins, der bei Arrows Designer war und ein guter Freund von mir ist, sagte: "Giorgio, wieso kommst du nicht in unsere Garage."

Ich sagte: "Hör mal Alan, das ist das letzte Saisonrennen und euer Auto ist nicht konkurrenzfähig. Wieso soll ich zu euch in die Garage kommen?"

Er sagte: "Du hast einen Fehler gemacht. Denn wir testen die Aufhängung für nächstes Jahr." Man kann sich also nie ausruhen, denn es gibt immer Sachen, auf die am Acht geben muss.

Giorgio Piola, Motorsport.com Formula 1 technical analyst, with Sebastian Vettel, Ferrari

Giorgio Piola, Technikexperte, Motorsport.com, mit Sebastian Vettel, Ferrari

Photo by: Franco Nugnes

Was war mit dem Merzario-A1-Projekt?

Oh, diese Geschichte mag ich nicht besonders, denn ich hasse es, etwas zu tun, das ich nicht kann.

Okay, Arturo Merzario war ein guter Freund und er bat mich, das Design für ein Auto zu machen, weil er nichts hatte. Zu dieser Zeit konnte jeder ein Formel-1-Auto bauen, denn das einzige, was man brauchte, war ein Zertifikat von einem Ingenieur – kein Test, nur ein Zertifikat – dass der Überrollbügel dem dreifachen Gewicht des Autos standhalten konnte.

Jemand, der Schinken verkaufte, konnte ein Formel-1-Auto bauen! Und es war einfach. Der Kühler war für alle gleich, das Getriebe war Hewland – jeder, der den Cosworth-Motor hatte, hatte auch dieses Getriebe. Also musste man sich nur um die Befestigung der Aufhängung und die Karosserie kümmern.

Leider hatte Arturo, weil er das Geld hatte und der Boss war, die komische Idee, dass er die Nase sehr kurz haben wollte. Das war aber völlig verkehrt. Sogar ein Oberschüler weiß, dass man einen kleinen Winkel braucht, wenn man ein langes Objekt haben will, dass den gleichen Abtrieb hat. Wenn das Objekt sehr klein ist, braucht man einen viel größeren Winkel – weil es im Verhältnis zur Länge und dem Trägheitsmoment steht.

Also war das Auto total falsch. Es war ein Desaster. Es hat es nur in Argentinien an den Start geschafft, aber ich hatte schon nichts damit zu tun. Einmal wollte er eine neue Hinterradaufhängung bauen und wir hatten einen Ingenieur, der die Berechnungen machte. Ich glaube aber, er machte da einige Fehler und ich führte mit dem Chefmechaniker Tests durch, um zu sehen, wie flexibel sie war. Für uns war sie zu flexibel, also haben wir die Aufhängung nicht ans Auto gebaut.

Wir fuhren nach Südafrika und Merzario fragte mich: "Wieso gibt es keine Hinterradaufhängung?" Ich sagte ihm, dass es ein Problem gab und so weiter, aber bestand darauf, sie einzubauen. Also haben die Mechaniker sie über Nacht eingebaut und in der 1. Runde, nach der 1. Bremszone, zerbrach die Aufhängung.

Ich sagte dann zu ihm: "Arturo, vielen Dank. Das ist das Ende. Ich möchte nämlich gut schlafen und wissen, dass ich niemand umgebracht habe. Ich will nicht in den Knast gehen. Das ist nicht mein Job. Ich kann das nicht." Es war aber trotzdem sehr nützlich, denn ich habe viel über das System gelernt und bin Arturo trotzdem dankbar.

Eine weitere Sache, von der ich viel gelernt habe, war, als Renzo Zorzi Fahrer bei Shadow wurde. Er konnte kein Englisch, nichts. Als ich also in die Boxengasse kam, setzte ich mich neben ihn, er sprach mit mir und dann übersetzte ich für seinen Ingenieur und für ihn.

Ich durfte auch 15 Minuten lang bei der Technikbesprechung dabei sein, denn so lange war auch der Fahrer dabei. Der Fahrer sagte zum Beispiel, "in dieser Kurve hatte ich Übersteuern, anschließend haben wir Traktion verloren", solche Sachen.

Die Ingenieure hörten zu und dann war der Fahrer draußen – und sie starten ihre Diskussion. Es war aber trotzdem sehr nützlich, weil ich viel gelernt habe.

Sie haben Zorzi schließlich gefeuert und ihn durch Riccardo Patrese ersetzt. Ich habe den Anruf gemacht, Patrese in die Formel 1 einzuladen und wir wurden sehr gute Freunde.

Giorgio Piola and Renzo Zorzi, Shadow Racing Team
Giorgio Piola und Renzo Zorzi, Shadow Racing Team

Photo by: Giorgio Piola

War der Merzario A1 das einzige Auto, das Du gebaut hast?

Nein. Die Merzario-Geschichte mag ich gar nicht, aber es gibt etwas anderes, worauf ich sehr stolz bin. 1976 wurde in Italien die Super Formula Ford vorgestellt, mit Slick-Reifen und Flügeln. Es gab da dieses Team aus meiner Heimtstadt Genoa und der Besitzer rief mich an, weil ich schon als Journalist und Designer bekannt war und er bat mich, beim Design des Autos zu helfen.

Das habe ich sehr gerne getan. Ich muss sagen, ich habe etwas gemacht, das beinahe eine Kopie des Chevron Formula 3 mit einer breiten Nase war. In diesem Jahr gab es auch das Osella-Auto, das speziell für diese Meisterschaft gebaut wurde, während unser Auto ein alter zum Super Ford umgebauter Formel Ford war. Das bedeutete, dass wir eine neue Motorabdeckung, ein neues Chassis und neue Flügel hatten, aber der Rest – Aufhängung, Cockpit – war exakt das Gleiche.

Osella setzte zwei offizielle Autos für Teo Fabi ein, ein sehr guter Fahrer, und für Piero Necchii, der auch Europäischer Formel-3-Meister wurde, also auch ein sehr guter Fahrer. In meinem Team war Guido Pardini, der auch sehr gut war. Am Ende gewann unser Auto die Meisterschaft.

Der einzige Negativpunkt war, dass der Typ mich nicht bezahlt hat, aber er hat von Anfang an gesagt: "Giorgio, ich kann dich nicht bezahlen. Wenn du magst, kannst du aber kostenlos fahren." Ich bin 8 Rennen gefahren, ich war immer im Mittelfeld. Ich war nicht der Langsamste, ich war immer 10. oder 12. von 24 Autos. Ich war aber sicher nicht schnell und mir wurde klar, dass das nicht mein Ding war. Ich kenne meine Grenzen.

Es hat aber immer Spaß gemacht und ich habe mich nie verletzt. Ich hatte nur einen Unfall – nach dem Start in Mugello war ich nach der 1. Kurve 3., weil ich einen Frühstart gemacht hatte, den aber niemand bemerkt hatte. Also war ich sehr aufgeregt – so aufgeregt, dass ich in der 2. Kurve in die Wiese fuhr und mein Rennen vorbei war. Ich habe das Auto nicht beschädigt, habe aber festgestellt, dass das nichts für mich war.

Ich hätte noch mehr Rennen fahren können, weil ich Journalist war und leicht Sponsoren hätte finden können, aber ich sagte Nein. Super Ford war eine Kategorie für Amateure, da fuhren 50-Jährige mit. Es gab einige gute Fahrer, 3 oder 4, aber der Rest war wie ich. Ich habe sogar einen Sponsor gefunden, um in der Formel 3 zu fahren, nachdem ich aber den Start gesehen hatte, sagte ich: "Nein, das kann ich nicht."

Am Ende des Tages war alles gut so. Pardini gewann die Meisterschaft mit dem Auto, das ich entworfen hatte. Natürlich war das Auto sehr gut, das Team war sehr gut, der Fahrer war sehr gut – und vielleicht war der Osella nicht sehr gut, obwohl er speziell für diese Serie gebaut worden war. Ich war sehr stolz auf diese Saison und ich hatte Spaß daran, Rennen zu fahren – auch wenn ich sehr langsam war.

Motorsport.com technical illustrator Giorgio Piola offer his design of the 1974 Matra-Simca MS670C to Henri Pescarolo
Motorsport.com-Technikspezialist Giorgio Piola zeigt Henri Pescarolo sein Design des Matra-Simca MS670C von 1974 

Photo by: Robert Lyon

Zu welchem Fahrer hattest du die beste Beziehung?

Riccardo Patrese, Elio de Angelis, and Nelson Piquet. Es gab ein paar. Leider, und das tut mir sehr leid, hatte ich ein sehr schlechtes Verhältnis zu Ayrton Senna, weil ich ihn einmal beleidigt habe. Er wollte in Ungarn nicht zur Pressekonferenz gehen und ich habe einen Fehler gemacht und ihn Lügner genannt. Damit war diese Beziehung ruiniert.

Ich komme mit Gerhard Berger gut aus – und ich hatte ein wunderbares Verhältnis zu Alain Prost. Und das war ein weiterer Grund, wieso Senna mich nicht mochte, weil ich immer Interviews mit Prost machte. Ich war auch Journalist für die Gazzetta dello Sport und schrieb Berichte und so weiter. Ich kam mit Piquet, Lauda, Alan Jones, Carlos Reutemann und vielen Fahrern gut aus.

Ich wollte aber keine engen Freundschaften mit Fahrern, weil ich immer Angst hatte. Als De Angelis verunglückte, für mich war er wie ein Bruder...

Auch als Jochen Rindt starb, war das schrecklich. Ich war sehr oft in der Lotus-Garage, erstens, weil ich die Lotus-Autos mochte und zweitens, weil ich platonisch in Nina Rindt verliebt war. Für mich war sie die schönste und charmanteste Frau überhaupt. So eine Frau habe ich in der Formel 1 nie wieder gesehen.

Also war ich immer da. Und als Bernie Ecclestone am Samstag in Monza mit Jochens Helm in die Boxengasse kam, habe ich die Strecke verlassen. Leider musste ich an diesem Wochenende eine Kolumne für eine Zeitschrift schreiben – ich verließ die Strecke und sie haben mich gefeuert.

Das war nicht sehr professionell. Dieser Teil, die Todesfälle, haben mir aber immer Angst gemacht. Ich wollte nie mit Fahrern befreundet sein. Sie haben mich sehr oft eingeladen, mit ihnen zum Abendessen zu gehen oder mich im Flugzeug mitzunehmen. Ich habe nur einmal angenommen, bei Piquet. Ich mochte diese Dinge aber nicht, weil ich immer Angst hatte.

Als Roger Williamson starb – nun, ich hatte nie mit ihm gesprochen und kannte ihn kaum, also war das etwas anderes, als wenn es ein Fahrer gewesen wäre, den man kennt, auch wenn es mich natürlich mitgenommen hat. Als ich mit Zorzi arbeitete, war ich auch viel mit Tom Pryce zusammen – und als er starb, habe ich viel geweint. Um mich also zu schützen, beschloss ich, dass ich keine Beziehungen zu Fahrern haben wollte.

Und dann änderte sich das ganz von selbst. Damals waren alle einander viel näher, wir waren wie eine große Familie, immer in denselben Hotels, Restaurants, also gab es viele dumme Witze, viel Spaß, Mädchen und so weiter. Ich glaube, jetzt wollen die Fahrer mit Journalisten nur befreundet sein, wenn sie sie benutzen können. Und das gilt auch umgekehrt. Journalisten sind mit Fahrern befreundet, weil sie hoffen, dass sie vor allen anderen Neuigkeiten erfahren können.

So hat das mit Freundschaft aber nichts zu tun. Das ist nur gegenseitiges Interesse und das bedeutet mir nichts. Weil ich nichts aus gegenseitigem Interesse mache.

Mein Helden sind also Patrick Head, die Nummer 1, dann Gordon Murray, Mauro Forghieri, John Barnard, Adrian Newey, Paddy Lowe. Diese Leute, ich liebe sie.

LAT Images and Giorgio Piola logos
LAT-Bilder und Logos von Giorgio Piola

Photo by: LAT Images

Ist es wahr, dass Paddy schon, bevor er in die Formel 1 kam, ein Bewunderer Deiner Arbeit war?

Viele haben mir gesagt, dass sie meine Arbeit mochten. Auch Nikolas Tombazis, Sergio Rinland. Ich bin alt. Und sie waren fasziniert von meinen Zeichnungen.

Vielleicht sagen sie es, um mir zu schmeicheln. Ich weiß aber, dass Paddy mich sehr respektiert. Und auch Patrick Head – so, wie ich auch sie beide respektiere. Patrick ist für mich unantastbar, Adrian Newey ebenso.

Ich bewundere diese Leute sehr. Wenn wir uns unterhalten, reden wir über Technik, sicher, aber sie haben auch eine große Kultur.

Einige Fahrer sind gut, haben bezüglich ihrer Persönlichkeit viel Stress. Ich will keinen Namen nennen, aber es gibt einen Fahrer, bei dem ich mich geweigert habe, mit ihm am selben Tisch zu essen, weil er wie ein Tier aß. Wenn man dagegen mit Patrick Head spricht, sagt er, "Giorgio, nur 20 Minuten" und dann reden wir eineinhalb Stunden. Mindestens.

Man weiß, dass sie gerne über Technik reden, aber auch über alles andere. Mit Aldo Costa können wir über unsere Hunde reden, wir haben Golden Retriever, und er zeigt mit oft Fotos. Das ist schön, mit diesen Leuten kann man befreundet sein. Nicht mit den Fahrern, weil da alles über die PR-Abteilung geht.

Früher machten wir noch Einzelinterviews, lange. Prost organisierte zum Beispiel beim ersten Saisonrennen ein Abendessen in Brasilien mit Jean-Louis Moncet, Nigel Roebuck, mir und Pino Allievi. Wir gingen gemeinsam essen, stellten unsere Recorder auf den Tisch und hatten ein Interview, das für die ganze Saison reichte, denn wir sprachen über alles – Abstimmung, Überholen, Regen, wie man ein guter Testfahrer ist. Wenn etwas passierte – zum Beispiel Prost gewinnt in Imola – konnte man aus diesem Interview genau das herausziehen, was man brauchte.

Mit Berger war das ähnlich. Das einzige Problem bei ihm war, dass er die Interviews gerne während des Abendessens gab, aber nie Geld in der Tasche hatte. Also musste man immer für ihn bezahlen. Ich sagte einmal: "Hör mal, Gerhard, ich verdiene nicht so viel wie du." Er lachte.

Er spielte die Streiche die konnten brutal sein. Einmal waren wir in Spanien und Benetton organisierte eine Art Corrida und er und Alesi spielten Toreros und ich ritt auf einem Pferd, weil das eines meiner Hobbys war. Ich ging mich umziehen, sah, dass er meine Hose hatte und dabei war, sie abzuschneiden. Also überredete ich ihn, stattdessen Jeans Hose abzuschneiden. Das tat er – und Alesi war sehr wütend. Erst letztes Jahr habe ich Jean gesagt: "Gerhard wollte meine abschneiden, aber ich habe ihm stattdessen deine gegeben." 

Giorgio Piola with media
Giorgio Piola mit der Presse

Photo by: Giorgio Piola

Wie lautete Alesis Antwort?

Zu Berger? Er konnte nichts tun. Wenn du dich für einen Berger-Streich rächst, dann antwortet er doppelt. Einmal nahm er Sennas Aktentasche und warf sie aus dem Helikopter – mit Pass, Geld und allem. Es war alles weg. Mit Gerhard macht man keine Witze.

Wie war deine Beziehung zu Ferrari?

Ferrari ist sehr schwierig. Denn bei Ferrari herrscht immer Druck. Wenn du sagst, "McLaren hat einen neuen Flügel getestet, er hat nicht funktioniert, sie setzen im Rennen den alten ein", passiert nichts. Wenn man in Italien aber sagt, "Ferrari hat einen neuen Flügel getestet, er hat nicht funktioniert", ist das sofort überall.

Ich nenne mal ein Beispiel. Als Berger in Rio zum 1. Mal für Ferrari getestet hat, brauchte er Knieschützer. Das war das erste Mal und war zuvor noch mit keinem anderen Fahrer passiert. Und sie mussten aus dem Rahmen vom Armaturenbrett ein kleines Stück herausschneiden, sonst hätte er nicht ins Cockpit steigen können. Ich habe für die Gazzetta eine Zeichnung gemacht. Das war einfach. Es war nur ein Skizze. Es war kein weiterer italienischer Journalist da, weil es Testfahrten vor der Saison waren. Eine Woche vor dem Grand Prix schrieb ich also: "Berger ist zu groß, um ins Auto zu passen, er braucht Knieschützer und das Team musste den Rahmen vom Armaturenbrett ausschneiden."

Am nächsten Tag hatten die anderen Zeitungen alle eine Schlagzeile: "Ferrari hat ein gefährliches Auto", "Der Fahrer riskiert, sich die Beine zu brechen", solches Zeug.

Also bekam mein Chefredakteur diesen Anruf: "Ich bin Enzo Ferrari. Wieso zum Teufel steckt Piloa seine Nase in mein Auto und sagt, dass es gefährlich ist?"

Mein Chefredakteur antwortete: "Piola macht seinen Job. Wir haben auch Bilder und könnten diese veröffentlichen. Er hat die Zeichnung gemacht, weil die Erklärung besser war."

Enzo frage: "Ist Piloa in Rio?" I war dort. Er sagte. "Können Sie mir also erklären, wieso Piola in mein Auto schaut, anstatt die Hintern der schönen Brasilianerinnen anzuschauen?"

"Ist Piola vielleicht schwul? Sagen Sie ihm, er soll die Mädchen anschauen."

Das war aber gar nichts im Vergleich zu der Zeichnung einer Zugstange, die ich vor der offiziellen Vorstellung machte. Es war wieder ganz einfach – wir hatten die Information und ich machte eine einfache Zeichnung des Autos von der Front. "Anstatt so, wird das Auto so aussehen."

Ferrari hat dem Herausgeber der Gazzetta die Hölle heiß gemacht. Sie wollten, dass ich gefeuert würde. Ich sagte nichts – aber dafür gab es keinen Grund. Es hätte sowieso niemand die Zugstangenaufhängung kopieren können, weil man dann das Chassis hätte ändern müssen. Das kann man nicht tun. Das ist etwas, das bis zur nächsten Saison keiner kopieren kann.

Mit Ferrari ist es also nie einfach. Mit John Barnard war ein einfacher, denn ich kannte ihn von McLaren. Wir waren keine Freunde, aber wir hatten eine gute Beziehung. Und wir verstanden uns noch besser, als er zu Ferrari ging.

Ich wollte ein Buch über sein Auto machen. Jeden Abend nach den Rennen ging ich zu seinem Zimmer und wir hatten ein langes Interview. Leider starb dann meine Frau und ich habe das Buch nicht gemacht, weil ich fast ein ganzes Jahr außen vor war. Sie hatte 6 Jahre gegen den Krebs gekämpft und hatte viele Operationen.

Also hab ich den Zeitpunkt für das Buch verpasst, aber die Beziehung war gut. Vor zwei Jahren wollte ein englischer Journalist zum Beispiel ein Interview und ich gab ihm Johns Nummer. Als er sagte, "ich habe Ihre Nummer von Giorgio Piola bekommen", antwortete John, "wenn Giorgio Ihnen meine Nummer gegeben hat, bedeutet das, dass er Ihnen vertraut, also können wir das Interview natürlich machen." Ich glaube, dass mich keiner von der alten Generation der Ingenieure ablehnte.

Graphic artist Giorgio Piola takes pictures of car parts
Giorgio Piola fotografiiert Teile eines Autos

Photo by: Eric Gilbert

Colin Chapman war dafür bekannt, sehr gefährliche Autos zu bauen. Was denkst du darüber?

Ich denke, das kann man sagen. Wenn du eine meiner besten Zeichnungen, den Lotus 78, anschaust, hatte der Feuerlöscher einen sehr dünnen Rahmen. Der ging schon bei der leichtesten Berührung mit der Leitplanke bei 40 km/h los.

Sicher waren die Chapman-Autos oft gefährlich. Sehr, sehr oft. Und Johen Rindt ist sicher nur deshalb gestorben, weil die Antriebswelle des Autos hohl und zu zerbrechlich war.

War Chapman vom Gewicht besessen?

Ja, und es kümmerte ihn nicht, wenn er etwas, das explodieren konnte, hinter dem Hintern des Fahrers platzieren musste. Wenn das sein musste, damit das Auto schneller wurde, war ihm das egal.

Auf irgendeine Art erinnert mich das an Adrian Neweys Leyton-House-Auto von Mauricio Gugelmin und Ivan Capelli. Für die Nase und Aerodynamik war es wichtig, ein breites Oberteil und einen schmalen Boden zu haben, mit den genauen Maßen, dass zwei Füße reinpassten und nichts mehr. Der Fahrer konnte seine Füße während des Rennens nicht bewegen, also hatten sie nach 20 Runden oft einen Krampf in den Beinen. Wenn du Capelli und Gugelmin fragst, werden sie dir das sagen.

Dann gab es das Lenkgestänge, das so gebaut war, dass die Fahrer Schwierigkeiten hatten, ins Cockpit zu steigen. Ich muss aber sagen, damals waren viele Autos so. Dieses Auto von Adrian war aber wohl das Schlimmste.

Wenn Bernie sagt, dass Senas Tod sinnvoll für die Formel 1 war, klingt das furchtbar. Es ist zynisch. Ohne Ayrton wären aber sicher noch mehr Fahrer ums Leben gekommen. Es tut mir leid, das zu sagen, aber niemand scherte sich um Roland Ratzenberger. Niemand erwähnt ihn mehr. Wenn sie über Imola sprechen, dann sagen sie, es war ein tragischer Grand Prix wegen Senna – und nicht Ratzenberger.

Aufgrund des Senna-Unfalls haben sie in puncto Sicherheit einen großen Schritt gemacht. Davor waren die Autos gefährlich. Man muss sich nur die Bilder anschauen – die Fahrer überragten komplett das Cockpit und waren nicht geschützt. Also muss ich sagen, die FIA hat beim Schutz der Fahrer große Fortschritte gemacht.

Giorgio Piola at work
Giorgio Piola bei derArbeit

Photo by: Jean-Francois Galeron/WRI2

Jules Bianchis Unfall war kein Formel-1-Unfall. Er hatte nichts mit dem Design der Formel 1 zu tun. Der Truck musste nicht innerhalb der Strecke stehen. Das war der Hauptgrund. Erinnerst Du Dich an Tonio Liuzzi 2007 am Nürburgring? Er kam vor einem Traktor zum Stehen. Ein weiterer großer Fehler.

Wenn die Leute sagen, dass jemand "wie durch ein Wunder" davongekommen ist, bedeutet das, dass es ein weiteres Mal nicht passieren wird. Das war das Gleiche mit der Tamburello. Berger, Patrese, Alboreto, Piquet, alle sind in der Tamburello gegen dieselbe Mauer gefahren. Und jedes Mal sagten wir, "Wunder", "Wunder", "Wunder".

Senna hatte wegen der Aufhängung Pech. Sein Auto war total heil, er hätte wieder starten können, wenn es nicht wegen der Aufhängung gewesen wäre. Er hatte sehr großes Pech.

Aber nochmal, wenn alles gutgeht, dann reden wir von einem "Wunder", das bedeutet aber, dass es nicht unter Kontrolle ist. Niemand hat erwartet, dass Senna stirbt. Das war für alle ein furchtbarer Schock.

Villeneuve war der große Fahrer, der vorher ums Leben gekommen war – und wieder ist es sehr traurig das zu sagen – aber wir wussten alle, früher oder später, in einem Helikopter-Crash, oder einem Unfall, oder einem Bootsunfall, oder sogar beim Laufen, oder beim Fahrradfahren, könnte er einen schlimmen Unfall haben. Weil er verrückt war. Die Menschen mochten ihn, man muss aber manchmal auch anerkennen, dass er total verrückt war.

Erinnerst Du Dich daran, als er in Zandvoort ohne ein Rad fuhr? Stell dir vor, er hätte sich gedreht und ein anderes Auto wäre angekommen, das hätte tödlich enden können. Und es gab einen Fahrer, dessen Namen ich nicht nenne, der sagte zu mir nach Gilles Tod: "Giorgio, ich sage dir, von nun an fahre ich sicher. Wenn ich Gilles vor mir, neben mir oder hinter mit hatte, hatte ich immer Angst, in einen großen Crash verwickelt zu werden, bei dem ich sterbe. Von heute an bin ich sicher."

Ich habe das nicht veröffentlicht. Wir alle in unserer Generation hatten eine Leidenschaft für die Formel 1, also hatten wir gewisse Grenzen – und das war eine davon. Man kann so etwas nicht veröffentlichen, auch wenn es die größte Schlagzeile der Saison wäre. Wenn du das tätest, wäre der Fahrer, der das gesagt hat, wenn er nach Imola gekommen wäre, umgebracht worden, weil Gilles von allen geliebt wurde.

Bei den heutigen Journalisten ist das anders. Sie kommen in die Formel 1, gute Journalisten, vielleicht aus dem Fußball, also haben sie diese Leidenschaft nicht, sie haben keinen Respekt vor der Formel 1. Ich verstehe zum Beispiel nicht, wieso alle schimpfen, dass die Formel 1 nicht spektakulär sei. Für mich sind das fantastische Rennen.

Das einzige Problem für mich ist, dass ich einige der Regeln nicht mag. Wenn es zum Beispiel ein unsicheres losfahren lassen nach dem Boxenstopp gibt oder der Motor oder das Getriebe getauscht werden muss, wieso wird der Fahrer bestraft? Nehmt doch lieber dem Konstrukteur Punkte weg. Wenn ein Fahrer auf die Pole-Position fährt, er fährt die beste Runde und dann muss der Motor getauscht werden, wieso muss er dann von hinten starten? Das ist etwas, das ich nicht mag.

Auf der anderen Seite habe ich dieses Beispiel: Der Grand Prix von Ungarn war immer fürchterlich. 2 oder 3 interessante Runden, ein schönes Überholmanöver, Mansell gegen Senna – dann sagten wir "wunderbar" und schliefen danach für 70 Runden. Vor ein paar Jahren hatten wir da aber eines der besten Rennen, mit Kämpfen bis zur letzten Runde. Und mit diesen Motoren gab es sogar im hinteren Feld Überholmanöver, die es früher nicht gab. Ich verstehe nicht, wieso die Leute sich beschweren.

Das Einzige ist vielleicht, dass sich niemand um Mercedes schert. Denn wenn du den Mercedes rot anmalst, würden die Leute ausflippen. Red Bull zieht viele Leute an – hast Du Verstappen in Belgien gesehen? Das waren so viele Zuschauer nur wegen ihm dort.

Wenn du daran denkst, dass Schumi 2002 in Frankreich schon Weltmeister war – wir hatten die letzten 6 Saisonrennen und er stand schon als Weltmeister fest. Aber alle waren trotzdem zufrieden, weil es Ferrari war.

Die Rennen jetzt sind wunderbar und das Level der Fahrer ist gut. Zu Schumis Zeit war es nur Mika Häkkinen und dann kam Alonso. Jetzt haben wir mindestens 5 Fahrer auf demselben Level, wie damals mit Senna, Piquet, Berger, Prost, Mansell.

Wenn du mich fragst, würde ich sagen, Senna war der beste Fahrer meiner Zeit in der Formel 1. Nicht Schumi, weil er nur gegen einen gekämpft hat. Senna hat gegen 4 oder 5 andere Leute gekämpft, die so gut waren wie er. Michael hatte ein sehr einfaches Leben, er hat so viele Meisterschaften gewonnen, aber manchmal keinen Gegner.

Barrichello durfte noch nicht einmal den gleichen Tee trinken wie Schumi. Rosberg und Hamilton hatten das gleiche Material zur Verfügung. Sie kämpften, sie kollidierten – der Konkurrenzkampf zwischen den beiden war riesig.

The 1979 Ferrari 312T4 of Gilles Villeneuve
The 1979er-Ferrari von of Gilles Villeneuve

Photo by: Giorgio Piola

Wann hast du aufgehört Berichte und Interview zu schreiben?

Vor etwa 10 oder 15 Jahren, Ich habe angefangen fürs Fernsehen über die Technik zu kommentieren und hörte auf zu schreiben, weil ich keine Zeit hatte.

Jetzt gibt es das Internet. Bis vor 20 Jahren habe ich 90 Tage im Jahr gearbeitet und hatte viermal mehr als jetzt, da ich 350 Tage im Jahr arbeite. Das ist es, wozu das Internet dich zwingt.

Die beste Zeit war, als es Faxe gab. Ich konnte keine Zeichnungen mit Schatten machen, weil das alles schwarz erscheinen würde – also musste ich ganz einfache Zeichnungen machen und ich hatte 14 Zeitschriften rund um die Welt. Das war sehr gut.

Also musstest du nur 14 Nummern anrufen?

Noch nicht einmal das. Denn im Pressezentrum gab es Assistenten – denen gab man den Umschlag mit den Zeichnungen und die Liste mit den Nummern. Es war fantastisch. Und ich hatte eine sehr gute Lebensqualität, ich hatte 3 Pferde, einen Ferrari, ein Boot. Das war gut.

Jetzt ist all das weg. Ich habe es verkauft. Man hat dafür keine Zeit mehr. Reiten und Springreiten ist zu gefährlich, wenn man es nicht regelmäßig macht. Ferrari? Den kann man haben. Das Boot musste ich gegen eines eintauschen, das 3 mal kleiner ist.

Du machst den Job aber noch immer?

Ich liebe ihn immer noch. Wenn du mich fragst, gibt es nichts schöneres als die Vorstellung eines neuen Autos. Ich kann es kaum erwarten, Adrian Neweys Auto für nächstes Jahr zu sehen. Die Leidenschaft für meine Arbeit ist immer noch so groß. Ein neues Auto zu sehen ist etwas ganz besonderes, etwas, das einen alles andere vergessen lässt.

Giorgio Piola at work
Giorgio Piola bei der Arbeit

Photo by: Jean-Francois Galeron/WRI2

Be part of Motorsport community

Join the conversation
Vorheriger Artikel Adrian Newey: Hybridmotoren der Formel 1 nur ein Marketing-Gag
Nächster Artikel Daniel Ricciardo: Weltmeister mit Red Bull wäre "das ideale Szenario"

Top Comments

Es sind noch keine Kommentare vorhanden. Warum schreiben Sie nicht einen?

Sign up for free

  • Get quick access to your favorite articles

  • Manage alerts on breaking news and favorite drivers

  • Make your voice heard with article commenting.

Motorsport prime

Discover premium content
Anmelden

Edition

Switzerland