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Kolumne: Langweilige Rennen müssen sein!

Motorsport.com-Redakteur Heiko Stritzke ist genervt davon, dass nach jedem langweiligen Rennen Sturm gelaufen wird, weil sie einfach dazu gehören

Daniel Ricciardo, Red Bull Racing RB14 leads at the start of the race

Daniel Ricciardo, Red Bull Racing RB14 leads at the start of the race

Liebe Freunde des Leitplankenkanals,

ich muss mal ein bisschen Dampf ablassen, denn ich bin mächtig sauer. Nicht über das langweilige Rennen in Monaco, sondern den Umgang damit. Sind wir eigentlich mittlerweile eine Fangemeinde von Schlechtrednern, Panikmachern und Dauernörglern geworden? Dass nach jedem Formel-1-Rennen, in dem es nicht mindestens 15 echte Überholmanöver gibt, gleich der Superalarm geschlagen wird, nervt mich tierisch an. Denn so machen wir den Sport kaputt.

Ja, das Rennen in Monaco war langweilig, genau wie in Australien. So what? Muss neuerdings jedes einzelne Rennen ein Hitchcock-Thriller werden? Sind wir mittlerweile als Gesellschaft so weit verkommen, dass wir in jedem Rennen immer Action, Action, Action brauchen und wenn nicht virtuell unser Geld zurückfordern? Dass jedes Rennen noch besser, noch packender und noch dramatischer sein muss als der Vorgänger? Mehr, mehr, mehr und wenn einmal weniger ist, dann geht die Welt unter. Eine Dekadenz, die leider in vielen Bereichen zu sehen ist: Finanzmärkte, TV-Shows, Sport.

Ich sage: Langweilige Rennen hat es immer gegeben und sie müssen sein. Sie gehören zum Motorsport dazu wie das Amen in der Kirche. Selbst die MotoGP, auf die ja immer gerne als Vorzeige-Motorsport verwiesen wird, weil er ja so spannend ist, hat Rennen gesehen, in denen relative Ruhe herrschte. Ich erinnere mich an den Sieg von Jorge Lorenzo in Brünn 2015. Das Rennen war todlangweilig. Was hat die MotoGP gemacht? Mit den Achseln gezuckt, beim nächsten Mal wird es schon wieder besser (was es in jener Saison in jedem Fall wurde).

Was macht die Formel 1? Nach dem Großen Preis von Australien verfiel man in Panik, als stünde der Weltuntergang bevor, getrieben von Heerscharen von vernichtenden Presseurteilen und verärgerten Fans. Purer Aktionismus. Hauptsache etwas dafür tun, dass es niemals wieder so ein langweiliges Rennen geben würde. Zwar sind die Regeländerungen, die diesmal für 2019 angedacht sind, weniger destruktiv als manche Reaktionen aus der Vergangenheit, aber ich kann Christian Horners Kritik nachvollziehen: Es wirkt wie eine Kurzschlussreaktion.

Immer actionreicher, immer chaotischer, immer unberechenbarer: Genau mit diesen Vorgaben hat sich die Formel 1 zu Beginn dieses Jahrzehnts zu einer Karikatur ihrer selbst entwickelt. Die desaströsen Bröselreifen haben von 2011 bis 2013 die Rennen teilweise in einen Zirkus ausarten lassen, der mit Sport nicht mehr viel zu tun hatte. Zum Glück hat man da mittlerweile einen Kompromiss gefunden, mit dem man leben kann, bei dem ich als Fan des puristischen Motorsports aber noch immer mit der Nase rümpfe. Wenn auch weniger als zu Pirellis schlimmsten Zeiten (wofür Pirelli nichts konnte, weil es so bestellt wurde).

 

Doch wie kommen solch unpopuläre Maßnahmen zustande? Genau wegen diesem Gehabe mit der angeblichen Formel Langeweile. "Dieses Rennen war todlangweilig, es muss sich unverzüglich etwas tun!" Das hat uns DRS und Co. eingebrockt. Ja, wir, das nimmer zufriedene Publikum, sind mit schuldig, dass sich die Formel 1 immer wieder in Dinge verrennt, die einfach lächerlich sind. Etwa, dass man mit dem Reifen das Rennen beginnen muss, mit dem man in Q2 die schnellste Runde gefahren ist, sofern man ins Q3 kommt.

In nicht allzu ferner Vergangenheit wurden 24-Stunden-Rennen mit mehreren Runden Vorsprung gewonnen. Es gab Grand-Prix-Siege mit einer Minute Vorsprung und Startaufstellungen, in denen der zweiten Startreihe bereits eine Sekunde auf die Spitze fehlte. Oder in denen die ersten Überrundungen in Runde zehn anstanden. Alles gar nicht so lange her. Und irgendwie schwärmen wir jetzt doch wieder von den guten, alten Zeiten. Weil es doch irgendwo ehrlicher war.

Ich hielt die Formel 1 2017 für eine wirklich tolle Show, weil sie wieder genau diese Ehrlichkeit gegenüber den Vorjahren gewonnen hatte. Dieses Jahr hat uns leider Halo die Lust ein bisschen verbaut, aber über den sportlichen Unterhaltungswert kann man sich meines Erachtens wirklich nicht beschweren. Und wir alle wissen, dass Spanien und Monte-Carlo Langeweiler sind. In Kanada wird das alles schon wieder ganz anders aussehen, da gehe ich jede Wette ein. Und selbst wenn nicht, manchmal ist es halt so. Aber es wird auch wieder spannende Rennen geben, da braucht es keine panischen Regeländerungen. Wir sollten den Dingen einfach mal ihren Lauf lassen.

Motorsport kann langweilig sein. Das muss er auch. Denn wo kämen wir hin, wenn jedes Rennen ein monumentaler Thriller wird? Wir wären schnell übersättigt und würden uns abwenden. Nur dank Langeweilern können wir die spannenden Rennen doch wirklich genießen. Wenn wir es nicht akzeptieren können, dass es Rennen mit wenig Action geben muss, sollten wir uns als Gesellschaft ernsthaft hinterfragen.

Herzlichst, Ihr
Heiko Stritzke

Übrigens: Motorsport.com-Chefredakteur Christian Nimmervoll vertritt einen ähnlichen Standpunkt. Warum der Monaco-Grand-Prix in seiner jetzigen Form bleiben muss, diskutiert er mit den Moderatoren von 'meinsportradio.de' in einer Spezialausgabe des Formel-1-Magazins 'Starting Grid'.

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