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Die Nacht, in der Schumacher und Villeneuve Freunde wurden

Das wenig bekannte Nachspiel des WM-Finales von Jerez vor 20 Jahren: Als aus einer improvisierten Hotelparty eine Affäre um Fotos und falsche Freunde wurde.

Kollision: Michael Schumacher, Ferrari F310B; Jacques Villeneuve, Williams FW19 Renault

Kollision: Michael Schumacher, Ferrari F310B; Jacques Villeneuve, Williams FW19 Renault

LAT Images

Es war eines der dramatischsten und umstrittensten Finales einer Formel-1-Saison: Vor 20 Jahren sicherte sich Jacques Villeneuve seinen ersten und einzigen WM-Titel in Jerez. An jenem Tag endeten die Ambitionen Michael Schumachers im Kies - nachdem ein Rammstoß des Ferrari-Fahrers missglückt war und Villeneuve den Weg zum Triumph geebnet hatte. Drei Jahre nach seiner (vorsätzlichen) Kollision mit Damon Hill in Adelaide stand Schumacher wieder im Kreuzfeuer der Kritik.

Weit weniger bekannt ist, was später am Abend nach dem kontroversen Europa-Grand-Prix passierte - wie der Deutsche versuchte, die Wogen mit dem neuen Weltmeister zu glätten. Wir erzählen die ganze Geschichte des 26. Oktober 1998, wie sie den meisten Fans bisher verborgen geblieben ist.

 

Polesitter Jacques Villeneuve, Williams; 2. Michael Schumacher, Ferrari; 3. Heinz-Harald Frentzen, Williams
Im Qualifying alle zeitgleich: Jacques Villeneuve, Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen.

Foto LAT Images

 

Doch von Anfang an: Die komplette Saison hatte im Zeichen des Kampfes Villeneuve versus Schumacher gestanden. Nachdem er im Vorjahr gegen Teamkollege Damon Hill den Kürzeren gezogen hatte, demoralisierte der Kanadier seinen neuen Stallrivalen Heinz-Harald Frentzen. Die Herausforderung kam aus dem gegnerischen Lager - in Person Schumachers, der sein zweites Ferrari-Jahr bestritt. Die Scuderia jagte zu diesem Zeitpunkt seit 1979 einem Fahrertitel nach, befand sich unter der Leitung des Teamchefs Jean Todt und des Technikexpeten Ross Brawn aber im Aufwind.

Drama schon im Qualifying: Drei Piloten zeitgleich

Im vorletzten Rennen 1997 in Suzuka nahm der WM-Kampf eine neuerliche Wende, als Villeneuve im Qualifying gelbe Flaggen ignorierte, bestraft wurde und im Rennen ohne Punkte blieb. Schumacher reiste überraschend nicht nur mit Chancen, sondern als Gesamtführender und als Favorit nach Jerez. In Andalusien spielte sich schon im Qualifying ein Drama ab, als Villeneuve, Schumacher und Frentzen die auf die Tausendstelsekunde gleiche Rundenzeit von 1:21.072 Minuten setzten.

Ein solches Kuriosum hatte die Formel 1 zuvor nie erlebt. Weil Villeneuve jene Rundenzeit als erster Pilot fuhr, stand er auf der Pole-Position. "Es war ein Hollywood-Szenario", sagt der Williams-Pilot im Rückblick. "Aber so verlief die ganze Saison. Es war eines jener Jahre, an das sich die Leute erinnern. Das kann man sich unmöglich ausdenken! Würde man es in einem Drehbuch schreiben, würden einen die Leute für verrückt erklären. Eigentlich ist es nicht möglich", erinnert er sich.

 

Jacques Villeneuve, Williams FW19
Jacques Villeneuve 1997 in seinem Williams: Er war kaum zu schlagen.

Foto LAT Images

 

Villeneuve weiß: "Offenbar gab es noch eine andere Zeitmessung der FIA, aber die zählte nicht für die Startaufstellung. Ich kenne das Ergebnis nicht - besser so, denn vielleicht hätte ein anderer auf Pole gestanden." Das Rennen selbst entwickelte sich im Sinne des packenden WM-Kampfes zwischen den Protagonisten. Schumacher lag zu Beginn in Führung, gejagt von Villeneuve, der Frentzen nach einem schlechten Start wieder kassiert hatte. "Wir hatten uns Millionen Szenarien ausgemalt, keines davon trat ein", so Villeneuve. "Ich geriet in Kurve eins mit Heinz-Harald aneinander, wir wussten nicht, was wir tun sollten und wer vorne sein sollte. Es lief alles ziemlich schlecht."

Ferraris Blockademanöver mit dem Sauber-Statisten

Danach war es ein total verrücktes Rennen. Ich legte eine Runde nach der anderen im Qualifying-Speed hin. Ich wäre ein paar Mal fast abgeflogen, kam näher an Michael heran und verlor wieder Zeit, als ich auf die Sauber auflief." Der Schweizer Rennstall war 1997 mit Motoren aus Maranello ausgestattet - "und Ferrari sagte ihnen, dass sie mich aufhalten sollten, woraufhin Norberto Fontana mich eine ganze Runde blockierte." Alles in dem Wissen, dass er Schumacher überholen musste, um den Titel zu holen. Also legte sich Villeneuve unter zunehmendem Druck einen Plan zurecht.

"Ich konnte während des ganzen Rennens später als Michael bremsen. Also ließ sich ein Kamikaze-Manöver riskieren", sinniert Villeneuve. Sein Gedanke: Wenn er nur einen Meter näher an Schumacher herankommen würde, könnte er es am Ende der Gegengeraden versuchen. "Ich wusste, dass ich ihn überraschen kann. Es war die einzige Chance, ihn zu überholen. Also absolvierte ich meinen Boxenstopp nach ihm - in dem Wissen, dass ich zwei Runden auf frischen Reifen hätte, um es zu wagen. Es war meine einzige Möglichkeit", so der Kanadier über seinen Overcut. Gesagt, getan.

 

 

In Runde 48 von 69 wagte er am Ausgang der schnellen Kurve hin zur Gegengeraden alles. "Ich geriet sogar in den Dreck, aber ich ging das Risiko ein. Dann sah ich, dass ich den einen Meter näher dran war als in den Runden zuvor. Ich habe es einfach probiert", schildert Villeneuve, der wie geplant später in die Eisen stieg, um sich vor der nächsten Kurve auf der Innenseite vorbeizupressen. "Mit einem Schlag erkannte er, dass ich neben ihm war, lenkte weg und wieder in in meine Richtung. Er hat es schlecht gemacht, denn er traf nicht meine Räder, sondern nur meinen Seitenkasten."

Ein absichtliches Foul ohne die gewünschte Wirkung. Schumacher rutschte von der Strecke und ins Kiesbett, während Villeneuve - im Gegensatz zu Hill 1994 in Adelaide - weiterfuhr. Gleichwohl hatte er Grund zur Sorge: "Das Auto hob ab. Glücklicherweise gelang es mir, auf der Bahn zu bleiben, doch dann wurde ich langsamer. Ich dachte, dass irgendetwas kaputt sei. Tatsächlich war die Batteriebefestigung beschädigt, sie hing nur noch an den Kabeln. Ich streichelte die Bremsen und fuhr ganz sanft. Zum Glück - den sonst hätte ich die Ziellinie nicht gesehen", so Villeneuve.

Blondierte Haare und der kanadische Premierminister

Am Ende fiel er auf den dritten Platz zurück, nachdem er von den McLaren-Piloten Mika Häkkinen und David Coulthard kassiert wurde. Doch es reichte, um sich zum Formel-1-Weltmeister zu krönen. Als er auf dem Podest stand, jubelte ihm die Williams-Crew mit einer Anspielung auf seine blondierten Haare zu. "Es war so cool, als ich die Jungs mit ihren gelben Perücken sah. Es machte den Augenblick noch spezieller. Zuhause in Montreal färbten sich damals Hunderte die Haare platinblond. Es zeigte mir, wie viel ihnen der Titel bedeutet - und dass ich ihnen etwas geben konnte."

 

Formel-1-Weltmeister 1997: Jacques Villeneuve, Williams
Die gelben Perücken hinterließen bleibenden Eindruck.

Foto LAT Images

 

Es hätte ihn glücklich gemacht, die Leute so zu bewegen, blickt Villeneuve zurück. "Vorher war es mir nicht klar. Dann rief der Premierminister von Kanada an - da fiel der Groschen." Villeneuve hatte sein großes Ziel in atemberaubender Zeit erreicht: "Alles ging superschnell. Es ging in der Formel 3 in Italien los, dann ging ich nach Japan, in die USA, gewann die IndyCar-Serie und die Formel-1-WM. Der Ball rollte und erreichte die Spitze in wahnsinniger Geschwindigkeit."

Wie Irvine zwei von Schumachers WM-Kappen klaute

Im Ferrari-Lager war die Stimmung an jenem Nachmittag eine andere. Es herrschte Niedergeschlagenheit, um es milde auszudrücken. Schumacher hatte nicht nur den Titel verloren und die Durststrecke seit 1979 um ein weiteres Jahr verlängert. Allen Beteiligten dämmerte, dass eine Strafe folgen würde, nachdem FIA-Boss Max Mosley sich der Sache bereits persönlich angenommen hatte.

Dazu hatte Schumachers voreiliger und selbstbewusster Manager Willi Weber tausende Kappen mit der Aufschrift "Michael Schumacher 1997 World Champion" produzieren lassen. Einige Exemplare davon schwirrten im Ferrari-Motorhome herum. Eddie Irvine, damals Zimmergenosse eines Formel-1-Journalisten, schmuggelte zwei für den Freund heraus. Der Reporter gab eine Villeneuves Renningenieur Jock Clear, der mit ihr prompt durch das Paddock stolzierte. Die andere behielt er.

Renault, das seinen Abschied als Formel-1-Motorenlieferant mit einer großen Party hatte feiern wollen, richtete plötzlich Villeneuves WM-Fete aus - während die Marlboro-Festivitäten nebenan zur Nebensache verkamen. Bevor der neue Champion dort aufschlug, aß er mit Manager Craig Pollock, seinem Kumpel Patrick Lemarie, seinem Physiotherapeuten Erwin Göllner und einigen anderen in seinem Montecastillo-Hotel direkt neben der Strecke zu Abend. Besagter Journalist stieß - ohne Kappe auf dem Kopf - zu der Gruppe, gemeinsam ging es mit dem Taxi zur Renault-Party.

Bei Renault und Marlboro war die Party früh vorbei

Sie fand in einem Nachtklub weit entfernt von Jerez statt. Alle akkreditierten Formel-1-Leute waren erwünscht, aber Renault hatte vergessen, irgendjemanden einzuladen - entsprechend wenig war zunächst los. Die Leute standen auf gingen an Villeneuves Tisch, um ihm zu gratulieren. Als die Feier Tempo aufnahm, ertönte die Durchsage, dass die Bar ab sofort geschlossen wäre - wenige Minuten nach Mitternacht. Vor der Tür standen noch rund 200 Mechaniker Schlange - sie hatten gerade erst ihren Arbeitstag beendet und wollten feiern, doch die Veranstaltung war längst vorbei.

 

Podium: Weltmeister Jacques Villeneuve mit David Coulthard und Mika Häkkinen
Jubel auf dem Podest: Villeneuve mit den Kollegen Coulthard und Häkkinen von McLaren.

Foto Renault

 

Villeneuves Clique setzte sich wieder in Taxis und fuhr zurück nach Jerez. Sie wollte an einem Sonntagabend etwas Amüsement in einem verschlafenen Örtchen. Man überlegte sich, die Marlboro-Party zu crashen. Die Sache erledigte sich aber von selbst, als die Truppe an einem Kreisverkehr außerhalb der Stadt auf Schumacher, Irvine und die restliche Ferrari-Mannschaft traf. Auch ihre Feier war vorbei, auch sie suchten nach einem Plätzchen zum Weiterfeiern. Alle tauschten sich aus, und es gab nur eine Lösung: Zurück zum Hotel und die Party dort steigen lassen.

Als der Konvoi ankam, wurde klar: Die Bar war schon geschlossen! Egal, wie sehr der Champion und der Vizeweltmeister auf den Hoteldirektor einredeten, sie wieder zu öffnen - sie blieb dicht. Plan B: Jeder sollte auf sein Zimmer gehen, die Minibar ausräumen und sein Hab und Gut nach unten bringen. Schnell füllte sich ein großer Marmortisch an der Rezeption mit Dutzenden kleinen Wodka-, Whisky- und Gin-Fläschchen. Die improvisierte Party konnte beginnen.

Bar geschlossen? Villeneuve und Schumacher nötigten Hoteldirektor

Als die Dinge etwas aus dem Ruder liefen, überlegte es sich der Hoteldirektor anders und öffnete die Bar doch noch. Weil kein Personal mehr da war, übernahmen Villeneuve und Schumacher die Rolle der Barkeeper. Der Deutsche bekam von dem Journalisten eine der gelben Perücken. "Wir waren 20 Leute und so laut, dass man uns doch noch die Schlüssel zur Bar überließ. Es hieß, es sei schon in Ordnung, wir sollten es uns einfach gutgehen lassen", lacht Villeneuve. "Irgendwer muss das doch bezahlt haben!" Aus der improvisierten Fete wurde eine echte Party.

 

Renault-Teams 1997: Williams und Benetton
Renualt feierte seinen Abschied aus der Formel 1, doch es war schnell Zapfenstreich.

Foto LAT Images

 

Irvine holte sich eine Gitarre aus seinem Zimmer und zupfte ein paar Klänge - das Intro von Pink Floyds Song "Wish You Were Here". Mehr hatte er nicht drauf. Schumachers Physiotherapeut drehte einen Kasten um, um Bongo zu spielen. Hinter der Bar lachte der beschwipste Schumacher nur noch und wollte Small-Talk mit dem etwas widerwilligen Villeneuve machen. Es war außergewöhnlich - deshalb, weil sie sich auf der Strecke so hart bekämpft hatten und sich die Kontroverse noch immer zusammenbraute. "Es war total merkwürdig, aber es gab einen Grund", sagt Villeneuve.

Den Unfall erwähnte Schumacher mit keinem Wort. "Es drehte sich darum, den Abend zu genießen und Barkeeper zu sein, allen Drinks zu servieren. Es hat Spaß gemacht. Wir haben unsere Rollen gemimt, wir waren Schauspieler. Sicher hatte ein Teil von ihm seinen Spaß, weil er es genoss, eine Nacht durchzumachen", erinnert sich Villeneuve und vergleicht die Party mit der entspannten Feier, die es im Vorjahr mit Damon Hill gegeben hatte. "Ich fand es in dem Moment cool, weil ich es genauso gemacht hätte: 'Okay, du hast mich geschlagen.' Ich ahnte nicht, was danach kommen sollte."

Böses Erwachen: Fotos in einer deutschen Zeitung

Als nach und nach alle müde wurden und zu Bett gingen, waren noch vier Leute im Raum. Villeneuve, der Journalist und zwei Freunde der Familie Schumacher - solange, bis im Hotelrestaurant das Frühstück serviert wurde. Der neue Weltmeister musste um acht Uhr morgens zu einem Sponsorenevent und TV-Interviews führen, ohne nur eine Minute geschlafen zu haben. "Die Aufzeichnung war hart. Aber mit dem Elan eines gewonnenen Titels lässt sich eine Nacht ohne Schlaf aushalten", so Villeneuve. "Ich war 26 Jahre alt. Heute ginge es nicht mehr, ich wäre um Mitternacht im Bett."

Einige Tage später - als es politisch über Schumacher hereinbrach - tauchten Bilder der Hotelparty in einer deutschen Zeitung auf. Sie zeigten ihn und Villeneuve offensichtlich ausgelassen hinter der Bar, als wäre Stunden zuvor nichts gewesen. Es hatte sich nur eine Kamera im Raum befunden und sie gehörte einem engen Vertrauten Schumachers. Villeneuve schloss daraus, dass die Fotos weitergegeben wurden, um Schumacher in einem guten Licht erscheinen zu lassen. "Es ist seine Masche, Fotos zu schießen zu lassen und die Dinge so ins Lot zu bringen", resümiert er 20 Jahre später.

 

Jacques Villeneuve, Sky Italia
Jacques Villeneuve heute: Die Foto-Affäre von 1997 markierte den Bruch mit Michael Schumacher.

Foto Sutton Images

 

Villeneuve weiter: "Seine Version der Geschichte war: 'Es zeigt, dass ich im Rennen nichts Böses getan habe. Schaut alle her, wir sind Freunde!' Deswegen war ich stinksauer. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet." Sollte alles tatsächlich eine PR-Aktion gewesen sein, hatte sie nur bedingt Erfolg. Nach einer FIA-Anhörung wurde Schumacher der zweite Platz in der WM-Gesamtwertung aberkannt. Eine Strafe, die in Wahrheit absolut nichtig war. Aber immerhin gab es eine Strafe.

Was mit Jock Clear ist, weiß man nicht, aber der Journalist hat noch immer seine "1997 World Champion"-Kappe. Jahrelang spielte er mit dem Gedanken, Michael Schumacher darum zu bitten, sie zu signieren, fürchtete aber, dass der Rekord-Weltmeister sie nicht gerne wiedersehen und sie ihm nicht zurückgeben würde. Villeneuve, der mittlerweile wieder blondierte Haare hat, kann nicht glauben, dass alles 20 Jahre zurückliegt. "Verrückt, dass Erinnerung nicht altert. Es könnte gestern gewesen sein. Ich weiß, dass es nicht so ist, weil ich heute nicht mit einem Kater aufgewacht bin.

 

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