Neue Ansätze: Wie die Formel 1 die Kurve kriegt
Der frühere Formel-1-Pilot Stefan Johansson erklärt, was er an der Rennserie verändern würde, um den Grand-Prix-Sport wieder attraktiv und vor allem zukunftsfähig zu machen. Und er hat einige interessante Ansätze.
Start: Lewis Hamilton, Mercedes AMG F1 W06, in Führung
Autodromo Nazionale Monza / Actualfoto / Alessio Morgese
Zum Beispiel würde er den aerodynamischen Abtrieb, den die aktuellen Fahrzeuge generieren, auf etwa die Hälfte zusammenstutzen. Und das würde gleich mehrere Vorteile mit sich bringen, wie Johansson erklärt.
„Einerseits sinken die Kurvengeschwindigkeiten. Das heißt, der Fahrer ist wieder mehr gefordert und muss das Auto mit Gasstößen und durch Lenkbewegungen stabilisieren.“
„Weniger Abtrieb bedeutet aber auch: Die Topspeeds auf den Geraden werden höher. Dadurch“, so der Schwede, „verlängern sich die Bremszonen, was theoretisch mehr Raum für Überholversuche bietet.“ Dieser Effekt ließe sich mit 1.200-PS-Motoren noch verstärken, wie er meint.
Zusätzlich würde Johansson, der zwischen 1980 und 1991 insgesamt 79 Formel-1-Rennen bestritt und dabei zwölf Podestplätze erzielte, einen einheitlichen Frontflügel vorschreiben und damit dem endlosen Entwicklungsstückwerk der Teams einen Riegel vorschieben.
Johansson fordert größere Reifen und einen Reifenkrieg
Doch dabei will es der frühere Rennfahrer nicht belassen, sondern nimmt auch die Reifenhersteller in die Pflicht: Als Sofortmaßnahme würde Johansson breitere und größere Reifen einführen.
„Außerdem sollten die Felgen größer sein“, sagt Johansson. „Die Reifen sollten insgesamt moderner aussehen, sodass sie auch eine gewisse Relevanz für das aktuelle Automobil-Design aufzeigen.“
Und apropos Reifen: „Es sollten weitere Reifenhersteller zugelassen werden. Das ist der schnellste und vor allem günstigste Weg, die Rundenzeiten zu senken.“
Überhaupt müsse der Automobil-Weltverband (FIA) dafür sorgen, dass die Kosten für Formel-1-Testfahrten geringer werden, sodass die Rennställe mehr Streckenzeit erhalten und weniger Geld für Simulationsanlagen ausgeben müssen.
„Das käme allen Beteiligten zugute“, meint Johansson. „Und natürlich auch den Fans.“ Denn mehr Testtage würden schließlich mehr Gelegenheiten bieten, Formel-1-Autos in Aktion zu erleben.“
Weniger Fahrhilfen, mehr Fahrkönnen!
Zugleich würde Johansson während eines Rennwochenendes die Kommunikation zwischen Teamzentrale und Rennstrecke unterbinden, sodass im Workshop nicht Dutzende Ingenieure vor den Bildschirmen sitzen, um Daten zu analysieren und Strategien zu erarbeiten.
Parallel dazu wäre Johansson viel daran gelegen, sämtliche Fahrhilfen zu verbieten. „Dadurch vergrößert sich der Unterschied zwischen guten und durchschnittlichen Piloten“, wie er meint. „Die Teams wären wieder gezwungen, die besten Fahrer unter Vertrag zu nehmen.“
Und die müssten in der „Formel Johansson“ auch weitaus weniger Knöpfchen drücken als bisher. Denn das Drag-Reduction-System (DRS) würde wegfallen. „Ein einfaches Push-to-Pass-System reicht“, sagt Johansson.
„Die IndyCars nutzen dergleichen bereits und dort funktioniert es gut. Außerdem lässt es sich auch zur Verteidigung einsetzen – anders als DRS.“
Die Formel 1 würde durch einen solchen Schritt „weniger künstlich“ wirken, sagt Johansson, dem auch Änderungen beim Boxenstopp vorschweben: „Ich würde beispielsweise nur einen Mechaniker pro Rad zulassen.“
„Es ist zwar spannend, einen 2,5-Sekunden-Reifenwechsel zu sehen, aber danach sieht jeder Boxenstopp aus wie der andere. Es ist Einheitsbrei. Und dieser Einheitsbrei verbessert weder das Racing noch die Show. Bei längeren Boxenstopps gäbe es hingegen größere Unterschiede.“
Fahrfehler sollen wieder bestraft werden
Weniger Varianz hingegen fordert Johansson von der Rennleitung: „Es muss aufhören, dass bei jedem Rennen ein anderer Fahrer als Berater dabei ist. Eine Person soll zu jedem Rennen fahren.“ Davon verspreche er sich mehr Konstanz bei den Entscheidungen.
Und zu guter Letzt schießt Johansson noch gegen die modernen Formel-1-Rennstrecken. Sein Credo: „Fahrfehler sollten wieder bestraft werden.“
Johansson schlägt vor, direkt hinter den Randstreifen keinen Kunstrasen zu verlegen, sondern eine Ladung Sand hinzukippen. Dahinter könnten die inzwischen üblichen Asphaltstreifen folgen. Denn nach einer Fahrt durch den Sand wären die Reifen so dreckig, dass sich Abkürzen in jedem Fall rächen würde.
„Es ist doch ein Witz, wie die Fahrer auf jedem Kurs über die Streckenbegrenzung hinausfahren“, sagt Johansson. „Die Rundenzeiten gehen Hand in Hand damit, wie streng die Rennleitung solche Vergehen ahndet oder eben nicht ahndet.“
Und wie will Johansson all diese Vorschläge in die Tat umsetzen? „Indem die Teams kein Mitspracherecht beim Reglement haben“, wie er meint. „Die Rennställe haben wiederholt aufgezeigt, dass sie sich auf nichts einigen können. Demokratie funktioniert nicht im Rennsport.“
„Die Sportbehörde sollte ein kompetentes und konstant besetztes Team installieren, das die Regeln festlegt. Und wenn die Teams mitspielen wollen, dann müssen sie sich an diese Regeln halten.“
Das Ziel müsse sein, bei den Zuschauern wieder „eine Leidenschaft“ für den Sport zu wecken – und für ihre „Helden, die sich in superschnellen Monsterautos duellieren“, meint Johansson. Ob seine Ansichten Gehör finden werden?
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