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Interview

Toto Wolff exklusiv: "Für mich gibt's nur Neubauer und Haug"

Unser Rückblick auf das Formel-1-Jahr 2017 geht mit dem heutigen Tag zu Ende, und es könnte keinen angemesseneren Schlusspunkt geben als ein exklusives Interview mit Weltmeister-Teamchef Toto Wolff. Der Mercedes-Sportdirektor hatte seit Abu Dhabi ein wenig Zeit, die vergangene Saison Revue passieren zu lassen, und zieht im Interview mit 'Motorsport.com' Bilanz.

Toto Wolff, Executive Director Mercedes AMG F1

Toto Wolff, Executive Director Mercedes AMG F1

Steve Etherington / Motorsport Images

Seit 2014 hat Mercedes unter Wolffs Führung ununterbrochen die Formel-1-WM dominiert, mit vier WM-Titeln hintereinander - sowohl bei den Fahrern als auch bei den Konstrukteuren. Eine Siegesserie, wie sie in der Geschichte der Formel 1 zwar nicht einmalig, aber doch äußerst selten ist. McLaren gelang von 1988 bis 1991 das gleiche Kunststück, Red Bull schaffte es von 2010 bis 2013; und Ferrari holte von 2000 bis 2004 sogar fünf WM-Doubles hintereinander.

Wolff reiht sich somit ein in die Riege der großen Mercedes-Chefs, mit denen er sich aber selbst nie gleichstellen würde. Ganz im Gegenteil: In unserem Interview lässt er großen Respekt für seine Vorgänger Ross Brawn und Norbert Haug durchblicken. Und vergleicht letzteren sogar mit dem legendären Silberpfeil-Rennleiter Alfred Neubauer ...

Frage: "Herr Wolff, wie haben Sie die Weihnachtsfeiertage verbracht?"
Toto Wolff: "Sehr schön. Es ist nett, mal ein paar besinnliche Tage mit der Familie zu verbringen. Zwischendurch war ich beim Skifahren. Das war auch super, mal an der frischen Luft frische Energie zu tanken."

 

Susie Wolff, Toto Wolff
Susie und Toto Wolff: Die Weihnachtsfeiertage verbrachte die Familie gemeinsam.

Foto FIA

 

Frage: "Sicher hatten Sie seit Abu Dhabi weiterhin Terminstress. Blieb dazwischen auch mal Zeit, in einer ruhigen Minute zu reflektieren, was man da eigentlich erreicht hat?"
Wolff: "Ich habe immer wieder versucht, darüber nachzudenken, wie das Jahr gelaufen ist. Vor allem auf Langstreckenflügen hat man immer wieder Gelegenheit, darüber zu reflektieren. Aber immer vor dem Hintergrund, warum es gut gegangen ist und warum es manchmal nicht gut gegangen ist, um das System weiter zu optimieren und an den Defiziten und Schwächen zu arbeiten."

"Gerade der Bereich unter der Spitze des Eisbergs, den man nicht sieht, die gesamte Fabrik und Organisation, der 80 Prozent der Performance ausmacht, ist wichtig. Und da müssen wir drüber nachdenken, wie wir uns im nächsten Jahr noch besser aufstellen können. Das ist Bestandteil meines Jobs. Wenn die Rennen laufen, ist es sehr schwierig, sich am Montag wieder in die echte Welt zurückzuholen und da aktiv zu sein. Aber im Dezember, Januar und Februar ist dafür etwas mehr Zeit."

Frage: "Mercedes hat viermal hintereinander das WM-Double gewonnen. Ferraris goldene Ära waren fünf Doppeltitel. Das, was gerade passiert, hat historischen Kontext. Dabei kommt es einem wie gestern vor, dass Mercedes 2014 mit Einführung der Hybridformel angefangen hat zu gewinnen ..."
Wolff: "Ganz schwierig. Ich bin mittendrin und erlebe das und sehe das. Auch wenn Sie mir das so sagen, fällt es mir schwer, dem einen Stellenwert zu geben. Ich neige dazu, das alles etwas kritischer zu sehen, als man es von außen sieht."

 

 

"Bei mir kommen Überlegungen hoch, ob die Formel 1 noch genauso umkämpft ist wie in der Vergangenheit. Und ich bin noch mittendrin in diesem Job und nicht zurückgetreten. Daher frage ich mich lieber, was ich nächstes Jahr besser machen muss."

"Ich wünsche mir für mich selbst, dass ich vielleicht irgendwann, wenn ich diesen Job nicht mehr mache, sagen kann: 'Wir haben Rekorde geschlagen, und was war eine außergewöhnliche Ära, und wir haben angeschlossen an das, was Mercedes in den 30er- oder in den 50er-Jahren erreicht hat, oder was bei Ferrari passiert ist.' Ein Teil davon zu sein, macht mich natürlich stolz. Aber im Moment spüre ich das noch nicht so."

Frage: "Für Sie waren es auch turbulente Jahre. Sie haben die Kolles-Affäre überstanden, viel Kritik, dass Sie den Erfolg nur von Ross Brawn geerbt und dem überlegenen Motor zu verdanken haben. Aber 2017 gab es ein komplett neues Reglement, und Sie mussten ohne Paddy Lowe auskommen. Und trotzdem gewinnen Sie weiter. Kommt da auch mal Genugtuung auf, oder gönnen Sie sich diesen Luxus nicht?"
Wolff: "Du bist immer nur so gut wie dein letztes Ergebnis. Das muss dir klar sein."

"Wenn es mal nicht läuft, kommen sofort die Rufe: 'Die Ära ist zu Ende, Diskussion um das Management.' Und so weiter. Dessen bin ich mir bewusst. Das ist Teil meiner Rolle. Genauso, wie du schnell hochgeschrieben wirst, bist du auch schnell wieder weg vom Fenster."

 

Ross Brawn, Managing Director of Motorsports, FOM, attends a press conference with representatives of DHL
Dass Ross Brawn in seinem Buch Kritik übte, hat Toto Wolff ihm verziehen.

Foto Sam Bloxham / LAT Images

 

"Die Rufe, die es immer wieder gab, wer welche Rolle gespielt hat, sind etwas, was ich akzeptiere. Allerdings: Wenn so etwas gesagt wird, versteht derjenige nicht, wie ein Formel-1-Team funktioniert. Der Erfolg eines Formel-1-Teams ist nicht der Erfolg eines einzelnen - nicht von mir und nicht von Niki (Lauda), auch nicht von Ross (Brawn) oder Norbert (Haug; Anm. d. Red.) -, sondern ist vielmehr die Summe der Leute, die zusammenarbeiten. Denen müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, damit sie erfolgreich sind."

"Die letzten Jahre sind ein guter Beweis dafür, dass die Basis im Team so breit ist, dass, auch wenn es Änderungen im Topmanagement gibt, diese weggesteckt werden können. Oder sogar der Weiterentwicklung des Teams helfen."

Frage: "Pflegen Sie noch Kontakt zur Führungsriege der Vor-Wolff-Ära rund um Personen wie Ross Brawn, Norbert Haug oder Wolfgang Schattling?"
Wolff: "Ross sehen wir in seiner neuen Funktion regelmäßig. Das Verhältnis ist intakt. Er steht jetzt auf der anderen Seite und hat natürlich andere Interessen als wir im Team. Aber da herrscht ein respektvoller Umgang."

Frage: "Obwohl er in seinem Buch Ihnen gegenüber sehr kritisch war?"
Wolff: "Ja. Ich kann das verstehen. Plötzlich gibt's zwei neue Shareholder, die auch Einfluss haben. Wir haben Ross angeboten, Teamchef zu bleiben, aber das war letztendlich etwas, was er aus den Gründen, die er genannt hat, nicht wollte. Es war mit Sicherheit für ihn nicht einfach und hat zur Frustration beigetragen. Das ist einfach zu akzeptieren, dass er das so gesehen hat. Aber wir haben das einigermaßen aufgearbeitet zwischen uns und haben festgestellt, dass wir damals einfach in anderen Situationen waren. Gleichzeitig erkenne ich seinen Anteil an den Erfolgen an, die das Team nachher gefeiert hat."

 

Mercedes-Sportchef Norbert Haug
Norbert Haug war in Wolffs ersten Tagen als Sportchef ein wichtiger Ratgeber.

Foto Nikki Reynolds

 

"Das betrifft Norbert genauso, der das Thema Formel 1 und Motorsport im Haus Mercedes-Benz über 22 Jahre hochgehalten hat. Für mich war zu der Zeit Mercedes-Benz Motorsport Norbert Haug. Mit großartigen Erfolgen bei McLaren-Mercedes und in der DTM. Und am Ende des Tages war er auch maßgeblich involviert in die Entscheidung, dieses Team zu kaufen. Und dadurch ein wichtiger Bestandteil unserer Erfolge heute."

"Mit Norbert habe ich in der ersten Zeit schon sehr regelmäßig Kontakt gehabt, um mir Tipps zu holen oder seine Meinungen zu vergangenen Entscheidungen zu holen, wo er am Tisch gesessen ist. Das ist in den letzten Jahren ein bisschen weniger geworden. Wir sehen uns bei der DTM und trinken auch mal ein Glas Wein zusammen."

"Er ist jemand, der in der Geschichte von Mercedes-Benz Motorsport eine unheimlich wichtige Rolle gespielt hat. Für mich gibt's nur Neubauer und Haug. Wir wären nicht, wo wir heute sind, und ich wäre nicht, wo ich heute bin, wenn es Norbert nicht gegeben hätte und die Entscheidungen, die er getroffen hat. Alle, die damals dazugehört haben, zum Beispiel Wolfgang Schattling, den ich noch regelmäßig bei Rennen treffe, waren wichtig. Jeder hat dazu beigetragen."

Frage: "Sie sagen, Sie haben das Verhältnis zu Ross Brawn aufgearbeitet. In einem Küchengespräch, so ähnlich wie mit Lewis Hamilton, oder was müssen wir uns unter 'aufgearbeitet' konkret vorstellen?"
Wolff: "Wir hatten eine Zeit lang keinen Kontakt, und dann wieder ein bisschen mehr. Ross und seine Wertvorstellungen sind etwas, was ich auch auf mich beziehen kann. Ich habe von Ross in Sachen Persönlichkeitsbildung und reflektiertes Management eines Formel-1-Teams viel gelernt. Die Werte, für die er steht, sind mir auch sehr wichtig. Deswegen kommen wir auch privat mit Ross, seiner Frau Jean und seiner Tochter Helen sehr gut aus."

 

 

Frage: "Wir haben viele der besonderen Momente für Sie im TV miterlebt: Erfolge wie den WM-Titel, die Kollision in Baku, die Teamstrategie in Ungarn. Gab es besondere Momente hinter den Kulissen, die Ihnen in den Sinn kommen, wenn Sie an 2017 denken?"
Wolff: "Natürlich gibt es hinter den Kulissen immer wieder solche Momente, aber mit dem investigativen Journalismus von Motorsport-Total.com gibt es kaum noch etwas, worüber nicht schon berichtet wurde ..."

Frage: "Danke für die Blumen, aber das nehme ich Ihnen nicht ab!"
Wolff: "Ich meine das so!"

Frage: "Anderes Thema. Paddy Lowe ist weg. Ins 2017er-Auto war er noch stark involviert. Haben Sie das Gefühl, dass das über die Breite des Teams abgefedert werden kann, oder könnte sich das erst 2018 bemerkbar machen?"
Wolff: "Es gilt, was ich vorhin gesagt habe: Es ist die Breite des Teams, die für den Erfolg verantwortlich ist. Die Haltbarkeit hatte sehr großen Einfluss auf den Erfolg. Das Team, das wir da aufgesetzt haben, hat gute Arbeit geleistet. Paddy hat tolle Qualitäten, aber James Allison zu holen, war die beste Entscheidung, die wir hätten treffen können."

Frage: "Es gab 2017 Kritik von Cyril Abiteboul, dass Mercedes seine Mitarbeiter so an sich bindet, dass es für andere Teams sehr schwierig ist, sie abzuwerben. Nicht illegal übrigens. Finden Sie daran etwas Unmoralisches - oder sagen Sie, dass Mercedes da einfach cleverer war als die anderen?"
Wolff: "Ich kann mich mit Cyril herrlich streiten ..."

Frage: "Da haben Sie zumindest etwas mit Helmut Marko gemein!"
Wolff: "Genau (lacht; Anm. d. Red.)! Ich kann mich auch mit Helmut sehr gut streiten. Es geht einfach darum, die wichtigen Teile der Organisation zusammenzuhalten, um Stabilität sicherzustellen. In dem Fall ging's um einen Mitarbeiter, der gerade einen neuen Vertrag unterzeichnet hat und den sich Renault gewünscht hätte. Das war in dem Fall nicht möglich, weil ein Ersatz gefehlt hat."

 

Niki Lauda und Toto Wolff, Mercedes-Motorsportchef
Von Niki Laudas Rücktritt als TV-Experte bei RTL wusste Wolff im Vorfeld nichts.

Foto Sutton Images

 

Frage: "Der letzte große Knall des Jahres 2017 war Niki Laudas Rücktritt als RTL-Experte. Haben Sie vorher davon gewusst?"
Wolff: "Nein. Ich habe gewusst, dass Niki nicht ganz glücklich ist mit der Situation. Er ist ziemlich radikal, wenn er so eine Entscheidung trifft - das passiert bei ihm relativ spontan. Deshalb habe auch ich es nicht gewusst."

Frage: "Begrüßen Sie, dass er jetzt mehr Zeit für das Team hat, oder bedauern Sie es, weil er jetzt noch früher von den Rennen wegfliegen wird und Sie dadurch noch mehr Zeitdruck haben, wenn Sie mitfliegen wollen?"
Wolff: "(lacht; Anm. d. Red.) Nein, das macht überhaupt keinen Unterschied. Niki ist in seiner Rolle ein wichtiger Bestandteil des Teams. Das war er mit RTL, und das wird er auch ohne RTL sein."

Frage: "Wie weit sind Sie mit dem Auto für 2018? Haben Sie schon ein Design gesehen, und wenn ja, inwieweit sieht es anders aus als 2017? Halo mal ausgeblendet."
Wolff: "Wir sind nicht mehr weit weg von der Launch-Spec, weil es viel Vorlauf hat bei den Teilen. Es gibt keine großen Änderungen, wie die Autos aussehen, weil das Reglement gleich geblieben ist. Der T-Wing verschwindet, die Finnen werden etwas kleiner. Aber es ist nicht so, dass es dramatische Veränderungen gibt."

 

 

Frage: "Es gibt also keine 'Hammerhai-Nase' oder ähnliche technische Innovationen?"
Wolff: "Es kann schon sein, dass die eine oder andere interessante Innovation am Auto ist. Aber es ist nicht so, wie es von 2016 auf 2017 passiert ist, dass die Autos völlig anders ausschauen."

Frage: "Haben Sie schon eine Idee, wo die Reise des Pascal Wehrlein hingeht?"

Wolff: "Pascal verdient auf jeden Fall einen Platz in der Formel 1. Er ist sicher einer von den schnellsten Jungen. Im Moment sieht es ein bisschen bitter aus, was die verfügbaren Fahrerplätze betrifft. Aber er wird auf jeden Fall bei uns im Team eine Rolle haben. Das hängt davon ab, ob er aktiv an einer anderen Rennserie als der Formel 1 teilnimmt oder nicht. Er wird auf jeden Fall Teil unseres Kaders bleiben."

Frage: "Ihr zweiter Junior, Esteban Ocon, könnte 2019 reif für ein Mercedes-Cockpit sein, wenn er sich weiter entwickelt wie bisher."
Wolff: "Esteban hat dieses Jahr gegen einen sehr starken Sergio Perez sehr gut performt. Im nächsten Jahr muss er den nächsten Schritt machen und diese Performance noch verbessern. Er ist unheimlich konstant, macht wenig Fehler und hat dabei einen großen Speed. Im nächsten Jahr muss er sich in der Hinsicht noch weiterentwickeln und Perez outperformen. Und was uns noch stört, sind diese Intra-Team-Rivalitäten, die mit zwei beschädigten Autos enden. Das betrifft nicht nur Esteban, sondern auch 'Checo'. Als Teamchef nervt mich so etwas total."

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