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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Die Hintergründe zum Williams-Drama: Wie ein Familienstreit zur Zerrissenheit des Teams beiträgt und was wirklich hinter Paddy Lowes Beurlaubung steckt

Claire Williams, Williams Deputy Team Principal

Foto: : Jean Petin / Motorsport Images

Liebe Leser,

Sie merken schon: Meine Kolumne ist "umgezogen"! Das wird 2019 auch so bleiben. Hier bei de.motorsport.com gibt's dieses Jahr jeweils am Montagmorgen nachzulesen, wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat. Die Schwesterkolumne "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat" (heute: Valtteri Bottas) präsentieren wir dafür auf Formel1.de und Motorsport-Total.com.

Aber kommen wir zum Punkt. Es gibt ein paar Kandidaten, die nach dem Saisonauftakt in Melbourne eine schlaflose Nacht gehabt haben könnten. Esteban Ocon fällt einem da ein, der das Gefühl gehabt haben muss, für die Saison 2020 mit einem Bein schon ins Mercedes-Cockpit einzusteigen. Was nach Bottas' Sternstunde sicher nicht einfacher geworden ist.

Es war interessant zu beobachten, wie Ocon bei der Zieldurchfahrt seines Teamkollegen anständig, aber doch etwas zaghaft applaudierte. Und wie er dann, fast wie zum Trost, beim Siegerfoto den Mercedes-Stern halten durfte.

Es ist ein Luxusproblem, das Toto Wolff auf der Fahrerseite hat, wenn plötzlich auch Bottas Rennen gewinnt - und ein potenzieller Weltmeister der Zukunft auf der Ersatzbank sitzt.

Oder Pierre Gasly, der als einziger der sechs Fahrer aus den Topteams weder im Qualifying noch im Rennen den Sprung in die Top 10 geschafft hat. Christian Horner hält seine schützende Hand über den Franzosen. Noch. Aber wer Helmut Marko kennt, der weiß, dass Gasly schnell auf Touren kommen muss. Daniil Kwjat kann ein Liedchen davon singen.

Charles Leclerc hatte sich auch, das konnte man spüren, mehr erwartet. Viele Experten haben ihm zugetraut, dass er gleich beim ersten Grand Prix Sebastian Vettel schlägt. Für einen so jungen Newcomer eigentlich eine völlig überzogene Erwartungshaltung. Leclerc hat sich davon möglicherweise anstecken lassen.

Leclerc: Vettel muss sich warm anziehen!

Dass er nach einer alles in allem trotzdem ordentlichen Vorstellung beim Ferrari-Debüt so selbstkritisch ist, spricht dafür, dass da keine Nummer 1b kommt, sondern einer, der Weltmeister werden will. Am liebsten schon 2019. Ich bleibe dabei: Sebastian Vettel muss sich warm anziehen.

Und dann ist da natürlich Claire Williams. Es ist ein Drama, das sich beim einstigen Erfolgsteam aus Grove gerade abspielt. Mir tut das auch persönlich weh. Es schickt sich nicht für einen Journalisten, sich von persönlicher Begeisterung leiten zu lassen. Aber ich muss zugeben, dass ich in die Story rund um das Comeback von Robert Kubica regelrecht verliebt bin.

Kubica ist der Mann für die großen Geschichten. In Kanada hat er 2007 einen der schwersten Formel-1-Unfälle aller Zeiten überlebt. Nur um das Rennen ein Jahr später zu gewinnen. Und acht Jahre nach seinem Rallye-Crash steht er tatsächlich wieder in der Startaufstellung. Es ist ein modernes Märchen des Sports. Aber leider eins ohne Happy End.

Robert Kubica und Daniel Ricciardo, Melbourne 2019

Robert Kubica und Daniel Ricciardo, Melbourne 2019

Foto: Jerry Andre / Sutton Images

Denn der Traum, mit Williams aufs Podium zu fahren, der ist weit, weit weg. Was zum Teil an Kubica liegt. Er ist - und das ist angesichts seiner körperlichen Einschränkungen kein Wunder - nicht mehr ganz der Alte. Aber auch George Russell steht mit dem FW42 in der letzten Startreihe. Abgeschlagen.

Williams, so haben wir das am Melbourne-Wochenende geschrieben, ist das neue Minardi der Formel 1. Und das hat einen Grund.

Ralf Schumacher, der neue Experte bei Sky, hat am Sonntag die Vermutung geäußert, dass das Team nicht mehr zeitgemäß geführt wird. Zu technikorientiert, an den Menschen vorbei. Das sei schon früher, unter Frank Williams und Patrick Head, so gewesen. Und Claire habe es dann wohl von ihrem Vater gelernt.

Es ist nicht alles Claires Schuld

Eine Theorie, die ich nicht ganz teile. Frank Williams und Patrick Head waren "Hands-on"-Racer. Frank hat das Team noch im Alleingang geführt, Head konnte ein Auto selbst konstruieren. So war das in den 70er- und 80er-Jahren.

Claire kann beides nicht. Das ist nicht nur ihre Schuld. Anno 2019 gibt es nicht mehr einen Teamchef, der in allen Abteilungen genau weiß, was los ist. Und ein Formel-1-Auto wird schon lange von einer Armada an Ingenieuren gebaut und nicht mehr von einem Technischen Direktor.

Trotzdem läuft da was falsch bei Williams. Das Geld ist die eine Sache. Hauptsponsor Martini hat sich zurückgezogen, und durch den Absturz in der Konstrukteurs-WM sitzen die FOM-Millionen (trotz "Heritage-Bonus") nicht mehr so locker wie früher.

Aber das Geld ist nicht die Ursache, sondern ein Symptom.

Man hört besorgniserregende Nachrichten, wenn man mit Personen aus dem Williams-Umfeld spricht. Dass die Stimmung in der Fabrik so am Tiefpunkt ist, dass die Mitarbeiter nicht mehr bereit sind, die "Extra-Meile" zu gehen. Ein Formel-1-Team ohne Überstunden ist undenkbar. Gerade in einer Zeit, in der eigentlich alle Notfallprozesse anlaufen müssten, um die Saison noch irgendwie zu retten.

Es geht übrigens nicht nur um die Saison 2019. Die kann Williams ohnehin abschreiben. Es geht um die Existenz eines der größten Namen der Formel-1-Geschichte. Und da ist gerade richtig Feuer am Dach.

"The buck stops with me"

Zu beurteilen, ob Claire Williams selbst dafür verantwortlich ist, was sich hinter den Kulissen abspielt, steht mir nicht zu. Sicher hat sie nicht alles verbrochen, was zur Krise geführt hat. Aber in der knallharten Welt der Formel 1 steht nun mal der Chef in der Verantwortung - auch für das, was seine Mitarbeiter nicht leisten. "The buck stops with me", sagt Zak Brown in der Netflix-Dokuserie "Drive to Survive". Das könnte man treffender nicht formulieren.

Viele stören sich am Führungsstil von Claire Williams. Im testosteronlastigen Formel-1-Paddock gibt es Stimmen, die sagen, dass eine Frau kein Formel-1-Team führen kann. Und es wird kritisiert, dass sich Claire von einem Mitarbeiter den Kinderwagen durchs Fahrerlager schieben hat lassen.

Jonathan Williams (rechts)

Jonathan Williams (rechts)

Was für ein Unsinn! Wir schreiben das Jahr 2019. Geschlecht und Mutter sein haben meiner Meinung nach nichts mit Kompetenz zu tun.

Was freilich im Umkehrschluss nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass Claire Williams die Richtige für den Job ist. Viele sehen das anders. Bernie Ecclestone, so hört man, soll 2018 angeboten haben, eine komplett neue Führung zu installieren. Für Frank Williams hatte er immer schon mehr übrig als für andere Teamchefs. Bernie wollte ihm helfen. Weil sich Frank nicht mehr selbst helfen kann.

Hinter verschlossenen Türen wurde ein Masterplan geschmiedet. Es waren nur wenige Personen eingeweiht. Die Idee: Man installiert ein neues Management-Team - und platziert Jonathan Williams, Claires Bruder, als Frontmann. Williams, da ist sich Ecclestone sicher, kann nur mit einem Williams als Teamchef funktionieren. Aber eben nicht mit Claire.

Jonathan hat sich, so erzählt man, dagegen entschieden. Warum, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht wegen seines schwelenden Streits mit Claire. Er ist angeblich sauer, dass sie ihre Mutter solange bearbeitet hat, Frank dazu zu überreden, ihr die Leitung des Teams zu übertragen, bis dieser einwilligte. Während er selbst mit dem Job als "Hausmeister" (zugegeben despektierlich formuliert) für die "Heritage-Cars" abgespeist wurde.

Warum wurde Paddy Lowe beurlaubt?

Claire Williams ist nicht immer die nette Lady aus den TV-Interviews. Sie kann auch anders. Die Gerüchte, dass Paddy Lowe seinen Hut nehmen muss, sind nicht zufällig entstanden. Claire hat sie mit Kalkül gestreut. Weil Lowe dazu gebracht werden soll, von sich aus zu kündigen. Das hat er bisher nicht getan. Also wurde er beurlaubt. "Aus persönlichen Gründen", wie es offiziell heißt.

Tatsächlich steckt mehr dahinter. Lowe wurde einst mit dem Versprechen zu Williams manövriert, dass er auch Anteile am Team übernehmen kann. Ihn aus dieser Konstellation jetzt wieder zu entfernen, ist offenbar schwieriger als gedacht. Denn die Idee, selbst Teamchef zu werden und möglicherweise die Kontrolle zu übernehmen, ist natürlich eine verlockende. Falls er darauf überhaupt noch Lust hat.

Lowe hätte eigentlich, das wissen viele nicht, schon 2013 zu Williams kommen sollen. Berater Alexander Wurz kannte ihn aus der gemeinsamen McLaren-Zeit und empfahl ihn. Letztendlich schnappte Toto Wolff zu und engagierte Lowe für Mercedes. Wo er ab 2014 als Technischer Direktor einen Anteil an den Erfolgen des Teams hatte.

Wie das alles weitergeht? Möglicherweise gar nicht. Insider sind davon überzeugt, dass Williams erst nach dem Tod von Frank zu heilen ist. Hoffentlich ist es dann noch nicht zu spät!

Wenn Frank einmal nicht mehr ist, muss geklärt werden, welches der drei Williams-Kinder die Anteile erbt. Das läuft auf einen Machtkampf zwischen Claire und Jonathan hinaus. Denn der dritte Sohn, Jamie, lebt in London - und hat mit der Formel 1 nichts am Hut.

Er hat wahrscheinlich das schönste Leben der drei Williams-Kinder.

Christian Nimmervoll

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