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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Red Bull, eigentlich für seine tolle Nachwuchsförderung bekannt, ist zur One-Man-Show verkommen: Warum nicht jetzt mal was anderes machen und Fernando Alonso anrufen?

Helmut Markko, Consultant, Red Bull Racing, with Pierre Gasly, Red Bull Racing

Helmut Markko, Consultant, Red Bull Racing, with Pierre Gasly, Red Bull Racing

Jerry Andre / Motorsport Images

Liebe LeserInnen,

aus deutscher Sicht war das kein besonders erfreulicher Rennsonntag. Sebastian Vettel hat sich in Le Castellet wohl seiner letzten WM-Chancen entledigt. "Wunder fragen nicht", singen zwar die Sportfreunde Stiller. "Erst kommen sie nicht, dann überfallen sie dich." Aber selbst wenn so ein "Überfall" 2019 noch stattfinden sollte: Er käme für Ferrari bereits zu spät.

Und auch Nico Hülkenberg hat schon bessere Tage erlebt. Zwar weist ihn das Endergebnis vor Daniel Ricciardo aus, aufgrund dessen doppelter Zeitstrafe (die übrigens auch genauso gut Gegenstand dieser Kolumne sein könnte) er auf P8 aufgerückt und Ricciardo aus den Punkten gefallen ist.

Aber der Trend der letzten Wochen ist: Ricciardo findet sich im Renault immer besser zurecht - und der "Hülk" muss aufpassen, dass er nach vielversprechendem Saisonbeginn (zumindest aufs teaminterne Duell bezogen) nicht unter die Räder kommt.

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So saßen die einzigen deutschen Gewinner des Wochenendes diesmal auf der Tribüne: Torsten Biermann und Christoph Tooten hatten bei Motorsport Live Tickets für den Frankreich-Grand-Prix gewonnen, über unser Gewinnspiel im Formel-1-Podcast Starting Grid.

Und (die unter der Regie von Eric Boullier eingeführten Maßnahmen haben Wirkung gezeigt) sie verbrachten nicht mehr Zeit im Stau als an der Rennstrecke. Ein Fortschritt.

Das ist dann aber auch schon das einzig Positive, was man aus - und jetzt wechseln wir die Perspektive - französischer Sicht am gestrigen Grand Prix finden kann.

Renault: vom Kundenteam McLaren klar geschlagen, ein Auto bestraft, das andere auf Platz acht. Eigentlich stand im Fahrplan, in Hülkenbergs drittem Jahr zu den drei Topteams aufgeschlossen zu haben. Davon kann keine Rede sein. Man weiß nicht so recht, ob man sich für Hülkenberg freuen soll, dass in Sachen "Silly Season" alle Zeichen auf Vertragsverlängerung stehen.

 

Großartig: Günther Steiner wieder in Bestform!

Romain Grosjean: Selbst sein Teamchef Günther Steiner findet den Absturz von Haas inzwischen "bizarr". Der nie um klare Worte verlegene Südtiroler sagte am Sonntagabend: "Wir haben ein Auto, das im ersten Qualifying gut genug war für P7 und P8, das Sechster war in Monte Carlo - und plötzlich sind wir Vorletzter."

"Fragt mich nicht, was es ist. Ich weiß es nicht und kann es nicht beantworten. Das ist eine herbe Enttäuschung. Vor allem, weil wir es nicht verstehen. Das ist das Schlimmste daran."

Und natürlich - der Hauptdarsteller unserer heutigen Kolumne - Pierre Gasly: Der Franzose hat seinen erst achten Grand Prix für Red Bull Racing bestritten. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es mehr als 21 werden. Wenn er nicht schlecht geschlafen hat, dann kann das nur daran liegen, dass er sich am Abend genug Rosé reingezwitschert hat!

Gasly und Helmut Marko waren noch nie die besten Freunde. Bereits im September 2016 fühlte sich Gasly, damals gerade unterwegs zum Meistertitel in der GP2, bemüßigt, im spanischen Fernsehen seinen Formel-1-Einstieg bei Toro Rosso selbst zu verkünden, per Singapur anstelle des damals glücklosen Daniil Kwjat.

Stattdessen dauerte es bis Oktober 2017, dass er sein Grand-Prix-Debüt bestreiten durfte. Dazwischen wurde er nach Japan in die Super Formula verfrachtet. Eine Strafmaßnahme, um ihn zu erziehen, wie im Paddock gemunkelt wurde. Auch wenn Dr. Marko das sicher bestreiten würde.

Nach acht Rennwochenenden 2018 sprechen die Zahlen Bände: Gasly liegt im Qualifying-Duell gegen Max Verstappen mit 1:7 im Rückstand. Der Zeitabstand zwischen den beiden betrug im jeweils vergleichbaren Segment durchschnittlich 0,332 Sekunden. Das habe ich mir für diese Kolumne ausgerechnet.

0,3 Sekunden Abstand schmeicheln Gasly

Klingt nach weniger, als es eigentlich ist. Denn in Montreal verpasste Verstappen den Q3-Einzug wegen gelber Flaggen. Also kamen 0,604 Sekunden pro Gasly in die Wertung. Bis heute der einzige Duell-Sieg des Franzosen. Und für Baku gibt es keine direkte Vergleichszeit. Verstappen war dort in Q2 Schnellster. Gasly konnte keine gezeitete Runde drehen.

Auch die Fahrer-WM spricht eine deutliche Sprache: Verstappen war 2019 noch nie schlechter als Fünfter. Das ist ihm einmal "passiert", eben in Montreal. Gasly war noch nie besser als Fünfter. Er hat das nur einmal geschafft, nämlich in Monte Carlo. Bedeutet unterm Strich: 100:37 Punkte pro Verstappen.

Die Red-Bull-Granden haben Gasly lange in Schutz genommen. Seine schlechten Leistungen zu Saisonbeginn wurden auf den Testunfall im Winter in Barcelona geschoben. Dr. Marko hatte aufgrund der neuen Partnerschaft mit Honda offenbar ohnehin einen Kurs in Selbstbeherrschung belegt. Davon schien auch Gasly zu profitieren.

Aber langsam reißt der Geduldsfaden. Es sei "frustrierend", sagte Teamchef Christian Horner am Sonntagabend, nur ein Auto in den Punkten zu haben. Das ist noch keine Drohung, dass Gasly rausfliegen könnte. Aber man kann es als Wink in seine Richtung verstehen.

Red Bull ist 2019 zu einer reinen One-Man-Show verkommen. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass Verstappen in der Form seines Lebens fährt (was er sicher tut). Sondern auch damit, dass Gasly nicht das Zeug zum Champion hat.

Es sind die kleinen Dinge, die die Spreu vom Weizen trennen. Zum Beispiel die Geisteshaltung. Verstappen hat einmal erzählt, wie er Gasly im Vorjahr auf den Arm genommen hat. Weil der nicht wusste, ob er das Red-Bull-Cockpit bekommt.

"Vielleicht hast du ganz gute Chancen. Vielleicht ruft Helmut dich bald an", sagte Verstappen seinem Teamkollegen in spe, als er längst wusste, dass dieser den Zuschlag erhalten würde. Worauf Gasly ganz aufgeregt reagierte: "Max, what the fuck, was hat er gesagt?"

Verstappen wäre in der gleichen Situation nicht aufgeregt gewesen. Er hätte es als selbstverständlich empfunden, das Cockpit zu bekommen. Und anstatt am Telefon vor Aufregung fast in Schnappatmung zu verfallen und sich über den tollen Dienstwagen und die Gehaltserhöhung zu freuen, hätte er geschwiegen und geliefert.

 

Champion-Gen: Entweder man hat es, oder eben nicht ...

Gasly das jetzt vorzuwerfen, ist vielleicht ein bisschen unfair, zugegeben. Ihn nach acht Rennen so zu verreißen wahrscheinlich auch. Aber beim Champion-Gen ist es so: Entweder man hat es - oder man hat es nicht. Und wenn man es hat, dann hat man es sofort. Die Jenson Buttons dieser Welt, die im Spätherbst ihrer Karriere den Durchbruch schaffen und doch noch Weltmeister werden, sind selten.

Wer Helmut Marko ein bisschen kennt, der weiß, dass er am liebsten schon nach einem Nachfolger für Gasly suchen würde. Wahrscheinlich tut er das auch. Obwohl er mir am kommenden Wochenende in Spielberg etwas anderes erzählen wird.

Gaslys Glück ist: Anders als 2016, als Kwjat während der Saison abgeschossen wurde, hat Red Bull diesmal keinen Junioren zur Hand, den man sofort ins Cockpit setzen könnte. Kwjat wieder zu Red Bull zu befördern, wäre nach allem, was passiert ist, fast absurd. Und für Alexander Albon käme das trotz braver Leistungen noch zu früh.

Lucas Auer, der Neffe von Gerhard Berger, der seit dieser Saison ebenfalls Red-Bull-Junior ist, hat zwar gerade in der japanischen Super Formula (in der sich einst auch Gasly beweisen musste) seinen ersten Podestplatz geholt. Er liegt nach drei Rennen an sechster Stelle der Meisterschaft. Das ist ein Anfang, aber (noch?) keine Bewerbung für ein Formel-1-Cockpit.

Ebenso Dan Ticktum: Er ist in der Super Formula momentan 15. Ein achter Platz im ersten Rennen stellt bisher seinen einzigen Punktgewinn dar. Der Brite gilt als schnell, aber schwer erziehbar. Letzteres muss er ablegen. Ersteres in Japan beweisen.

Insgesamt zehn Junioren stehen bei Red Bull unter Vertrag. Darunter zum Beispiel Jack Doohan, der Sohn von Motorrad-Legende Mick Doohan. Oder der Japaner Yuki Tsunoda, der als Gefallen an Motorenpartner Honda gefördert wird. Patricio O'Ward hat noch mit am meisten Erfahrung. Er geht in der IndyCar-Serie an den Start. Bäume hat er noch keine ausgerissen.

Alonso, Hülkenberg, Wehrlein: Wer könnte statt Gasly?

Woher also einen neuen zweiten Fahrer nehmen und nicht stehlen? Ginge es um Toro Rosso, könnte man sich auf Experimente einlassen. Zum Beispiel auf Pascal Wehrlein, mit den man schon vergangenes Jahr gesprochen hat.

Aber bei Red Bull Racing Gasly gegen Wehrlein auszutauschen, das stellt auch ein gewisses Risiko dar, dass es nicht besser wird. Wehrlein würde nämlich auch ein paar Rennen brauchen, um auf Touren zu kommen. Und mitten in der Saison einzusteigen, ohne jede Wintertest-Vorbereitung, ist noch schwieriger als ein Start am Saisonbeginn.

Die Variante Hülkenberg erscheint noch mit am stimmigsten. Der 31-Jährige würde gut zu Marko passen. No Bullshit. Er müsste vor Verstappen keine Angst haben, weil er weiß, dass er es mit Ricciardo aufnehmen kann. Und Red Bull könnte auf diese Weise Cyril Abiteboul eins auswischen. Dass der das zulassen würde: unwahrscheinlich - zumindest während der laufenden Saison.

Im Grunde genommen gibt es nur eine Option, die wirklich Charme hätte: Fernando Alonso. Der 37-Jährige Spanier würde einsteigen und sofort schnell sein, Punkte für die Konstrukteurs-WM sammeln. Bei Red Bull wüsste man dann auch, wie gut Verstappen wirklich ist.

Und Alonso würde es wahrscheinlich machen. Er hat nie verheimlicht, dass er mit der Formel 1 nicht abgeschlossen hat. Aber auf einen McLaren hat er keine Lust mehr. Auf einen Newey-Red-Bull vielleicht schon.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das passieren wird, geht gegen null. Sofort kostenlos zusagen würde Alonso nur bei Mercedes. Bei Toto Wolff hat er in den vergangenen Jahren mehrmals angerufen. Er möchte den Österreicher davon überzeugen, dass eine Neuauflage des Duells Alonso vs. Hamilton eine Spitzenidee wäre. Wolff hat daran seine Zweifel.

Und ob Red Bull für einen, von dem man weiß, dass er fast überall, wo er in der Formel 1 war, in irgendeiner Form verbrannte Erde hinterlassen hat, eine Millionengage bezahlen würde, sei dahingestellt. Wir wissen, dass Alonso schon einmal zu Red Bull wollte. Darüber haben wir berichtet. Aber der Zug ist wahrscheinlich abgefahren.

Schade eigentlich.

Christian Nimmervoll

P.S.: "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" fand jahrelang jeden Montag auf unseren Portalen Formel1.de und Motorsport-Total.com statt. 2019 ist sie umgezogen zu de.motorsport.com. Auf unseren Schwesterportalen erfahren Sie stattdessen, "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat".

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