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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Der Grand Prix von Brasilien war ein Symbol für den Generationswechsel in der Formel 1 - Lewis Hamilton und Sebastian Vettel haben einiges nachzudenken

Lewis Hamilton, Mercedes AMG F1

Lewis Hamilton, Mercedes AMG F1

Jerry Andre / Motorsport Images

Liebe Leser,

bis zum 20. Rennen der Saison hat es gedauert, dass wir ausgerechnet den Weltmeister einmal schlecht schlafen lassen. Und es gibt eigentlich nicht viele Gründe dafür, Lewis Hamilton nach dem Grand Prix von Brasilien zu kritisieren.

Erstmal ganz im Gegenteil.

Der Mercedes-Superstar (an dem die Queen nach dem sechsten Titel in Sachen Ritterschlag kaum noch vorbeikommen dürfte) hat nach dem Rennen bewiesen, dass er nicht nur als Sportler, sondern auch als Sportsmann ein großer Champion ist.

Wie er im Parc ferme die Niederlage akzeptierte ("Da war nichts, was wir hätten tun können") akzeptierte, ohne Ausreden zu suchen, das war stark. Und unerwartet. Als das Rennen noch lief und Hamilton sich im Eifer des Gefechts "die Seele aus dem Leib fuhr", wie er es später beschreiben sollte, kam er wesentlich unentspannter rüber.

Die Liste der Dinge, über die er sich im typischen Hamilton-Gemecker beschwerte, war lang. Als ihn Max Verstappen zum ersten Mal überholte, fuhr er seinen Renningenieur an: "Come on, guys! Give me the information when my battery is dead!" Weil ihm vor dem Senna-S in Sachen Zusatz-Boost die Luft ausging.

Aber Verstappen war gestern Abend so oder so nicht aufzuhalten - auch nicht mit voller Batterie. Und nur um daran keine Zweifel aufkommen zu lassen, führte er auf der großen Bühne des Senna-S später noch ein zweites Mal vor, wie man den besten Racer aller Zeiten (Copyright: Eddie Irvine) überholt. Ein Meisterstück.

 

Die ganz Großen - Hamilton gehört sicher dazu, Vettel wahrscheinlich auch - vertragen es nicht gut, wenn sie verlieren. Besonders dann nicht, wenn sie das Gefühl haben, dass da ein anderer ist, der besser ist als sie.

Man konnte in Brasilien den Eindruck gewinnen, dass Verstappen der Grund dafür war, dass Hamiltons Boxenfunk-"Rants" noch ein bisschen intensiver rüberkamen als sonst. Erst war's die Batterie, dann ortete er einen kaputten Motor, im zweiten Stint einen schlechten Reifensatz.

Das ging so weiter, als er sich plötzlich über den wechselnden Wind beschwerte und dann über Bernd Mayländer, der das Safety-Car seiner Meinung nach zu langsam chauffierte. Und schon vor dem Start hatte Hamilton am Funk gemeldet, dass die Bremsen links und rechts nicht die gleiche Temperatur haben.

Hätte er sich auf diese Dinge herausreden wollen, hätte er sie auch nach dem Rennen erzählt, der Öffentlichkeit. Hat er aber nicht. Das spricht für Hamilton. Doch dass er von Verstappen so vorgeführt wurde, das wurmt einen wie ihn. Und das konnte man spüren.

Als wegen der Ferraris noch einmal das Safety-Car auf die Strecke kam, witterte Hamilton die Chance auf ein Meisterstück. Er zog frische Reifen auf, um nach dem Re-Start Jagd auf Verstappen machen zu können. Die Idee, nochmal reinzukommen, war seine ("I'm coming in!") - und nicht die des Teams. Und es war eine schlechte.

 

Dass Hamilton dann nicht an Verstappen scheiterte, sondern schon an Alexander Albon, stand so nicht in seinem Drehbuch. Hoch anrechnen muss man ihm aber, dass er sofort die Hand hob, die Schuld auf sich nahm und sich entschuldigte. Auch öffentlich.

Es ist immer meckern auf hohem Niveau, wenn man Lewis Hamilton kritisiert. Aber wenn man nach Fehlern sucht, findet man sie. Beim Safety-Car-Re-Start, als er die Führung zum zweiten Mal an Verstappen verlor, ging er zum Beispiel viel zu früh aufs Gas. Hätte Hamilton länger gewartet, hätte Verstappen im Windschatten weniger Zeit gehabt, seine Attacke vorzubereiten.

 

Die war dann ein Aufeinandertreffen zweier Ausnahmekönner. Hamilton bremste auf der Innenbahn schon so spät er konnte, aber Verstappen war außen noch ein bisschen mutiger - und rutschte, obwohl total am Limit, nicht von der Strecke. Um ein Haar hätte es dabei eine Berührung gegeben. Es spricht für die beiden Superstars ihres Sports, dass sie eine solche vermeiden konnten.

Einem anderen gelang das nicht, und der hatte in der Nacht auf heute einiges zum Nachdenken: Sebastian Vettel. In der ersten Spontanreaktion am Boxenfunk schien seine Einschätzung der Schuldfrage noch ziemlich eindeutig zu sein: "Was zur Hölle macht der da?" Nur um in der nächsten Sekunde in einem Anflug von Schuldbewusstsein anzufügen: "Sorry ..."

 

Es war nicht das erste Mal, dass er in so eine Kollision unter Teamkollegen verwickelt war. In Istanbul 2010 gab's eine ganz ähnliche Situation, damals nicht mit Charles Leclerc, sondern mit Mark Webber. Der Unterschied: 2010 war Vettel der "Golden Boy" von Red Bull - und die Schuld-Diskussion somit rasch zu seinen Gunsten erledigt.

Die Ausgangslage ist jetzt eine andere, und das weiß Vettel wohl. Minutenlang stand er fassungslos neben der Strecke, bevor er sich auf den Weg zurück an die Box machte. Um seine Gedanken zu sammeln, vermute ich. Um sich eine gute Ausrede zurechtzulegen, unken andere.

Umfrage:

Einen klaren Schuldigen für den großen Ferrari-Crash auszumachen, ist selbst nach eingehendem Studium der Onboard-Kameras schwierig. Ja, Vettel zieht es leicht nach links - dahin, wo Leclerc schon ist. Aber das wäre zwischen zwei Fahrern, die bereit sind nachzugeben (wie man es zumindest unter Teamkollegen erwarten würde), kein Problem gewesen.

Nur: Leclerc hat nicht nachgegeben, und Vettel hat es - vielleicht auch nur unterbewusst - drauf ankommen lassen. Er hätte genauso gut weiter rechts bleiben können, und Leclerc hätte nicht so wenig Platz lassen müssen. Aber so ist das eben zwischen zwei Alphatieren, von denen keiner einen Millimeter nachgeben will.

Als er später vor die TV-Kameras trat, hütete sich Vettel davor, seine Schuldzuweisung aus dem Boxenfunk zu wiederholen. Mattia Binotto hatte beiden den Kopf gewaschen und sie gebeten, in den ersten Interviews die Schuldfrage nicht zu bewerten. Der Ferrari-Teamchef möchte die Situation erst in Ruhe mit ihnen klären, bevor sie Dinge sagen, die danach irreversibel sind.

Er selbst habe eine Meinung zu dem Unfall, sagte Binotto. Er werde diese aber (noch) nicht verraten. Man darf gespannt sein auf Abu Dhabi. Zumindest der Medien-Donnerstag dort wird es in sich haben!

 

Zu erfahren, was Vettel durch den Kopf ging, als er minutenlang nachdenklich neben der Strecke stand, wäre heute Morgen Gold wert. Ob er daran gedacht hat, bei Ferrari hinzuschmeißen? Ob ihm klar wurde, dass dieser Leclerc (den die Brasilianer bei jedem Überholmanöver frenetisch gefeiert haben, so wie einst ihren Nationalhelden Ayrton Senna) ihm den Rang ablaufen könnte? Wir wissen es nicht.

Sebastian Vettel ist zweifellos einer der besten Rennfahrer seiner Generation. Daran kann auch Brasilien, wie auch immer man die Situation bewerten mag, nichts ändern. Aber er hat sicher schon bessere Tage erlebt in der Formel 1.

Brasilien 2019, das könnte ein Symbol sein für den Generationswechsel in der Formel 1, der gerade stattfindet. Lewis Hamilton und Sebastian Vettel werden spätestens in ein paar Jahren Vergangenheit sein.

Max Verstappen, das steht fest, gehört die Zukunft. Aber das gehört nicht hierher, sondern in die Schwesterkolumne meines Kollegen Ruben Zimmermann ...

 

Christian Nimmervoll

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