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Interview

Wurz: Mehr Sicherheit kann die Formel 1 aufregender machen!

Alexander Wurz spricht im Exklusiv-Interview mit 'Motorsport.com' über Halo und das Thema Sicherheit: Mehr Sicherheit könnte zu mehr Action führen!

Alex Wurz, Toyota Racing

Alex Wurz, Toyota Racing

Toyota Racing

Das Thema Halo spaltet die Formel 1. Die einen sehen es als notwendiges Sicherheitsfeature an, die anderen würden es am liebsten so schnell wie möglich aus der Königsklasse verbannen. Fakt ist jedoch, dass der Kopfschutz bislang in seiner Außendarstellung eher Negativschlagzeilen geschrieben hat. Das stößt Ex-Pilot Alexander Wurz, immer noch Chef der Fahrervereinigung GPDA, sauer auf.

Der Österreicher kann die Sicherheitskritiker nicht verstehen. Er ist der Meinung, dass die Formel 1 mit erhöhter Sicherheit in der Lage ist, mehr Aufregung zu generieren. Allerdings muss er auch zugeben, dass man an manchen Stellen beim Thema "Safety first" übertrieben hat. Im Exklusiv-Interview mit 'Motorsport.com' spricht Wurz über Halo und warum Sicherheit die Königsklasse besser machen kann.

Frage: "Herr Wurz, kann man sagen, dass die Formel 1 eine Chance verpasst hat, Halo bereits 2017 einzuführen, als die Autos schneller wurden?"
Alexander Wurz: "Das ist eine sehr interessante Aussage zu denken, dass es besser gewesen wäre, es 2017 schon einzuführen. Aber bei den großen Änderungen hätte es einen negativen Einfluss gehabt. Ich schrecke nicht davor zurück zu sagen, dass der Umgang der ganzen Formel-1-Gemeinschaft mit Halo nicht gerade ein Beispiel war, wie man mit seinem Produkt umgehen soll."

"In den 60er-Jahren ist noch bei jedem sechsten Grand Prix ein Fahrer gestorben, doch seitdem hat die Formel 1 die Sicherheit auf beeindruckende, rigorose und klare Weise verbessert, ohne die Performance dafür zu beeinträchtigen. Schließlich leben wir in einer Welt, die von Performance gesteuert wird. Die Zahl der Verletzungen und Todesfälle ist seit den 60ern drastisch gesunken, aber gleichzeitig hat die Formel 1 ein enormes Wachstum an Popularität und Zuschauerzahlen erfahren - bis das Geschäft sich in die sportlichen Entscheidungen eingemischt hat."

Sichere Autos kein Grund für Zuschauerschwund

"Daraus schließe ich, dass es keinen Zusammenhang zwischen sichereren Autos und sinkender Popularität gibt. Sicherheit ist also keine Gefahr für die Popularität der Formel 1. Die sinkenden Zuschauerzahlen in den vergangenen Jahren haben nichts mit Sicherheit zu tun - zumal sich der Trend schon wieder ändert, von daher sollten wir nicht zu schlecht darüber reden. Der Grund liegt woanders."

"Dann gab es eine Zeit, in der die Formel 1 in einer Identifikationskrise steckte und in der Geschäftsentscheidungen auf Politik trafen, was den Sport in ein schlechtes Licht gerückt hat. Dort gab es dann Sicherheitsverbesserungen, die schon viele Jahre lang im Raum standen. Jedes einzelne Team war darin involviert, nach sichereren Lösungen zu suchen. Und es braucht nur gesunden Menschenverstand um zu sehen, dass der Kopf die am meisten exponierte Stelle ist."

"Ich bin sehr überrascht, dass wir die ganzen Forschungen, die Arbeit, die Diskussionen und die Beantwortung der zentralen Fragen nicht hinter verschlossenen Türen erledigt haben. Einige Mitglieder des Paddocks haben sogar über die Medien aktiv versucht, Entscheidungen zu beeinflussen. Das ist dann in die öffentliche Meinung übergegangen. Aber so sollten wir unser Produkt nicht angehen."

Crash: Alexander Wurz, Benetton
Crash: Alexander Wurz, Benetton

Foto LAT Images

"Was die Fahrer nun versuchen: Sie wollen den verantwortlichen Leuten den Respekt erweisen und sagen: 'Okay, wenn ihr denkt, dass das Teil kommen muss, denn werden wir euch unterstützen, denn am Ende des Tages ist es eure Meisterschaft. Wir nehmen an eurer Meisterschaft teil, und ihr seid verantwortlich. Wir werden das respektieren. Wir haben das HANS-System respektiert und wir haben die zusätzlichen Crashtests respektiert.'"

"Wir haben versucht, gute Miene zu machen - und zwar bis zu dem Punkt, an dem selbst wichtige Teilhaber dies als negativen Aspekt genutzt haben. Es ist doch so: Wir haben dies eine Produkt und wir müssen es so sexy und gut wie möglich machen. Aber es gibt einige Bewegungen in unserer Gesellschaft - und Sicherheit gehört dazu. Eine der Stärken der Formel 1 war in den vergangenen 30 Jahren, dass wir die Autos, von denen wir fasziniert sind, noch sicherer machen konnten. Man kann einen Unfall wie Robert Kubica haben und trotzdem noch leben. Warum wird das plötzlich negativ dargestellt? Es sollte etwas Positives sein. Es sollte ein unglaublicher Fakt sein."

Bleibt die Sicherheit stehen, bleibt alles stehen

Frage: "Ist Halo nicht das erste Sicherheitselement, das kritisiert wird?"
Wurz: "Okay, es ist optisch nicht gerade ansprechend, von daher war es immer angreifbarer - und das mag aus ästhetischer Sicht vielleicht sogar richtig sein. Aber wir haben die Notwendigkeit von Sicherheit in Frage gestellt. Wenn jemand das nicht will und denkt, dass die Formel 1 gefährlicher sein muss, um populär zu sein, dann haben wir wohl nicht den ganzen Aspekt betrachtet, was die Formel 1 bedeutet und populär macht."

"Wenn man die Sicherheit einfriert, ignoriert man einen fundamentalen Teil: In unserer Gesellschaft und in unserer heutigen Zeit kann niemand Verantwortung ignorieren. Wenn man die Sicherheit einfriert, muss man auch die Rundenzeiten einfrieren. Doch wir haben es hier mit einem Sport zu tun, in dem es um Performance geht. Wir wachsen als Kinder auf: Alles ist höher, schneller, weiter. Das treibt den Menschen an."

"Wenn wir mit der Entwicklung der Sicherheit aufhören, weil wir nicht schneller fahren können, weil irgendjemand dafür verantwortlich ist, dann bedeutet das, dass wir unser Produkt angreifbar machen, dass es von anderen Produkten in Sachen Aufregung und Gefühl überholt wird."

"Warum machen wir dann nicht einfach das Gegenteil? Warum machen wir unsere Autos nicht signifikant sicherer, ohne die Performance dafür auf's Spiel zu setzen, und lassen sie schneller werden und auf extremeren Rennstrecken ohne endlosen Auslaufzonen fahren? Denn dann erreichen wir vielleicht, dass man den Speed und die Gefahr wahrnimmt."

Wenn jemand in Baku oder Monaco abfliegt, sagen wir alle 'ooooh', dabei sind die Geschwindigkeiten ziemlich niedrig. Aber die Wahrnehmung und die direkte Konsequenz von Kiesbett oder einer Mauer ist vielmehr 'in your face'".

"Wenn Leute Halo boykottieren wollen und sagen, dass es nicht kommen soll, dann haben sie das nicht durchdacht. Sie denken dann kurzfristig. Denn wenn man die Sicherheit einfriert, dann kann sich der Sport in Sachen Rundenzeiten, Aufregung und gefühlter Gefahr nicht verbessern. Ich denke, dass wir sicherere Autos brauchen, und dann können wir aufhören, endlose Auslaufzonen und überall Asphalt zu haben, wo eigentlich Kies oder Gras sein sollte."

"Dann können wir auch schnellere Geschwindigkeiten haben, Rundenrekorde fahren und sicherstellen, dass wir die schnellsten Autos auf diesem Planeten haben. Ergibt das Sinn?"

Sicherheit ein Grundsatz für Motorsport

Frage: "Sind die Strecken dafür bereit?"
Wurz: "Wir können Autos schneller machen - und mit unzähligen Regeln können wir sie auch langsam machen und die Geschwindigkeiten kontrollieren. Der Speed wird kontrolliert, weil es eben die Sicherheitskalkulationen gibt. Das müssen sie vom Gesetz her machen und deswegen wurde die FIA vor über 100 Jahren gegründet. Bei einem Rennen in Europa wurden damals Zuschauer, Teilnehmer und Funktionäre getötet, und die Regierungen wollten Motorsport für illegal erklären und sagten, dass es eine Behörde braucht, die sich um Sicherheit kümmert. Das ist der Zweck der FIA - und er ist es auch heute noch."

"Wenn wir es nicht so machen, dann könnte der Motorsport ziemlich schnell für illegal erklärt werden. Und mehr Leute, die Verantwortung tragen, könnten ihre Freiheit verlieren. Das wollen wir nicht und dürfen wir heutzutage auch nicht haben. Wir sind nicht mehr in der Nachkriegszeit, in der Heldentum erlaubt ist und in der Leute sterben und wir sie bewundern. Als Gesellschaft haben wir uns davon entfernt. Es ist nicht möglich, diesen Fakt zu ignorieren."

Frage: "Wie sieht ihre Vision denn aus? Wie viel schneller können die Autos denn werden? Denn dadurch wird auch das Überholen schwieriger."
Wurz: "Wir müssen die Sicherheit erhöhen, ohne Performance einzubüßen. Vielleicht mögen manche jetzt sagen: Halo ist schwerer und kostet schon Performance. Aber vielleicht sollten wir uns nicht zu sehr auf das Halo einschießen. Vom ersten Tag an habe ich gesagt, dass ich den Weg zu mehr Sicherheit schätze, aber das ich nicht der größte Fan der Optik bin. Ich hoffe, dass sie nach etwas wohlgeformteren Lösungen suchen."

Fernando Alonso, McLaren MP4-31 in a huge crash
Fernando Alonso, McLaren MP4-31 in a huge crash

Foto Sutton Images

Aber vielleicht haben wir es beim Streckendesign übertrieben, was die Sicherheit angeht. Nicht so sehr beim Thema Bremsen nach Geraden. Wenn man wie Alonso (2016 in Australien; Anm. d. Red.) abfliegt, dann ist ein Kiesbett ziemlich gefährlich, weil er sich dadurch überschlagen hat. An solchen Stellen wären Asphalt und Energie absorbierende Schutzwände sehr gut, aber am Ausgang der Kurve möchte ich Gras und dann ein Kiesbett hinter dem Randstein haben, denn es muss eine unmittelbare Strafe geben, bei der jeder versteht, dass der Fahrer Zeit verliert - egal ob er ein Kind, Erwachsener, Universitätsprofessor oder ein Zuschauer ist, der sein erstes Rennen sieht und keine Ahnung von Autotechnologie hat. Denn das ist eine Emotion, die wir übermitteln."

Als Hamilton abflog - und keiner es bemerkte

"Ich gebe ein großartiges Beispiel: Vor ein paar Jahren gab es ein Rennen in Silverstone, bei dem Rosberg Zweiter war und Hamilton geführt hat. Es hat angefangen zu nieseln. Und bei seinem Heimspiel in Copse Corner, wo mal ein Kiesbett war, flog Hamilton ab und hat 0,5 Sekunden verloren - das hat kaum jemand bemerkt! Ich habe das gesehen und mir gedacht: Stell dir vor, da wäre ein Kiesbett gewesen und Hamilton wäre hinter Rosberg rausgekommen, der drei Sekunden dahinter lag."

"In England konnte man die Formel 1 damals noch frei im TV empfangen, was ein wichtiger Punkt ist. Aber stell dir mal vor, du siehst das Rennen mit 20 Engländern in einem Pub und alle sagen: 'Yeah, Hamilton führt! Er wird das Rennen gewinnen!' Und zwei Runden vor Schluss schmeißt er es ins Kiesbett. Das würde für Emotionen sorgen. Wir brauchen keine 150 künstlichen Überholmanöver. Wir brauchen den Hero-to-zero-Moment, die unmittelbare Strafe, denn dann weißt du, dass der Kerl auch nur ein Mensch ist. Du siehst, wie enttäuscht er und das Team sind. Das ist eine fantastische Emotion."

Frage: "Wie Mika Häkkinen 1999 in Monza."
Wurz: "Genau! Und darüber reden die Leute. Aber das hier hat niemand bemerkt, weil es einen Asphaltauslauf gibt. In jedem Jahr diskutieren wir über Track Limits - ich kann das nicht mehr hören! Es sollte keine Diskussionen darüber geben. Es sollte Gras geben."

Frage: "Das ist aber auch eine Sache der MotoGP. Warum mögen sie keine Kiesbetten?"
Wurz: "Jede Rennstrecke muss eine Balance eingehen: Bin ich geeignet für die MotoGP? Bin ich geeignet für die Formel 1? Oder bin ich für beides geeignet? Im Moment haben wir eine Diskrepanz zwischen den Wünschen der Fahrer und der Sicherheitsbeauftragten. Wir sind hier in der Formel 1, aber im Moment scheinen viele Strecken das Modell der MotoGP einzugehen, weil das ein profitableres Modell für sie ist. Sie werden die MotoGP-Leute zufriedenstellen, weil sie derzeit mit ihrem Grand Prix mehr Geld verdienen."

Alexander Wurz, Toyota Gazoo Racing
Alexander Wurz, Toyota Gazoo Racing

Foto Toyota Racing

"Das gilt natürlich nur für die Ticketverkäufe. Die Formel 1 ist natürlich noch viel größer, aber der Kerl, der gezwungen wird, seine Strecke zu ändern, macht mehr Geld mit der MotoGP und nicht mit der Formel 1. Das ist eine Business-Entscheidung. Das Geschäft hat hierbei einen massiven Einfluss auf den Sport."

Fahrer wollen direkte Strafe für Fehler

"Gibt es eine technische Lösung? Es könnte eine geben, denke ich. Zumindest könnte man in mehr als der Hälfte der Situationen große Kompromisse eingehen. Aber wir brauchen nicht in jeder Kurve Kiesbett, denn das hat aus operativer Sicht auch negative Effekte - es ist auch ziemlich arbeitsintensiv. Gras ist eine fantastische Lösung, weil es immer funktioniert und auch für die Motorräder in Ordnung ist. Und es wird immer Kurven geben, in denen Asphalt besser ist, weil es sicherer ist."

"Und um mein Beispiel zu Ende zu bringen: In Budapest gibt es die eine Schikane. Rosberg und Hamilton fuhren nebeneinander. Hamilton fuhr durch den Kies, und es hat das ganze Rennen gedauert, bis er sich von dem Fehler erholt hat - und es war ein sensationeller Grand Prix. Wir Fahrer haben es schon intern diskutiert: Es sollte eine direkte Strafe geben - aber keine elektronische Leistungsreduzierung für ein paar Sekunden, sondern eine Strafe auf der Strecke."

"Spa ist das beste Beispiel. Pouhon, die Doppellinks. Früher bist du als Fahrer mit dem Wissen reingefahren, dass du im Kiesbett landest, wenn du nur einen Zentimeter falsch bist. Deine Session ist vorbei, dein Ingenieur wird dich hassen, weil du sein Programm nicht beendet hast, und du machst dir in die Hosen, weil die anderen Fahrer ihren Fahrstil optimieren. Du hattest eine Menge Respekt, es nicht zu vermasseln."

#7 Toyota Gazoo Racing Toyota TS050: Mike Conway, Alexander Wurz, Jose Maria Lopez, Sébastien Buemi, Anthony Davidson
#7 Toyota Gazoo Racing Toyota TS050: Mike Conway, Alexander Wurz, Jose Maria Lopez, Sébastien Buemi, Anthony Davidson

Foto Paul Foster

"Das ging so weit, dass wenn du an dem Tag kein Selbstvertrauen hattest oder es vielleicht leicht genieselt hat, du drei Sekunden von der Pace entfernt warst. Und ein anderer, der voll Testosteron war und sich einen Dreck geschert hat, der war schon in der ersten Runde voll da. Bang. Das hat die Stimmung und Performance der Fahrer ein wenig mehr herausgestellt."

"Und genau das möchte der Zuschauer auch sehen. Ich könnte als Kommentator darüber sprechen, aber jetzt kann ich es nicht, weil ich weiß, dass ich in der WEC selbst in den Asphaltauslauf gefahren bin. Schon in der ersten Runde probiere ich es, wie ich es aus dem vergangenen Jahr kenne. Oh, ich fliege ab. Nichts passiert. Ich hätte mir das nie so träumen lassen, wenn es nicht den Asphalt geben würde."

"Das hat Sicherheitsgründe, aber an einigen Stellen hat es nichts mit Sicherheit zu tun. Da sind einfach hingebastelte Auslaufzonen, die schön und sauber aussehen und auf denen kein Dreck ist. Und an dieser Stelle übertreiben wir es mit der Sicherheit. Die Einschränkungen wegen der MotoGP sind definitiv ein Faktor."

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