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Interview

Interview Bruno Michel: Die Zukunft von F2 und F3 als F1-Talentschmiede

Bruno Michel, Serienchef der Formeln 2 und 3 der FIA, spricht im #ThinkingForward-Interview über Hilfsmaßnahmen in Coronazeiten und neue Ansätze für die Zukunft

Thinking Forward

Interviewreihe #ThinkingForward mit Führungspersönlichkeiten aus dem internationalen Motorsport.

Als Serienchef der Formel 2 und der Formel 3 in der Formelsportpyramide des Automobil-Weltverbands FIA zeichnet Bruno Michel für wichtige Schritte in der Entwicklung zukünftiger Formel-1-Piloten verantwortlich. Namen wie Alexander Albon, Charles Leclerc, Lando Norris, George Russell oder Lance Stroll unterstreichen die wichtige Rolle, die die beiden Aufstiegsklassen spielen.

Wenn die Formel 1 an diesem Wochenende auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg verspätet in die Saison 2020 startet, sind auch die Formel 2 und die Formel 3 dabei. Im jüngsten Gespräch unserer Interviewreihe #ThinkingForward haben wir uns mit Michel kurz vor dessen Abreise nach Österreich unterhalten. Er spricht unter anderem darüber, wie die Coronavirus-Krise beinahe Teams und Fahrer gekostet hätte und wie sich die beiden Aufstiegsklassen in Zukunft noch stärker positionieren wollen.

Herr Michel, drei Monate des Lockdowns sind überstanden. Welche Bedeutung hat es, dass der Rennsport nun auch für die Formeln 1, 2 und 3 wieder aufgenommen wird?

Bruno Michel: "Wenn die Teams keine Rennen fahren, haben sie keine Einnahmen. Und wenn sie keine Einnahmen haben, besteht ein großes Risiko, dass sie zu Grunde gehen. Die Tatsache, dass wir wieder Rennen fahren können, wenn auch hinter verschlossenen Türen, macht uns sehr glücklich. Ich glaube, das ist wichtig, denn die Leute wollen jetzt wieder Bewegtbilder sehen, nachdem sie während der zurückliegenden Monate nur virtuelle Bilder zu sehen bekamen. Die Fans erwarten jetzt wieder reale Bilder."

Glauben Sie, dass die komprimierte Saison mit acht Events als "Geisterrennen" ausreichen wird, um die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren?

Michel: "Es ist ein guter Anfang, aber sagen wir es mal so: Wir alle erwarten, dass auch der zweite Teil der Saison stattfinden wird. Wir wissen noch nicht, wo und wann, aber wir sollten die Saison nicht mit nur acht Events zu Ende bringen, auch für Formel 3 und Formel 2 nicht. Was jetzt passiert, ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber sicherlich nicht das Ende der Probleme."

Die Formeln 2 und 3 haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Talente hervorgebracht, wie etwa Leclerc, Norris, Russell, Albon. Diese jungen Fahrer bringen Dynamik mit. Daher sind Ihre Entscheidungen, wie sie die Formeln 2 und 3 gestalten, ganz entscheidend für die Zukunft, nicht wahr?

Michel: "Das stimmt. Die Tatsache, dass in den vergangenen zwei oder drei Jahren einige fantastische Piloten aus der Formel 2 oder GP2 in die Formel 1 aufgestiegen sind, hat uns sehr geholfen. Ich habe einige Jahre erlebt, in denen es Zweifel an der GP2 gab. Ich habe solchen Stimmen immer geantwortet: Wenn man den richtigen Fahrer hat, stimmen auch die Ergebnisse. Und wenn man sich die Piloten anschaut, die in der Formel 2 oder GP2 als Rookie gewonnen haben, stellt man fest, dass genau diese auch in der Formel 1 sehr stark waren und sind."

"Wir hatten so gesehen großes Glück, dass wir Charles Leclerc und George Russell hervorgebracht haben und im vergangenen Jahr drei weitere Fahrer in die Formel 1 gebracht haben. Das ist schon unglaublich, aber wir sind natürlich nicht die einzigen, die dafür verantwortlich sind. Wir müssen ihnen ein Produkt bieten, das es ihnen erlaubt zu zeigen, wie stark sie sind. Wir müssen ihnen ein Auto bieten, das einerseits leistungsstark, andererseits nicht zu teuer ist. Und wir müssen spannende Rennen haben. Gleichzeitig glaube ich aber nicht, dass es das Format als solches ist, was diese Fahrer in die Formel 1 gebracht hat. Es waren die Fahrer selber. Wir hatten während der vergangenen Jahre ein paar wirklich herausragende Piloten in unseren Reihen."

Sie haben nach dem Lockdown sehr schnell gehandelt, um die Teams zu schützen. Sie haben Rechnungen ausgesetzt, haben mit Lieferanten gesprochen und mehr. Inwiefern waren Ihre Aktionen entscheidend, um die Zukunft der Teams und der Meisterschaften zu sichern?

Michel: "Das war sowohl wirtschaftlich als auch psychologisch wichtig. Wirtschaftlich war es natürlich ganz offensichtlich. Die Teams hätten keine Einnahmen gehabt, denn wie ich schon gesagt habe, bekommen sie kein Geld, wenn sie keine Rennen fahren. Uns war also klar, dass wir etwas unternehmen mussten. Also habe ich mich sofort mit den Teams in Verbindung gesetzt, um ihnen zu sagen, dass sie sich keine Sorgen [um Zahlungen] machen müssen. Das hatte ich mit Chase [Carey] und Ross [Brawn] besprochen. Und dann haben wir den Teams mitgeteilt, dass wir bis auf Weiteres unsere vergangenen und zukünftigen Rechnungen aussetzen. Denn während dieser Phase wären einige Rechnungen fällig gewesen. Diese haben wir ausgesetzt."

"Das Wichtigste war, die Teams in einer Situation zu halten, in der es für alle weitergehen konnte, sobald man das Signal zur Wiederaufnahme der Rennen geben würde. Das haben wir gemacht, um zu verhindern, dass die Teams Fahrer verlieren. Und die Fahrer mussten natürlich genauso über die Pläne auf dem Laufenden gehalten werden, weil sie Probleme mit ihren eigenen Sponsoren bekamen. Daher würde ich sagen, dass zwei oder drei Monate akzeptabel waren. Wenn es aber die ganze Saison so weitergegangen wäre, vermag ich nicht zu sagen, wer die Saison überdauert hätte und wer nicht."

Viele sehen es als notwendig an, dass Nachwuchsrennserien zusammengelegt werden, um in der Welt nach der Krise bestehen zu können. Wie ist Ihre Meinung dazu?"

Michel: "Während der vergangenen 15 Jahre hat es sehr viele Serien gegeben, die versucht haben, in dieses Geschäft einzusteigen. Letzten Endes sind viele gekommen, aber auch wieder verschwunden. Meiner Meinung nach ist der Grund dafür nicht, dass wir besser wären als die anderen. Vielmehr war es meiner Meinung nach entscheidend, dass wir wussten, wie es den Teams ging. Wir haben eng mit ihnen zusammengearbeitet und kannten daher die Probleme. Als es 2008 die [Wirtschafts-]Krise gab, wussten wir, was zu tun ist, um den Teams zu helfen, diese Krise zu überstehen. Einige andere Rennserien konnten das nicht tun oder haben es nicht getan."

Start der Formel 2 auf dem Hungaroring 2019

Die Formel 2 (Foto) und die Formel 3 sind der FIA-Unterbau der Formel 1

Foto: Motorsport Images

"Das Sahnehäubchen auf dem Kuchen war, die offiziellen Aufstiegsklassen der FIA zu werden. Als aus der GP2 die Formel 2 wurde, und dann aus der Formel 3 und der Formel-3-EM die neue FIA Formel 3 wurde, bekamen die Dinge ein Gesicht. Jetzt ist es so, dass unterhalb dieser beiden Kategorien umgeschichtet und neu organisiert wird. Für den Moment aber würde ich sagen, dass die Pyramide sehr gut funktioniert."

"Auch die FIA trägt ihren Teil dazu bei, indem Punkte für die Superlizenz so gestaffelt werden, dass die Fahrer diese Pyramide bewältigen müssen, um in die Formel 1 zu kommen. Der Grundgedanke, der dahinter steckt: Wir wollen die Fahrer für die Formel 1 ausbilden. Wir müssen sicherstellen, dass es die besten Fahrer in die Formel 1 schaffen, ob sie nun das entsprechende Budget dafür haben oder nicht. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass sie für die Formel 1 bereit sind, wenn sie dort ankommen. Ich denke, unsere Erfolgsbilanz der vergangenen zwei Jahre zeigt, dass dies der Fall ist."

Nicht nur die FIA unterstützt die Formeln 2 und 3. Auch Liberty Media ist sehr daran interessiert und will eine starke Plattform für die Zukunft haben. Inwiefern ist dieser Ansatz für Sie persönlich ermutigend?

Michel: "Sie [Liberty Media] waren uns von Beginn an eine unglaubliche Hilfe. Inzwischen bin ich überzeugt, dass die Formel 2 und die Formel 3 während der vergangenen beiden Jahre für die Formel-1-Gruppe zum einem Teil der Strategie geworden sind. Damit meine ich nicht nur, dass wir Fahrer in die Formel 1 bringen. Es geht auch darum, dass wir dabei helfen, ein fantastisches Event auf die Beine zu stellen, immer dann, wenn wir Teil der Rennwochenenden sind. Schließlich bieten wir mit Formel 2 und Formel 3 zusammengerechnet vier Rennen an einem Wochenende, wovon zwei Sprintrennen sind."

"Ich weiß, dass die Formel 1 an vielen Dingen, die wir tun, interessiert ist. Dazu zählt auch, dass die Anzahl der Fernsehzuschauer in Bezug auf die Formel 2 und die Formel 3 in den vergangenen zwei oder drei Jahren massiv gewachsen ist. Auch auf Social-Media waren wir früher längst nicht so präsent wie wir es heute sind. Das hat sich mit der Ankunft von Liberty Media geändert, keine Frage. Inzwischen tun wir viele Dinge, die wir früher nicht getan haben."

Thema E-Sport: Hier hat sich während der Zeit des Lockdowns eine großartige Chance aufgetan, wie die Fahrer mit den Fans in Verbindung treten können. Was halten Sie davon, wie sich Leute wie Leclerc oder Norris via Twitch ihren Fans präsentiert und darüber ein Profil aufgebaut haben. Glauben Sie, dass das auch im echten Rennsport funktionieren kann?

Michel: "Ich finde das absolut fantastisch. Ich stimme zu, dass das Ganze ziemlich unerwartet kam. Sie aber haben es wirklich geschafft, mit den Fans in Kontakt zu treten, mit ihnen zu spielen und den Fans die Möglichkeit zu geben, sich selber stark in diese Rennen einzubringen. Was uns betrifft, so ist uns bewusst, dass wir eine ziemlich junge Fangemeinde haben. Sie ist jünger als die der Formel 1. Und das ist nicht zuletzt für die Formel 1 sehr interessant. Es ist gut für sie zu wissen, dass die Formel 3 und die Formel 2 eine jüngere Fangemeinde haben als die Formel 1."

Lando Norris

Lando Norris in seinem Twitch-Stream

Foto: Lando Norris (Twitch)

"Zu sehen, wie die Fahrer unserer Rennserien von zu Hause aus mit den Fans in Kontakt getreten sind, wie sie die Fans mit Kameras daran teilhaben lassen, was sie im Simulator machen und wie sie dann auf Twitch Interviews gegeben haben: das alles war etwas völlig Unerwartetes. Das ist einfach etwas ganz anderes als das, was wir früher gemacht haben. Denn natürlich war das, was wir während dieser Zeit auf Twitter, auf Instagram und auf Facebook gebracht haben, etwas ganz anderes als das, was wir während einer Rennübertragung im TV gebracht hätten."

"Das ist also auch eine Art der Fan-Verbindung. Es hat auch damit zu tun, dass junge Fans den Sport nicht mehr so konsumieren wie wir es früher getan haben, als wir uns Formel-1-Rennen angeschaut haben. Es hat sich definitiv etwas verändert und das ist ausgesprochen interessant."

Vor der Coronavirus-Krise standen Themen wie Nachhaltigkeit, Vielfalt und so weiter im Fokus. Glauben Sie, dass diese Themen jetzt, in einer neuen Normalität, sogar noch beschleunigt werden? Glauben Sie, dass diese Themen in sämtlichen Sportarten, und damit auch der Formel 2 und der Formel 3, ganz oben anstehen werden?

Michel: "Ich hoffe wirklich, dass es einige grundsätzliche Veränderungen geben wird, die nach dem Virus Bestand haben werden. Wir wissen nicht, ob der Virus verschwunden ist oder nicht. Ich hoffe aber wirklich, dass sich einige Gewohnheiten ändern werden. Nachhaltigkeit ist etwas, woran wir unbedingt weiterarbeiten müssen. Mit der Formel 2 und der Formel 3 arbeiten wir diesbezüglich gerade an recht großen Projekten. Ich kann aber noch nicht viel dazu sagen, weil es noch ein bisschen zu früh dafür ist. Was ich sagen kann: Wir versuchen, hinsichtlich der Nachhaltigkeit auf ein neues Niveau zu kommen."

"Und was die Vielfalt der Fahrer in der Formel 3 und der Formel 2 angeht, so hatten wir in den vergangenen zehn Jahren fast jedes Jahr Fahrer aus der ganzen Welt. Das ist etwas, worauf wir seit jeher sehr stolz sind. Und es ist etwas, was wir für die Zukunft noch ausbauen wollen. Was die Geschlechter betrifft hatten wir im vergangenen Jahr eine Frau in der Formel 2 [Tatiana Calderon]. In diesem Jahr haben wir eine Frau in der Formel 3 [Sophia Flörsch]. Trotzdem ist das ein Thema, an dem wir noch weiter arbeiten müssen, weil wir uns sonst nicht im Einklang mit unserer Zeit bewegen. Da müssen wir sehr aufpassen."

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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