Kolumne von Buemi: "Im Titelkampf kämpft jeder gegen jeden!“
Der Pilot aus Aigle erzählt Motorsport.com über die schwierigen ersten drei Saisonrennen und sucht nach den Gründen für das Debakel. Sébastien wird nach Santiago fahren, um "um die Saison neu zu lancieren.“
Foto: : Alastair Staley / Motorsport Images
Kolumne Sébastien Buemi
Kolumne Sébastien Buemi
Liebe Freunde und Leser von Motorsport.com,
Nach der notwendigen Winterpause ist das bereits meine dritte Kolumne für die Schweizer Ausgabe von Motorsport.com.
Es gäbe etliche Themen, die ich anschneiden könnte, doch ich werde mich auf den ersten Teil der neuen Formel-E-Saison konzentrieren.
Der Blick auf die Fahrerwertung spricht für sich: Der sechste Platz nach den beiden Rennen beim Eröffnungswochenende in Hongkong und dem Lauf in Marrakesch ist das Resultat eines komplizierten Saisonsauftaktes, doch die Saison ist noch längst nicht gelaufen
Neuanfang in Hongkong
Nach dem bitteren Ausgang der letzten Saison hatte ich noch lange einen Groll in mir, den ich unbedingt loswerden musste. Ich konnte es vor dem Saisonstart kaum erwarten, mit dem neuen Renault Z.E. 17 wieder auf die Strecke zu gehen. Der Doubleheader in Hongkong schien in meinen Augen eine gute Gelegenheit zu sein, die beiden Rennen in Montréal hinter mir zu lassen.
Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. In beiden Rennen landete ich am Ende auf Rang elf, wobei ich beim zweiten Rennen aufgrund der Disqualifikation von Daniel Abt immerhin noch einen Platz nach vorne kam. Ich reiste also mit einem erbärmlichen Punkt aus Asien ab. Kurzum, ich konnte die Erwartungen und Ambitionen, die ich mir selber im Vorfeld gesteckt hatte, nicht erfüllen.
Ich hatte mich eigentlich bereits mit der vierten Position zufriedengegeben, als mich ein mysteriöser Defekt zurückwarf. Ansonsten wäre ein Podestplatz im Bereich des Möglichen gelegen. Aber es gibt immerhin einen positiven Aspekt, der mich optimistisch in die Zukunft blicken lässt: Wir haben gezeigt, dass wir zu den Besten gehören, wenn wir keine Probleme mit der Zuverlässigkeit haben.
Marrakesch... ein verpasster Sieg
Das Rennwochenende in Marokko hatte eigentlich optimal begonnen. Vom ersten Training an war ich konkurrenzfähig und fuhr im Qualifying die Pole Position heraus, die mir ein gutes Gefühl für das Rennen gab.
Doch wenn Sie denken, dass professionellen Teams und Fahrern keine trivialen Fehler unterlaufen, dann irren sie sich. In den hektischen Momenten vor dem Start wurde bei meinem Renault ein Wasserpumpenausfall entdeckt, der die Mechaniker dazu zwang, in aller Eile das zweite Auto vorzubereiten.
die Arbeit der Mechaniker war unglaublich. Schade, dass wir ein "kleines“, aber wichtiges Detail vergessen haben: die Aktivierung des FanBoosts beim zweiten Auto...
Das aber bemerkten wir erst im Verlaufe des Rennens, als ich auf der langen Geraden den Knopf drückte, um meine Verfolger in sicherer Distanz zu halten.
Doch nichts passierte. Es wäre aber falsch, zu behaupten, dass ich deswegen den Sieg verpasst habe. Vielmehr lag es daran, dass ich Felix Rosenqvist, dem ich zu seinem Sieg herzlichst gratulieren möchte, zu viel Platz gelassen habe.
In der F.E kämpft jeder gegen jeden
Wie Sie sicherlich bemerkt haben, entwickelt sich die Formel E in riesigen Schritten weiter. Mit zunehmendem Ansehen ist auch das Niveau der Teams und der Fahrer in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Das stabile Reglement der FIA mit wenigen Änderungen erlaubte es den bislang eher weniger konkurrenzfähigen Teams, die Lücke zur Spitze zu schliessen.
Nicht, dass Renault oder Audi in ihrer Entwicklung stehen geblieben wären, aber es war zu Beginn der Saison 2017/18 nicht mehr so einfach möglich, grosse Fortschritte zu erzielen.
Aus neutraler Sicht ist es natürlich eine gute Sache, dass ein substanzielles Gleichgewicht herrscht. Die vierte Saison der Formel E wird bis zum Ende durch den Kampf "jeder gegen jeden“ geprägt werden. Nur ein kleiner Fehler, und du bist weg von den Top Five.
Das Rennen um die WM-Krone wird hart und schliesst auch Piloten mit ein, die bislang nicht unbedingt zum Favoritenkreis gezählt wurden.
Es wird nicht mehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen mir und Lucas di Grassi geben. Es gibt verschiedene andere Piloten, die bereit sind, sich der Herausforderung zu stellen, und die bis zum Schluss ein Wort um den Titel mitreden werden. Dazu gehören beispielsweise Edoardo Mortara, Nelson Piquet Jr., Daniel Abt und Jean-Éric Vergne, aber vor allem auch Felix Rosenqvist. Er hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, aus welchem Holz er geschnitzt ist, und dass er alle Voraussetzungen mitbringt, um Weltmeister zu werden.
Müller und Delétraz: mehr Schweizer
Im Verlaufe des Wochenendes in Marrakesch waren zwei weitere Schweizer in Marokko: Während Louis Delétraz am Samstag mein Gast war, nahm Nico Müller am Tag nach dem Rennen am Rookie-Test teil.
Ich freue mich für Nico, der bei seinem Debüt in der Formel E einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen hat und mit seiner Bestzeit gleich einen neuen Rundenrekord markieren konnte. Eine grossartige Leistung, die nicht unbemerkt bleiben sollte. Für Neulinge ist es nicht einfach, sich an nur einem Testtag mit der Formel E vertraut zu machen. Manche gehen auf Zeitenjagd, andere simulieren das Qualifying oder das Rennen. Das hängt oftmals davon ab, welchen Eindruck sie ihren Teams vermitteln wollen.
Ich halte es allerdings für eine effektive Methode, um jungen Piloten, die noch keine Formel-E-Lizenz besitzen, erste Erfahrungen mit den elektrischen Einsitzern zu ermöglichen.
Solche Tests helfen den Fahrern, sich der Formel E zu nähern. Natürlich haben alle die Formel 1 als Traum, aber es ist nicht einfach, dorthin zu kommen, und unsere Kategorie ist eine echte Alternative.
Delétraz beispielsweise hatte die Gelegenheit, die Welt der Formel E kennenzulernen, wichtige Persönlichkeiten kennenzulernen und Kontakten zu knüpfen. All das könnte ihm in Zukunft helfen.
Der Traum geht weiter... Santiago!
Am 3. Februar werde ich in Santiago sein für den ersten ePrix auf chilenischem Boden. Ich konnte mir bereits ein Bild des Stadtkurses machen – er sieht sehr verlockend aus und wird einiges von den Piloten verlangen.
Ich habe mir natürlich zum Ziel gesetzt, in Chile den ersten Saisonsieg zu holen. Es wäre schön, der erste Sieger in Santiago zu sein.
Ich möchte mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und hoffe, Ihnen ein spannendes Rennen bieten zu können. In ein paar Wochen werde ich Ihnen bei Motorsport.com in einer neuen Kolumne darüber erzählen.
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