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Kolumne zum GT-Masters-Luxusproblem: Wenn man plötzlich Nummer 1 ist

Ein mögliches Aus für die DTM würde das GT-Masters ab 2021 als deutsche Topserie im Motorsport zurücklassen - Worauf es für den ADAC dann ankäme

Liebe Anhänger des lauten und spektakulären Motorsports,

vielleicht wird so mancher von euch gedacht haben, dass beim ADAC die Sektkorken geknallt haben müssen, als Audi seinen Ausstieg aus der DTM verkündet hat. Vor allem, wenn man sich das bisherige Auftreten der ITR gegenüber anderen Rennserien in Deutschland vor Augen führt. Doch wie so oft ist die Sache nicht ganz so einfach. Werfen wir einen realistischen Blick auf die ganze Situation.

Da momentan die Möglichkeit ernsthaft in Betracht gezogen werden muss, dass die DTM ab 2021 zumindest vorerst ersatzlos verschwindet, wird auch der ADAC aus einer heilen Welt gerissen.

Dermaßen plötzliche und weitreichende Verschiebungen von Machtverhältnissen bringen immer ein unkalkulierbares Risiko mit sich. Aus diesem Grunde werden solche schlagartigen Umschwünge auf allen Gebieten in Politik und Wirtschaft vermieden, wo es nur geht.

Doch es hilft nichts: Der ADAC muss sich mit der Möglichkeit einer völlig veränderten Motorsport-Landschaft ernsthaft auseinandersetzen, ohne selbst irgendetwas dafür zu können. Das GT-Masters wird im Falle eines DTM-Exodus die Führungsrolle im deutschen Motorsport zugeschustert bekommen - ob es will oder nicht.

Deja vu mit den 90ern: Warum es doch anders ist

Auf den ersten Blick mag das für den ADAC positiv klingen. Schließlich ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse mangels Alternative nochmal deutlich zunehmen wird. Diese Situation kennt der ADAC zudem aus den 90er-Jahren, als die von ihm organisierte STW als Ersatzdroge für die DTM hermusste - es ist also keine Situation ohne Präzedenzfall.

DTM, Start

Von den DTM-Anhängern müssen im Sinne des Motorsports so viele wie möglich aufgegriffen werden

Foto: ITR

Der ADAC hat nun aber die Verantwortung, den Mainstream-Motorsport in Deutschland quasi alleine daran zu hindern, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Es gibt kein zweites Paket mehr, das dabei hilft. Die Nürburgring Langstrecken-Serie (VLN) mag hier eine Ausnahme darstellen, ist aber mit ihrem Fokus auf die Nürburgring-Nordschleife ein ganz eigener Fall für sich.

In seiner künftigen Alleinverantwortung müsste der ADAC zuallererst einmal die bisherigen DTM-Fans abholen, bevor sie sich ganz vom Motorsport abwenden. Denn so schön das bisherige Wachstum auch gewesen sein mag: Um systemrelevant zu bleiben, reichen 30.000 Zuschauer nicht aus. Die Zuschauerzahl muss sechsstellig werden - zumindest auf Strecken wie Hockenheim- oder Nürburgring.

Zwar ist der "Abstieg" von Class 1 zur GT3 deutlich geringer als derjenige der 96er-Klasse-1 zur damaligen Super-Touring-Kategorie. Die GT3-Boliden sind potente Rennwagen, die nicht weniger spektakulär sind als die Class 1. Das macht es an dieser Stelle etwas einfacher.

Doch die Situation ist trotzdem anders und ich spreche hier noch nicht einmal vom großen Bild mit Corona und Klimadiskussion. STW war genauso Tourenwagensport wie DTM, die Prinzipien in beiden Kategorien dieselben. Der GT-Sport hingegen ist mit dem Tourenwagensport (lasst uns bitte an anderer Stelle diskutieren, ob Class 1 wirklich Tourenwagen sind) zwar verwandt, stellt jedoch eine Kategorie mit eigenen Regeln und Prinzipien dar.

Ein eingefleischter DTM-Fan muss erst einmal davon überzeugt werden, dass Rennen mit Balance of Performance, Boxenstoppfenstern, Fahrerwechseln und Zusatzgewichten für Fahrer-Einstufungen genauso spektakulär sein können wie ein Tourenwagenrennen.

Ohne Prestige geht es in Deutschland nicht

Und noch ein Aspekt kommt hinzu: Die DTM lebte vom Prestige der engagierten Hersteller. Das ist ein Faktor, der nicht vernachlässigt werden darf. Nicht der Sport an sich hat der DTM zu ihrer Popularität verholfen. Der war nämlich lange Zeit bestenfalls Durchschnittskost.

Die DTM lebte vom Prestige, dass große Hersteller mit millionenschweren Budgets gegeneinander kämpften. Der Faszination, wenn mehrere Giganten aufeinandertreffen. Wenn Real Madrid auf Bayern München trifft, ist die Faszination für das Mainstream-Publikum auch größer, als wenn Borussia Mönchengladbach auf den FC Valencia trifft - selbst wenn sie sportlich das spannendere Spiel liefern.

GT-Masters, Zuschauer, Fahrerlager

Das GT-Masters hat eine stabile Zuschauerbasis aufgebaut, doch für eine Führungsrolle braucht es mehr

Foto: ADAC Motorsport

Motorsport-Deutschland ist, in diesem Falle bedauerlicherweise, nicht Großbritannien. Dort strömen Fans selbst zu Clubsport-Rennen, als stünde ein Weltmeisterschaftslauf auf dem Programm. In Deutschland braucht es große Namen und schwere Budgets. Dann kommen die Fans selbst zu einem sportlich mittelmäßigen Produkt.

Im GT-Masters spielen jedoch nicht die Hersteller, sondern Teams die vordergründige Rolle. Aus Sicht des Hardcore-Motorsportfans, der das Racing liebt, ist das natürlich der Paradies-Zustand.

Doch der Casual-Fan, dem eigentlich alles egal ist, solange seine Marke gewinnt, mag ein Problem damit haben, wenn sich plötzlich zwei R8 LMS in einem Duell um den Sieg bringen und ein Porsche siegt. Mehrere Dekaden des Hersteller-Schachs haben nun einmal ihre Spuren hinterlassen.

Und gerade diese Fans müsste der ADAC abholen, wenn das GT-Masters die DTM wirklich als Nummer 1 vollwertig ersetzen soll. Vollständig möglich ist das kaum, das weiß man auch in München. Aber zumindest einen guten Teil der DTM-Fanbasis muss der ADAC abholen, um den Motorsport in Deutschland relevant zu halten.

Es wäre sehr wünschenswert, wenn beim DTM-Finale in Hockenheim - ein besiegeltes Ende oder eine Pause der DTM vorausgesetzt - den Fans das GT-Masters präsentiert und ihnen gesagt wird: "Geht in Zukunft hier hin. Das ist eure neue Heimat. Hier werdet ihr nicht enttäuscht." Vielleicht sogar in Kombination mit einem kurzen Demorennen, um die Leute auf den Geschmack zu bringen.

Droht eine Flut von DTM-Personal?

Während beim Thema Zuschauer der Worst Case noch eine verpasste Chance ist, würde ein plötzlicher DTM-Kollaps auch eine direkte Gefahr mit sich bringen, für die sich der ADAC wappnen muss.

Zwar ist nicht zu befürchten, dass nach dem DTM-Aus Audi plötzlich im GT-Masters aufkreuzt und eine doppelstöckige Hospitality im ADAC-Fahrerlager errichtet.

Robert Renauer, Thomas Preining

Der ADAC ist momentan damit beschäftigt, seine eigene Saison 2020 auf die Beine zu stellen

Foto: ADAC Motorsport

Doch durch die bevorstehende Auflösung der Audi-DTM-Teams (und möglicherweise auch der BMW-Teams) wird eine Menge Personal frei. Natürlich wird dieses nicht komplett ins GT-Masters strömen, sondern sich alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Rennserien oder außerhalb des Motorsports suchen.

Doch die Möglichkeit besteht, dass ein Teil des ehemaligen DTM-Personal das wesentlich kleinere GT-Masters flutet. Dafür spricht, dass angesichts der Coronakrise die Hersteller Schwierigkeiten haben werden, das Personal anderswo im eigenen Unternehmen unterzubringen.

Das würde eine weitere Professionalisierung mit sich bringen und die in den vergangenen Jahren ohnehin schon immer weiter steigenden Kosten nochmals beflügeln. Das ist ein Thema, das der ADAC auf jeden Fall auf dem Schirm haben muss.

Doch wegen Corona hat der ADAC momentan ganz andere Prioritäten, wenn es darum geht, die Saison 2020 zu stemmen. Da bleibt kaum Zeit dafür, sich mit Szenarien für 2021 zu beschäftigen.

Vielleicht hofft man beim ADAC doch insgeheim, dass die DTM es noch packt. Wie mir ein ADAC-Mann schon gesagt hat: "Die DTM hat in ihrer Geschichte immer einen sehr großen Überlebenswillen gehabt."

Euer

Heiko Stritzke

Mit Bildmaterial von ADAC Motorsport.

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