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Kommentar: Macao – zwischen Faszination und Irrsinn

Massencrashs, ein tödlicher Unfall, aber auch grandiose Rennszenen und heldenhafte Fahrer: Der Macao-Grand-Prix 2017 sorgte für unterschiedlichste Emotionen – und auch für Kopfschütteln. Wie immer.

Startcrash beim GT-Weltcup in Macao

Startcrash beim GT-Weltcup in Macao

Macau GP

Liebe Leser,

der 64. Macao-Grand-Prix ist seit einer Woche Geschichte. Und ich muss gestehen: Der Guia Circuit als der wahrscheinlich anspruchsvollste Stadtkurs der Welt hat mich einmal mehr in seinen Bann geschlagen. Zum bereits neunten Mal habe ich die Rennen dort als Berichterstatter aus nächster Nähe erlebt. Diese Eindrücke beschäftigen mich noch immer. Denn das Rennwochenende in Macao hat wieder gezeigt: Eine Rennveranstaltung auf dieser Strecke ist blanker Irrsinn! Wenn nur die Faszination des Macao-Grand-Prix nicht so gewaltig wäre …

Die letzte Rennrunde im Formel-3-Grand-Prix etwa war an Dramatik nicht zu überbieten. Von diesem so spektakulären Finish wird noch oft geschwärmt werden: Ferdinand Habsburg mit dem Überholversuch gegen Sergio Sette Camara auf der Außenbahn der ultraschnellen Mandarin-Kurve bei über 200 km/h. Und dann noch sein Alles-oder-Nichts-Angriff in der Zielkurve, der Doppelausfall der beiden Spitzenreiter und der Überraschungssieg für Daniel Ticktum – einfach nur wow! Das war Motorsport vom Allerfeinsten und der Stoff, aus dem die Helden sind. Der ideale Schlusspunkt für das Grand-Prix-Wochenende in Macao.

Aber: Der Guia Circuit hat sich auch von seiner anderen Seite präsentiert. Es gab den Massencrash im Qualifyingrennen zum GT-Weltcup, in den insgesamt zwölf von 20 Fahrzeugen verwickelt wurden. Auch bei der Tourenwagen-WM krachte es heftig, inklusive Stau und Rennabbruch. Die vorwiegend mit Amateurfahrern besetzten lokalen Rennserien produzierten ebenfalls wieder reichlich Schrott. Vielleicht nicht so viel wie sonst, aber genug. Glück nur, dass bei all diesen Zwischenfällen niemand ernsthaft verletzt wurde.

 

Laurens Vanthoor, Craft Bamboo Racing, Porsche 911 GT3R, Nico Müller, Audi Sport Team WRT, Audi R8 LMS
Laurens Vanthoor, Craft Bamboo Racing, Porsche 911 GT3R, Nico Müller, Audi Sport Team WRT, Audi R8 LMS

Foto: Alexander Trienitz

Der Samstagnachmittag ändert alles

Der Samstagnachmittag in Macao aber änderte alles. Mit dem schweren Unfall von Daniel Hegarty im 51. Motorrad-Grand-Prix wurde es plötzlich still im sonst so lauten Pressezentrum am Guia Circuit. Das, von dem wir Reporter gehofft hatten, es würde nicht passieren, war eingetreten. In diesem Moment wurde der blanke Wahnsinn des Stadtrennens in Macao exponiert, auf die schrecklichste Art und Weise. Denn die Bilder von der Unfallstelle ließen keinen Zweifel zu: Daniel Hegarty überlebte seinen Unfall nicht.

Hegarty ist der jüngste Todesfall in der Geschichte des Macao-Grand-Prix, die schon viele derart tragische Unfälle gesehen hat. Einzig eine Auflistung aller in Macao tödlich verunglückten Rennfahrer gibt es nicht. Wohl aus gutem Grund: Die Veranstalter wollen nicht, dass harte Fakten belegen, wie gefährlich der Grand Prix wirklich ist, wie viele Piloten auf diesem Kurs bereits ihr Leben gelassen haben. Weil in Macao schon so viele gestorben sind.

Kann das sein? Darf das sein? Das sind die Fragen, die sich nach jedem Macao-Grand-Prix aufs Neue stellen. Umso mehr nach einem tödlichen Unfall. Denn unumstritten ist das Stadtrennen in Macao nicht, auch wenn es alljährlich von den Weltverbänden für Automobil (FIA) und Motorrad (FIM), die sich sonst für mehr Sicherheit im Straßenverkehr stark machen, abgesegnet wird – als ein Anachronismus, der einfach hingenommen wird. Genau wie die schweren und mitunter tödlichen Unfälle, nach denen bald wieder Normalität am Guia Circuit einkehrt.

 

Conor Cummins, Padgett's Motorcycles, Honda CBR1000RR
Conor Cummins, Padgett's Motorcycles, Honda CBR1000RR

Foto: Andreas Beil

The show must go on

Schon tags darauf war alles wieder vergessen. Ganz nach dem Motto: "The show must go on". Denn der Grand Prix – ja, ganz Macao – ist ein einziges großes Business. Ein großes Spektakel, ohne Wenn und Aber. Die Gefahr, das Risiko als Zuschauermagnet. Die Faszination am Ritt auf der Rasierklinge. Das Spiel um Leben und Tod im Duell Mann gegen Mann im sportlichen Zweikampf. Wie einst bei den Gladiatoren im Kolosseum im antiken Rom.

Das ist aber nicht mehr zeitgemäß, vielleicht war es das auch nie. Doch was ist die Schlussfolgerung daraus? Den Motorrad-Grand-Prix abschaffen oder gleich das ganze Rennwochenende? Das wäre nur konsequent, wird aber nicht passieren. Die Veranstalter könnten (nicht zu Unrecht) ins Feld führen: Auch andere Strecken sind gefährlich, auch andernorts ereignen sich schwere oder tödliche Unfälle. Die Isle of Man TT etwa gilt als ebenso gefährliches Motorrad-Pflaster wie Macao, auch eine Fahrt auf der Nürburgring-Nordschleife oder in Le Mans ist mit viel Risiko behaftet, bei den US-amerikanischen IndyCars kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Wo also liegt die Grenze zwischen "geht noch" und "geht nicht", zwischen Motorsport-Historie und Moderne? Und wer soll darüber entscheiden?

Die Rennfahrer jedenfalls scheint es nicht zu stören: Die Grand-Prix-Felder in Macao sind alljährlich gut gefüllt, wohl auch durch den "Mythos Macao". Denn solange Rennfahrer die Chance bekommen, den ultimativen Kick beim Fahren am absoluten Limit zu erleben, solange wird es diese gefährlichen Rennen auch geben. Und solange werden sich immer wieder schwere Unfälle ereignen, die Zweifel an diesen Rennen hervorrufen.

 

The crashed cra of Markus Pommer, Aust Motorsport, Audi R8 LMS
The crashed cra of Markus Pommer, Aust Motorsport, Audi R8 LMS

Foto: Andreas Beil

So reagieren die Beteiligten

Solche tragischen Unfälle hinterlassen aber ihre Spuren, auch bei den Beteiligten. GT-Weltcup-Sieger Edoardo Mortara etwa wurde nach seinem großen Triumph auf den Motorrad-Todesfall angesprochen. Seine Reaktion? Überraschend emotional: Der 31-jährig verunglückte Daniel Hegarty war genau gleich alt gewesen wie Mortara, hatte ebenfalls Frau und Kind(er). Sein Tod hatte Mortara in der Nacht vor dem Rennen laut eigener Auskunft sehr nachdenklich werden lassen, trieb dem Mercedes-Rennfahrer sogar noch tags darauf die Tränen in die Augen. Mit einem Schlag wurde Mortara offenbar wieder der ganze Wahnsinn dieser Veranstaltung bewusst. Er ging trotzdem an den Start, und siegte.

Formel-E-Champion Lucas di Grassi reagierte anders auf die Zwischenfälle am Guia Circuit, sprach sich auf Twitter für ein "Frühwarnsystem" für die Piloten aus, damit Massencrashs wie im GT-Weltcup künftig vermieden werden können. Dafür erntete der Audi-Pilot Hohn und Spott, unter anderem vom ehemaligen Grand-Prix-Fahrer David Coulthard, der – ebenso wie di Grassi (2005) – zu den Siegern des berühmten Formel-3-Rennens zählt (1991).

Was Coulthard aber außer Acht lässt: Der Erfolgsdruck in Macao steigt von Jahr zu Jahr, und damit auch der Ehrgeiz der Piloten. Denn Motorsport wird immer teurer, (Spitzen-) Cockpits sind begehrter denn je. Und damit rücken Highlight-Veranstaltungen wie Macao als Bühne, auf der sich ein Rennfahrer profilieren kann, immer mehr in den Fokus. Die Aufwertung des GT-Rennens am Guia Circuit zum offiziellen Weltcup unterstreicht diese Entwicklung. Für die Fahrer steht mehr und mehr auf dem Spiel, der (persönliche) Einsatz wird immer größer – genau wie wenige Meter weiter in den gewaltigen Spielhöllen von Macao.

Wo Motorräder mit gut 280 km/h in der Spitze über einen Stadtkurs ballern, breite GT-Autos durch schmale Gassen gewuchtet werden und Nachwuchspiloten aus der Formel 3 ihre Chance auf den Karriere-Durchbruch wittern, da bleibt der gesunde Menschenverstand eben schon mal auf der Strecke. Wahrscheinlich unbewusst. Bis zum nächsten bitteren Crash. Und der wird passieren. Die große Frage in Macao ist nur: wann? Und: Wie lange das noch hinnehmbar ist.

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