Sign up for free

  • Get quick access to your favorite articles

  • Manage alerts on breaking news and favorite drivers

  • Make your voice heard with article commenting.

Motorsport prime

Discover premium content
Anmelden

Edition

Switzerland
Feature

Ist Colton Herta der nächste IndyCar-Champion aus den USA?

Die Bezeichnung "Titelfavorit" interessiert Colton Herta kaum - Warum er sich trotzdem gut aufgestellt sieht und wie er Teamkollege Romain Grosjean einschätzt

Es ist töricht, im Vorfeld einer IndyCar-Saison detaillierte Vorhersagen zu treffen. Dafür ist die US-Formelrennserie einfach viel zu ausgeglichen. Aber man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich Colton Herta mit seinem Andretti-Honda mit der Startnummer 26 im Rennen um den Titel befinden sollte. Kurz vor dem IndyCar-Saisonauftakt 2022 am Sonntag in St. Petersburg (Florida) hat er sich mit uns für unsere englischsprachige Schwesterplattform 'Motorsport.com' unterhalten.

Weiterlesen:

Colton Herta zu interviewen ist ein Vergnügen, vor allem, weil er nicht anders kann, als die Wahrheit zu sagen. Okay, er wird nicht seine Seele ausschütten und nicht alles preisgeben, was er denkt. Aber wenn er eine Antwort gibt, dann meint er sie auch ehrlich.

Zum Beispiel musste sich der junge Herta im Januar während der offiziellen Media-Days im Vorfeld der IndyCar-Saison 2022 unweigerlich Fragen zur Formel 1 gefallen lassen. Schließlich war er Teil von Michael Andrettis letztlich vereiteltem Plan, das Alfa-Romeo-Team zu übernehmen.

"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht in die Formel 1 will", erklärt Herta und holt aus: "Ich will in meiner Karriere noch vieles machen. Aber es braucht ein bestimmtes Timing, das gilt ganz besonders für die Formel 1. Denn du 28 bist, kommst du leider nicht mehr in die Formel 1. Das ist einfach so. Die Zeit ist reif für mich, sofern ich die Gelegenheit bekomme. Ich müsste mir das gut überlegen, aber ich würde es höchstwahrscheinlich tun, weil ich irgendwann in der Formel 1 fahren möchte."

"Ich bin jetzt 21 Jahre alt. Ich kann in fünf Jahren zurückkommen und immer noch 15 Jahre in der IndyCar-Serie fahren bis ich 40 bin. Ja, ich will [Formel 1] auf jeden Fall versuchen, wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme. Aber ich bin definitiv nicht enttäuscht von der IndyCar-Serie. Ich mag diese Rennserie mehr als jede andere auf der Welt und ich genieße es sehr, hier Rennen zu fahren. Aber ja, es gibt eine Menge Dinge, die ich in meiner Rennkarriere auch außerhalb von IndyCar noch ausprobieren möchte", so der Sohn von Bryan Herta.

Damit war alles klar und wir haben genau verstanden, was Colton Herta dachte. Als ich das Thema in dieser Woche erneut ansprach und ihn fragte, ob er von Fragen zur Formel 1 gelangweilt sei, genügte ein einfaches, kicherndes "Ja!". Damit war endgültig alles gesagt.

Colton Herta

Colton Herta beim Race of Champions 2022 in Pite Havsbad in Schweden

Foto: Motorsport Images

Was den Teil seiner Antwort betrifft, in dem es darum geht, andere Dinge auszuprobieren, so hat Herta sein Wort gehalten. Viele von uns, Fans und Medien gleichermaßen, wissen vielseitige Fahrer zu schätzen. Kurz nach nach den Media-Days der IndyCar-Serie fuhr Herta zusammen mit IndyCar-Rivale Patricio O'Ward, mit seinem eigenen neuen Andretti-Teamkollegen Devlin DeFrancesco und mit Eric Lux für DragonSpeed die 24 Stunden von Daytona und dort zum Sieg in der LMP2-Klasse. Es war Hertas zweiter Klassensieg beim prestigeträchtigen IMSA-Saisonauftakt, nachdem er 2019 zur siegreichen Besetzung des RLL-BMW in der GTLM-Klasse gehört hatte.

Am Wochenende nach seinem jüngsten Daytona-Triumph sprang Herta beim Race of Champions (ROC) in Schweden für den verletzten Travis Pastrana ein, lieferte sich in den unterschiedlichen Autos auf Schnee und Eis packende Duelle mit unter anderem dem viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel und belegte zusammen mit NASCAR-Legende Jimmie Johnson als Team USA den zweiten Platz im Nations-Cup.

Aber Herta lässt sich weder von diesen Nebenbeschäftigungen noch von seinen zukünftigen Karriereaussichten ablenken. Im Moment dreht sich bei ihm alles um die IndyCar-Saison 2022. Er ist hocherfreut, dass er von wenigen Tagen den Wintertest auf der Kurzanbindung des Sebring International Raceway als Schnellster abgeschlossen hat.

"Ja, das war gut, denn das ist eine Strecke, auf der ich mich im IndyCar wirklich schwer tue", gibt Herta offen zu. "Ich bin froh, dass sie nicht im Rennkalender auftaucht, denn es ist eine Strecke, auf der ich normalerweise nicht so schnell bin. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber es fällt mir dort schwer, die Geschwindigkeit für die Kurveneingänge richtig einzuschätzen. So gesehen war das Ergebnis eine schöne Überraschung."

Colton Herta

Beim Sebring-Test Mitte Februar war Herta im #26 Andretti-Honda der Schnellste

Foto: IndyCar Series

"Aber in Vorbereitung auf eine Saison sehe ich die Testfahrten in Sebring grundsätzlich nicht als sonderlich nützlich an. Die Stadtkurse sind ganz anders als Sebring, denn selbst die langsamen Kurven dort sind noch schneller. Da wir in der Winterpause nicht viel Zeit auf der Rennstrecke verbringen, sind die Testfahrten für mich eine Gelegenheit, ins Auto zu steigen und auch mal einen Dreher hinzulegen! Denn dann muss ich das nicht in St. Pete tun, wo es Mauern gibt und man nicht so einfach davonkommt."

"Außerdem haben wir so die Möglichkeit, die Abstimmung zu verändern und zu sehen, was uns gefällt. Nathan (Hertas Renningenieur Nathan O'Rourke; Anm. d. Red.) und ich sind wirklich gut darin geworden, alles aufzudröseln und zu verstehen, was wir an einem Rennwochenende brauchen und was nicht. Es geht darum zu verstehen, ob das, was wir tun, tatsächlich relevant ist oder nicht", so der Andretti-Pilot.

Wenn Andretti Autosport seit einigen Jahren als das Topteam auf Stadtkursen gilt, so ist das auch der Verdient von Herta und O'Rourke. Im vergangenen Jahr erzielte Herta in St. Petersburg einen überzeugenden Sieg, setzte sich in Long Beach aus dem Mittelfeld kommend durch und hätte auch in Nashville gewonnen, wenn er nicht vom Timing der Gelbphasen auf dem falschen Fuß erwischt worden wäre.

Es würde niemanden überraschen, den von Gainbridge gesponserten Andretti-Honda mit der Startnummer 26 nach den 100 Runden des Firestone Grand Prix von St. Petersburg am Sonntag in der Victory Lane zu sehen. Denn nur wenige von Hertas erfahrenen Konkurrenten hatten im Winter mehr Testzeit als er selber. Und seit 2021 haben sich die Autos nicht wesentlich verändert.

Colton Herta

2021 dominierte Herta das Stadtrennen in St. Petersburg nach Belieben

Foto: Motorsport Images

"Was wir fahren, ist fast exakt das, was wir im vergangenen Jahr hatten, sehr ähnlich", sagt Herta und merkt an: "Was die Fortschritte bei den Dämpfern angeht, so lag unser Schwerpunkt ganz bewusst nicht auf den Stadtkursen. Ich würde sagen, dass wir schon jetzt in 95 Prozent der Fälle die besten Autos für Stadtkurse haben. Voriges Jahr hätte ich in Detroit gewinnen können, ich hätte in Nashville gewinnen können, und ich habe St. Pete und Long Beach gewonnen."

Während die echten Testtage in der IndyCar-Serie stark begrenzt sind, kann man in der Winterpause viel im Simulator arbeiten - auch wenn das laut Herta seine Grenzen hat: "Ich glaube immer noch nicht zu 100 Prozent an die Simulationen. Ich glaube, es gibt immer noch entscheidende Unterschiede zwischen der Simulation und dem echten Auto. Aber was Ovale betrifft, glaube ich, dass der Simulator von HPD (Honda Performance Development; Anm. d. Red.) in diesem Bereich am besten ist."

"Ich glaube, dort kann man das nötige Gefühl bekommen, ähnlich wie im echten Leben. Man kann Änderungen vornehmen und den Unterschied, den sie bewirken, wirklich spüren. Das hilft uns dann, uns auf das zu konzentrieren, was wir eigentlich tun wollen. Dieses Gefühl habe ich auf Stadtkursen im Simulator nicht", erklärt der Andretti-Pilot und nennt ein Beispiel.

"Vorige Woche bin ich einen Tag lang Barber [Motorsports Park] und Texas [Motor Speedway] gefahren, weil wir auf diesen beiden Strecken vor den Rennen noch 'echte' Tests absolvieren werden. Texas war wichtig, denn obwohl wir dort nicht wirklich Probleme hatten, waren wir dort auch nicht wirklich gut. Wir müssen uns steigern. Ich glaube ganz sicher, dass wir uns als Team auf die richtigen Bereiche konzentrieren, nämlich auf diejenigen, von denen wir das Gefühl hatten, dass uns etwas Speed fehlt."

Colton Herta, Alexander Rossi

Bei Andretti Autosport hat Herta unter anderem Alexander Rossi als Teamkollege

Foto: IndyCar Series

Da Ryan Hunter-Reay und James Hinchcliffe für die IndyCar-Saison 2022 nicht mehr zum Programm von Andretti Autosport gehören und durch Romain Grosjean und Devlin DeFrancesco ersetzt wurden, ist sich Herta bewusst, dass es innerhalb des Andretti-Teams eine andere Rangordnung geben könnte.

Alexander Rossi ist eine bekannte Größe - ein verdammt guter Rennfahrer, wenn auch einer, dem Herta auf den meisten Strecken im Qualifying voraus ist. Grosjean hingegen ist eine Art Mysterium, obwohl er in der Formel 1 sehr schnell war, auch wenn sein Auto ihm das in den letzten fünf Jahren seiner dortigen Karriere nicht erlaubte. In seiner ersten IndyCar-Saison überzeugte der Franzose mit einer Pole und drei Podestplätzen.

Beim Sebring-Test vor wenigen Tagen war Grosjean derjenige Andretti-Pilot, der am nächsten an Hertas Bestzeit herankam. Er beendete den Tag mit nur 0,17 Sekunden Rückstand auf den 21-jährigen Kalifornier, obwohl er mit der Arbeitsweise bei Andretti Autosport noch nicht so vertraut war und sein Auto nicht bis ins letzte Detail verfeinert und angepasst hatte. Tatsächlich haben Grosjean und sein Renningenieur Olivier Boisson den ganzen Tag über nicht einmal den Frontflügel verändert.

Romain Grosjean

Romain Grosjean: Einer von Hertas zwei neuen Teamkollegen in der Saison 2022

Foto: IndyCar Media

Es ist alles andere als auszuschließen, dass Herta im Kampf um den IndyCar-Titel 2022 auf einen neuen, sehr starken Gegner im selben Team treffen könnte. Das sollte eine Stärke für Andretti Autosport als Ganzes sein - nicht weil einer der beiden Fahrer zu Höchstleistungen getrieben werden muss, sondern weil man in den Trainingssitzungen Zeit sparen kann.

Denn wenn beide Fahrer aktiv nach dem gleichen Handling ihrer Autos suchen, ist die Gefahr, sich bei der Abstimmung in Sackgassen zu verirren, geringer. Dennoch kann Herta noch nicht mit Sicherheit sagen, wie ähnlich oder unterschiedlich seine eigenen Vorlieben und jene von Grosjean sein werden.

"Ich glaube, wir sind uns vom Fahrstil her ziemlich ähnlich", sinniert Herta, "aber das ist im Moment noch schwer zu beurteilen. Aus irgendeinem Grund gibt es in Sebring nicht viele unterschiedliche Fahrstile, die man anwenden kann, außer vielleicht in Kurve 8. Er schien auf der Bremse stark zu sein und die Kurven gut zu meistern. Ich glaube aber, es ist noch zu früh, um zu sagen, welche Ähnlichkeiten oder Unterschiede es geben könnte"

"Wie auch immer, ich bin wirklich froh, dass Romain bei uns ist", so Herta, der überzeugt ist: "Er wird einen wirklich guten Input und Einblick geben und eine neue Perspektive einbringen. Und er wird mit Sicherheit schnell sein. Wir wissen auch, dass Alex schnell sein wird. Tatsächlich glaube ich, wenn Andretti Autosport auf den Stadtkursen weiterhin einen Vorteil hat, dann werden diese beiden Fahrer diejenigen sein, die es für mich zu schlagen gilt."

Aber auch aus anderen Reihen muss Herta mit starker Konkurrenz rechnen, so etwa von Meyer Shank Racing, dem technischen Partner von Andretti Autosport, sowie vom Team Penske, von Arrow McLaren SP und vielleicht von allen am meisten von Chip Ganassi Racing, dem Arbeitgeber des aktuellen Champions Alex Palou.

Podium in Laguna Seca 2021: 1. Colton Herta, 2. Alex Palou, 3. Romain Grosjean

Podium in Laguna Seca 2021: 1. Colton Herta, 2. Alex Palou, 3. Romain Grosjean

Foto: Motorsport Images

Palou und Herta haben im vergangenen Jahr zusammengerechnet sechs Siege errungen. Für viele sind sie die Titelfavoriten für 2022. Denn auch wenn Hertas Unfall in Nashville durch eine kurze Unachtsamkeit auf der Jagd nach Spitzenreiter Marcus Ericsson verursacht wurde, waren seine anderen durch die Finger geglittenen Siege oder Podestplätze anno 2021 auf Pech zurückzuführen - sei es durch mechanische Probleme oder einfach unglückliches Timing.

Dieser junge US-Amerikaner ist eindeutig reif genug, um den Titel zu holen. Und er ist auch reif genut, um die Last des "Titelfavoriten" mit einem Achselzucken abzutun. "Wenn Leute das sagen, oder wenn es in den Medien oder in den sozialen Medien gesagt wird, ist das irgendwie irrelevant für mich", sagt Herta, wobei sich bei ihm ein Hauch von Langeweile einschleicht.

"Wenn es aber von Michael oder Mario (Andretti; Anm. d. Red.) kommt, also von Leuten, die viel Erfahrung im Rennsport haben, dann hat es ein bisschen mehr Gewicht. Sie wissen einfach, worauf sie bei einem Fahrer und seinen Umständen achten müssen, wenn sie die Situation einschätzen. Aber ansonsten...", zuckt Herta mit den Schultern, "kümmert mich das nicht. Ja, es ist schön zu hören. Aber es ändert nichts für mich. Es ändert nicht meine Ziele oder erhöht den Druck oder was auch immer."

Colton Herta

Mit welcher Miene wird Colton Herta im Herbst auf die Saison 2022 zurückblicken?

Foto: Motorsport Images

Wäre alles, was weniger als der Titel ist, eine Enttäuschung? "Das hängt davon ab, aus welchem Grund wir nicht gewinnen", antwortet Herta. "Wenn wir technische Defekte haben, indem uns beispielsweise Motoren um die Ohren fliegen, und die Saison trotzdem als Dritter oder Zweiter in der Gesamtwertung abschließen, dann würde ich das nicht als totale Katastrophe ansehen. Aber wenn wir es nicht schaffen, weil wir nicht schnell genug sind, dann würde ich das als enttäuschend ansehen. Denn muss es immer das Ziel sein, den Titel zu erringen. Alles, was weniger ist, ist beschissen."

Herta mag an der Bezeichnung "Titelfavorit" nicht interessiert sein... und in Wahrheit ist sie vielleicht auch unzutreffend. Es ist ja nicht so, dass sich die Kombination Palou/Ganassi in der Winterpause verschlechtert hätte. Aber sagen wir es mal so: Es wäre ein echter Schock, wenn Herta im September beim Saisonfinale in Laguna Seca nicht um den Titel mitfährt - auf der Strecke, auf der er die beiden zurückliegenden IndyCar-Rennen gewonnen hat.

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

Be part of Motorsport community

Join the conversation
Vorheriger Artikel IndyCar und Motorsport Network enthüllen Ergebnisse der Fan-Umfrage
Nächster Artikel Fotostrecke: Die Autos der IndyCar-Saison 2022

Top Comments

Es sind noch keine Kommentare vorhanden. Warum schreiben Sie nicht einen?

Sign up for free

  • Get quick access to your favorite articles

  • Manage alerts on breaking news and favorite drivers

  • Make your voice heard with article commenting.

Motorsport prime

Discover premium content
Anmelden

Edition

Switzerland