MotoGP-Analyse: Was wir beim Sepang-Test gelernt haben
Bei den MotoGP-Wintertestfahrten auf dem Sepang International Circuit in Malaysia gab es diverse Erkenntnisse. Oriol Puigdemont analysiert einige davon.
Foto: : Gold and Goose / Motorsport Images
Maverick Vinales zeigt sein Potenzial
Nach seinem überzeugenden Ersteinsatz für Yamaha beim Valencia-Test im November 2016, zeigte Maverick Vinales in Sepang erneut sein Potenzial. Wie schon in Spanien, so schloss der Spanier auch in Malaysia als schnellster aller Fahrer ab.
Am 3. Tag des Sepang-Tests blieb Vinales 9 Runden lang unter der 2:00-Minuten-Marke und damit länger als jeder andere Fahrer. Zwar stehen bis zum Saisonauftakt noch 2 weitere Wintertestfahrten an, aber Vinales hinterlässt derzeit den stärksten Eindruck im gesamten MotoGP-Feld.
Kopfschmerzen bei Valentino Rossi?
Auf der anderen Seite der Yamaha-Box erreichte Valentino Rossi den Sepang-Test mit schweren Kopfschmerzen. Dadurch war er sowohl am 1. als auch 2. Tag beeinträchtigt. Der 37-jährige Italiener gestand, sich derzeit körperlich nicht in bester Verfassung zu befinden.
Rossi wirkte müde und schaffte am 3. Tag nur eine einzige Runde unter 2:00 Minuten. Das lässt darauf schließen, dass sich "The Doctor" auf der neuen Yamaha M1 noch nicht so wohl fühlt wie sein neuer Teamkollege Vinales.
Sollte sich dieser Trend fortsetzen, dann war der Sepang-Test für Rossi möglicherweise nicht der letzte schwierige Moment in diesem Jahr.
Yamaha versteckt die Winglets
Aus dem Yamaha-Lager war vor Beginn der Testfahrten von mehreren Leuten zu hören, dass an der 2017er-Version der M1 intensiv gearbeitet wurde. Das wurde beim Test für jedermann deutlich.
Neben einem neuen Motor, der im Vergleich zu jenem vom Valencia-Test deutlich ausgereifter war, präsentierte das Werksteam aus Iwata eine der aerodynamisch auffälligsten Lösungen im Feld: eine neue Doppel-Verkleidung, bei der die Winglets innen liegen.
Es bleibt abzuwarten, wie groß der Einfluss dieser Yamaha-Neuerung auf die Performance sein wird.
Jorge Lorenzo befreit sich selbst
Jorge Lorenzo wirkte am 1. Testtag wie jemand, der gerade einen Geist gesehen hatte. Nach konkurrenzfähigen Runden bei seinem Ducati-Einstand im November in Valencia, lief es für den Spanier zu Beginn des Sepang-Tests zunächst nicht wie erhofft.
Doch Lorenzo hat im Verlauf der 3 Testtage in Malaysia schnell gelernt und beherrscht inzwischen einige der obligatorischen Tricks, die es braucht, um eine Desmosedici wettbewerbsfähig zu bewegen. Das gilt allen voran für das Bremsen.
So beendete Lorenzo den Sepang-Test nach sukzessiver Steigerung mit gerade mal 0,4 Sekunden Rückstand auf seinen Yamaha-Nachfolger Vinales.
Der 2. Wintertest, der auf Phillip Island – und damit auf einer komplett anderen Strecke – über die Bühne geht, wird einen ernsthafteren Anhaltspunkt liefern, welche Chancen der dreimalige MotoGP-Champion Lorenzo auf seiner neuen Maschine hat.
Honda sucht nach Antworten
Honda scheint auf der Suche nach einer einfachen Abstimmung für die RC213V ein wenig auf verlorenem Posten zu stehen. Das japanische Werksteam brachte 2 Motorspezifikationen nach Malaysia, wobei eine von Marc Marquez und Dani Pedrosa schon in Valencia getestet worden war.
An Tag 1 und 2 des Sepang-Tests tat sich Honda mit der Elektronik schwer. Am Schlusstag allerdings spulten sowohl Marquez (85 Runden) als auch Pedrosa (67 Runden) ihr geplantes Programm vollständig ab.
Honda muss sich jetzt für einen Weg entscheiden: Entweder aus Motorspezifikation 1 mehr Performance herausholen oder die leistungsstärkere Motorspezifikation 2 zähmen. Insgesamt wirkt die Situation des Teams ganz ähnlich der vor genau einem Jahr.
Andrea Iannone fährt mit der Suzuki in die Spitzengruppe
Suzuki wird den wilden Fahrstil von Andrea Iannone nicht ändern. Das wurde in Malaysia deutlich. "The Maniac" zeigte sich im Verlauf der 3 Tage wieder einmal von seiner besten und von seiner schlechtesten Seite. An Tag 2 fuhr er Bestzeit, an Tag 3 stürzte er gleich zweimal.
Iannone scheint sich auf der GSX-RR, die ein gutmütiges Motorrad mit einem kürzlich überarbeiteten Motor ist, wohl zu fühlen. Es bleibt abzuwarten, ob der Italiener die vom Team erwartete Schlüsselfigur spielen kann oder ob er wieder einmal sein ärgster Feind sein wird.
Jonas Folger und Johann Zarco überraschen alle
Jonas Folger und Johann Zarco, die bei Tech 3 Yamaha beide vor ihrer Rookie-Saison in der MotoGP-Klasse stehen, zählten zu den größten Überraschungen des Sepang-Tests. Beide Fahrer zeigten, dass sie mit der Yamaha M1, die im vergangenen Jahr von Rossi und Lorenzo zu Siegen pilotiert wurde, sehr gut zurechtkommen.
Doch sowohl für Folger als auch für Zarco gilt, dass wir noch ein wenig abwarten müssen, um besser einschätzen zu können, was sie in ihrer Rookie-Saison in der Königsklasse leisten können.
Eines scheint sich jedoch schon jetzt abzuzeichnen, nämlich, dass der Kampf um den Rookie des Jahres wohl zwischen den beiden Tech-3-Teamkollegen und vielleicht Suzuki-Pilot Alex Rins ausgefochten wird. Sam Lowes, der 4. Rookie im MotoGP-Feld 2017, hat mehr mit seiner Aprilia als mit den Gegnern zu kämpfen.
Chancen für die Ducati-Kundenpiloten
Schon in der Saison 2016 wurde deutlich, dass Ducati über eine sehr gute Basis verfügt. Diese ermöglicht es den Kundenteams auch mit älteren Versionen der Desmosedici sofort auf Tempo zu kommen.
Avintia-Pilot Hector Barbera war in der vergangenen Saison der Stärkste in Reihen der Ducati-Kundenpiloten. In dieser Saison scheint sich für Barbera aber ein ernsthafter Gegner herauszukristallisieren.
Ex-Aprilia-Werksfahrer Alvaro Bautista nämlich verliebte sich in Sepang auf Anhieb in seine Ducati des Aspar-Teams. Es ist davon auszugehen, dass im Verlauf der Saison sowohl Barbera als auch Bautista von sich reden machen lassen werden.
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